„Wenn der Bürgermeister von Schwedt sagt, die Jugendlichen, die von Rechtsradikalen verprügelt werden, weil ihr Äußeres denen nicht gefällt, sollten sich eben anpassen und „nicht provozieren“, dann darf er sich des Beifalls aller Neonazis gewiß sein. Und auch des Beifalls vieler „normaler“ Bürger.“
„Freitag“, 14.2.1997
"Der Oberbürgermeister von Delitzsch schweift nur ungern zu den Aussiedlern ab. Etwa dem 13jährigen, der von Rechten zusammengeschlagen wurde. … Der Oberbürgermeister hat einen Rat an die Aussiedler: „Sie sollten sich so benehmen, wie sich das gehört.“
„Berliner Zeitung“, 5.9.2000
„Das einzige, was den schreienden Glatzen Eindruck machen könnte, wäre die Bewaffnung der Antifa und die Entnazifizierung der Polizei. Das hieße Bürgerkrieg, und der ist ohnehin längst, mit über 100 Toten seit der Wende, latent im Gange.“
„Konkret“ 10/2000
lantent (lat.) vorhanden, aber nicht im Bewußtsein erscheinend, verborgen
Drehst Du nun völlig ab?
"Siebenmal stießen die Mörder Frank Böttcher, 17, ein Messer
in den Rücken. … Harald Meier: „Das so etwas mal passiert,
das ist doch normal.“
„DER SPIEGEL“ Nr. 8/1997
Hatte ich das gutgeheißen?
Hättest du es gutgeheißen, wärst du ein Gegenüber gewesen; das von 90 % „korrekt“ gesagte: finde ich nicht gut, aber es waren doch Minderjährige, und da ist jetzt was viel Schlimmeres passiert und und nimmt mich, als Gegenüber, nicht ernst. Ich sage: ein Freund ist tot und höre als Gegengeräusch blabla, ratata, das wirkt auf mich wie bumbum, wirkt als geistig verbales hineintrommeln in meinen Kopf, geht eben leider nicht wirkungslos zum einen Ohr rein und zum anderen raus, sondern verstärkt die ohnehin schon allzustark vorhandenen depressiven und aggressiven Gefühle in mir, ist, gelinde ausgedrückt, ein brutal wirkendes Ignorieren meiner Trauer.
SOLDATEN
Die automatisch als Reaktion - mein Freund ist tot einsetzende Militärisierung meines zwischen Trauer, Depression und Aggression aus der Balance gerissenen Bewußtseins ist ja auch eine Disziplinierung. Sich durch Militärisierung in der Balance halten und nicht tobend Amok laufen.
„Ich bring sie um. Ich mach sie weg. Ich schlag die Autos der
Spießer kaputt. Ich werf die Scheiben ihrer Banken ein.“
„Cool Boy, crazy Boy, cool, cool, cool.“
Leute, die solche Statements von sich geben, sind keine
Diskussion wert.
Hab jetzt keinen Bock Belege für Spießerreaktionen „ist doch gut, wenn sich das Gesindel gegenseitig umbringt“ aus dem Archiv rauszusuchen, aber, „Normale“, die gegenüber einem Journalisten des Lokalblattes „Magdeburger Volkszeitung“ solche Statements von sich geben, gießen Öl in das Feuer in meinem Kopf und „kühl Junge, sei kühl, werde kühl, dreh nicht durch“ ist ein Song aus der Westsidestory, ist in Brandsituationen eine beruhigende, keine aufputschende Musik. Das heißt konkret: sich selbst und die eigene(n) Gruppe(n) beruhigen: vom ich geh jetzt los und schlag zu wegzubringen. Ist nicht, wie du anscheinend glaubst, ein „Statement“ an die Außenwelt, für die unsere Musik natürlich nur „Krach“ ist.
Zivilisation
„Alles muß man dir erklären, weil du wirklich gar nichts
weißt, höchstwahrscheinlich nicht einmal, was Trauer, Schmerz
und Freundschaft heißt.“
Schönes Zitat. Was willst Du uns damit sagen?
Das ist kein schönes Zitat, das ist aus einem Song der „Ärzte“, einer Rockband mit einem Rhythmus der die eigenen aggressiven Gefühle ausdrückt und zugleich aufs eigene Selbst beruhigend wirkt durch den intelligenten Text. Auf einen Empfänger wirkt diese Musik natürlich nur, wenn er die Signale des Senders versteht. Du verstehst sie offensichtlich nicht. Das heißt, du hast noch nie in einer vergleichbaren Situation einen Freund verloren, kannst daher für meinen Verwirrungszustand danach auch keine Empathie empfinden, nicht mal konventionelle Zurückhaltung ausdrücken, stattdessen: blabla, ratata und bumbum, kurz Verständnislosigkeit, und die macht mir Kopfweh. In der Sprache der Ärzte: " … deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe, deine Springerstiefel sehnen sich nach Zärtlichkeit, du hast nie gelernt dich zu artikulieren, und deine Eltern hatten niemals für dich Zeit."
Matthias,
Sorg(t) durch Leserbriefe, Parteiarbeit oder was auch immer
dafür, daß Spießer uns nicht immer erklären wollen, was in
diesem Land „normal“ ist! NORMAL steht bei uns für einfach,
gewöhnlich, nichts Besonderes.
…was in diesem Fall der dem Terrorismus vorzuziehende Weg
ist.
Du schriebst ja selbst, daß du auf der Sonnenseite des Lebens stehst, daß es folgerichtig Gebiete mit weniger Sonne gibt. Wer sich gut mit Worten wehren kann und nie, z.B. durch „Erzieher“ und/oder die eigenen Eltern Schläge bekam, sieht es natürlich als „unfair“, wenn der „geistig Unterlegene“ sich nicht durch Gegenrede (hätte er doch eh keine Chance) wehrt, sondern eher zu einer anderen Form der Gewalt neigt. Du erwartest, daß deine Selbstzufriedenheit - „ich bin wer, ich hab was geleistet“ -, deine vielleicht nicht immer glückliche aber meist doch sehr ausgeglichene Stimmung, von denen, die mehr im Schatten standen oder stehen als allgemein verbindliche „Norm“ übernommen wird. Typischer Irrtum der oberen Mittelschicht. Ich könnte keine Parteiarbeit machen. Langweilt. Macht schläfrig. Ist ohne Emotionen. Ob nun Schily oder Schill besser ist, für mich kein Thema. Am liebsten ist, mir, ich seh und hör von beiden nichts.
Für mich ist normal, daß auf der Straße oder in der
Straßenbahn Spießer einem sehr jungen Punk sagen: „So was wie
dich hätte man früher vergast.“
Das hat doch bereits einen 25-jährgen Bart!
Mit hat das in meiner wilden Zeit in den 80ern niemand gesagt.
Ich hab ja auch nie gesagt, daß wir alle mit den gleichen Erfahrungen leben. Was für dich nicht aktuell ist, kann es sehr wohl für andere sein. Hab dazu gestern bei „nicht denken, sondern rechnen“ ne Story geschrieben. Auch ist es doch so, daß man nicht die gleichen Worte gebrauchen muß, um bei anderen alte Wunden immer wieder aufzureißen, es genügt die gleiche oder vergleichbare Geisteshaltung. „Arbeitslager“ für Arbeitslose hab ich aus Talkshows im Archiv (Band), und das war nicht vor 25 Jahren, sondern vor vielleicht einem Jahr. Wenn ich „Arbeitslager“ höre, denke ich sofort an KZs.
Magdeburg. … Die Demonstranten kippten mehrere Autos um und
zündeten sie an. Anlaß der Demonstration war der erste
Todestag des Punkers Frank Böttcher."
„Süddeutsche Zeitung“, 9.2.1998
An diesem Tag hatte ich auf „cool Boy, cool, cool“ keinen
Bock!
Die Besitzer der umgekippten Autos sicherlich auch nicht.
Peter und ich standen ja direkt daneben als von unvermumten Jugendlichen ein wunderhübscher Mercedes, Oldtimer, liebevoll restariert und gepflegt, ein Liebhaberwagen, umfestürzt und angezündet wurde, gleich danach noch ein ziemlich neuer BMW, die billigeren Autos wurden nicht beachtet. Ein Junge stellte sich vor uns hin, bat mich um die Colaflasche in meiner Hand und sagte zu Peter, er war da 57: „Ist doch Scheiße, was die machen.“ Hart prüfender Blick. Peter: „Ist schon okay“. Der Mercedesbesitzer kam wie ein Stier aus seinem Reihenhaus, wurde niedergeschlagen, sah die Übermacht und kroch ungefähr zwei Meter auf allen vieren zurück, dann Flucht ins Haus. Es war gewiß ein kleiner Bürger, war ja keine Villengegend, ein Bürger, der sich seinen Wunschwagen erarbeitet hatte. Aber. Die Demonstration war angemeldet und angekündigt. Daß an diesem Samstag demonstriert wurde, stand zuvor in vielen Zeitungen und ganz gewiß in allen Magdeburger Lokalblättern. Warum also, hat er sein Auto nicht in Sicherheit gebracht? Z.B. in ein Parkhaus. Weil ihn der „Pöbel, Abschaum, entartete Jugendliche“ nicht interessiert? Die können sich doch gegenseitig umbringen, was geht ihn das an? In seiner schönen kleinen heilen Welt.
Bitte kläre mich auf, worauf willst Du hinaus?
Wie kommst Du auf Böttcher?
Der ermordete 17jährige Punk Frank Böttcher war der Bruder meines Freundes Peter Böttcher, auch Punk. Dessen Wohnung wurde ein Jahr nach dem Mord von Boneheads überfallen. Peter war nicht zuHause, war an diesem Wochenende zu einem Konzert gefahren. Beim Überfall, Tür wurde aufgebrochen, die Überfallenen saßen vorm Fernseher: „Zwei Punks gelang es, durch ein Fenster zu fliehen, ein Dritter wurde von den neun Skins im Hinterhof gestellt. Sie schlugen das Opfer zu Boden und traten es mit Springerstiefeln. Der 23jährige erlitt lebensgefährliche Kopfverletzungen. Falls er überlebt, wird er bleibende Schäden behalten.“ („die tageszeitung“, 6.1.98) Er hat überlebt und bleibende Folgen. Und mein Bruder sagt: „Christian macht seine Zukunft kaputt. Denn er hat in Mathematik eine fünf. Wir stecken ihn jetzt in ein Internat.“ Und meine Schwester klagt: "Julian hat jetzt einen anderen Freund. Das ist ein Junge wie dein peter sie mag … " Und die Schrift leuchtet auf, bitte zahlen, die Sprechzeit ist um.
Gruß
Jürgen