Mehr, als 3 Gehälter bei Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch

Hallo,

ist es korrekt, dass ein Schwerbehinderter, der sich bei einem Arbeitgeber im öffentlichen Dienst auf eine Stellenanzeige beworben hat, alle dort aufgezählten Erwartungen erfüllt und seine Schwerbehinderung in den Bewerbungsunterlagen erwähnt hat, der nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, obwohl er lt. §  SBG IX hätte eingeladen werden müssen, diesen Arbeitgeber nicht „nur“ auf maximal drei Monatsgehälter Schadenersatz verklagen kann, sondern sogar noch auf viel mehr, wenn festgestellt wird, dass genau dieser schwerbehinderte Bewerber hätte eingestellt werden müssen? Wie stellt man das denn bitteschön als Kläger an? Dafür müsste der Arbeitgeber dann ja offenlegen, welche Person mit welcher evtl. vorhandenen Behinderung und mit welcher Qualifikation anstelle des nichteingeladenenen schwerbehinderten Bewerbers eingestellt worden ist, oder!? Es heißt in den Stellenanzeigen ja meistens, dass schwerbehinderte Bewerber bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt werden. Das bedeutet doch, dass ein schwerbehinderter Bewerber, der die gleiche Eignung wie ein Nichtschwerbehinderter hat, eingestellt werden muss und eben nicht der Nichtschwerbehinderte, oder!? Kommen zwei Schwerbehinderte in die Endauswahl hat sich der Arbeitgeber für den schwerbehinderten Bewerber zu entscheiden, von dem die Qualifikation besser ist, oder!?

Wo steht überhaupt geschrieben, dass schwerbehinderter Bewerber/Kläger mehr, als 3 Monatsgehälter einklagen darf, weil dieser hätte eingestellt werden müssen?

Danke + Gruß

Terence

Hallo,

Hallo,

ist es korrekt, dass ein Schwerbehinderter, der sich bei einem
Arbeitgeber im öffentlichen Dienst auf eine Stellenanzeige
beworben hat, alle dort aufgezählten Erwartungen erfüllt und
seine Schwerbehinderung in den Bewerbungsunterlagen erwähnt
hat, der nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde,
obwohl er lt. §  SBG IX

Genauer gesagt, § 82 SGB IX
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9/__82.html

hätte eingeladen werden müssen, diesen
Arbeitgeber nicht „nur“ auf maximal drei Monatsgehälter
Schadenersatz verklagen kann, sondern sogar noch auf viel
mehr, wenn festgestellt wird, dass genau dieser
schwerbehinderte Bewerber hätte eingestellt werden müssen?

Theoretisch ja im Rahmen des Schadenersatzes

Wie
stellt man das denn bitteschön als Kläger an?

Das ist nun mal nahezu unmöglich in der Praxis, wenn sich der AG nicht komplett dämlich verhält und Beweise frei Haus liefert.

Dafür müsste der
Arbeitgeber dann ja offenlegen, welche Person mit welcher
evtl. vorhandenen Behinderung und mit welcher Qualifikation
anstelle des nichteingeladenenen schwerbehinderten Bewerbers
eingestellt worden ist, oder!?

Das müßte noch nicht mal zwingend der Fall sein.

Es heißt in den Stellenanzeigen
ja meistens, dass schwerbehinderte Bewerber bei gleicher
Eignung bevorzugt berücksichtigt werden. Das bedeutet doch,
dass ein schwerbehinderter Bewerber, der die gleiche Eignung
wie ein Nichtschwerbehinderter hat, eingestellt werden muss
und eben nicht der Nichtschwerbehinderte, oder!?

Nein, daß heißt es so konkret nicht zwingend

Kommen zwei
Schwerbehinderte in die Endauswahl hat sich der Arbeitgeber
für den schwerbehinderten Bewerber zu entscheiden, von dem die
Qualifikation besser ist, oder!?

Grundsätzlich ja

Wo steht überhaupt geschrieben, dass schwerbehinderter
Bewerber/Kläger mehr, als 3 Monatsgehälter einklagen darf,
weil dieser hätte eingestellt werden müssen?

Das ergibt sich für einen bezifferbaren materiellen Schaden aus § 249ff BGB, im vorliegenden Fall evtl. iVm § 241f BGB wg. „Rücksichtnahmepflichten“.

Da allerdings in der Tat die Geltendmachung des Anspruches zB im Zusammenhang mit § 82 SGB IX oft an der Beweisbarkeit und der Bezifferung des Schadens scheiterte, hat der Gesetzgeber für diesen und ähnlich Diskriminierungsfälle den Pauschalanspruch des § 15 AGG geschaffen - eine für das deutsche Recht relativ neue sog. „punitive damage“.

Danke + Gruß

&Tschüß

Terence

Wolfgang

ist es korrekt, dass ein Schwerbehinderter, der sich bei einem
Arbeitgeber im öffentlichen Dienst auf eine Stellenanzeige
beworben hat, alle dort aufgezählten Erwartungen erfüllt und
seine Schwerbehinderung in den Bewerbungsunterlagen erwähnt
hat, der nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde,
obwohl er lt. §  SBG IX hätte eingeladen werden müssen, diesen
Arbeitgeber nicht „nur“ auf maximal drei Monatsgehälter
Schadenersatz verklagen kann, sondern sogar noch auf viel
mehr, wenn festgestellt wird, dass genau dieser
schwerbehinderte Bewerber hätte eingestellt werden müssen?

nein, das ist nicht korrekt. diesen ersatz eines vermögensschadens, von dem du sprichst, gibt es unabhängig davon, ob ein schwerbehinderter für eine stelle im öffentlichen dienst nicht eingestellt wurde. gem. § 15 abs.1 agg besteht dieser anspruch für jede diskriminierung - auch außerhalb des öffenltichen dienstes. (daneben, aber inhaltsgleich, können ansprüche aus cic gem. §§ 280 abs., 311 abs.2 bgb gegeben sein). gem. § 249 bgb folgt daraus -bei einer hypothetischen betrachtung- ein anspruch auf entgelt(fort)zahlung bis zur ersten kündigungsmöglichkeit des AG.

entgegen der unteren antwort hat sich der AG zu entlasten, dass er den bewerber nicht diskriminiert hat (siehe negativformulierung in § 15 Abs.1 S.2 AGG). es ist daher unzutreffend, dass dieser anspruch „in der praxis“ oft nicht durchgeht…

daneben gibt es noch den von dir erwähnten anspruch auf einen (verschuldensunabhängigen) nichtvermögensschaden gem. § 15 abs.2 AGG iHv drei monatsgehältern.

bei beiden ansprüchen gibt es deutliche beweiserleichterungen bzw. eine beweislastumkehr zugunsten des (möglicherweise) diskiminierten bewerbers, ansonsten wäre § 15 AGG als ganzes ein ziemlich stumpfes schwert bei diskriminierungen im arbeitsleben. der gesetzgeber bzw. die rechtsprechung haben sich dabei schon etwas gedacht…

Kommen zwei
Schwerbehinderte in die Endauswahl hat sich der Arbeitgeber
für den schwerbehinderten Bewerber zu entscheiden, von dem die
Qualifikation besser ist, oder!?

in diesem fall stellt sich die frage einer diskminierung wg schwerbehinderung nicht. es bleibt grds. jedem AG selbst überlassen, wen er nimmt. er darf nur nicht aus einem der in § 1 AGG genannten gründen diskriminierend auswählen. und da die qualifikation kein diskriminierungsmerkmal ist, darf der AG auch einen „schlechter“ qualifizierten auswählen.

problematisch wird es für den AG, wenn von den bewerbern ein schwerbehinderter vorhanden ist, der gleich oder besser qualifiziert ist als andere bewerber. dann muss er sich (oftmals) über die wahl des nichtbehinderten erklären…

Wo steht überhaupt geschrieben, dass schwerbehinderter
Bewerber/Kläger mehr, als 3 Monatsgehälter einklagen darf,
weil dieser hätte eingestellt werden müssen?

§ 15 abs. 1 agg

p.s. frist nach § 15 abs.4 agg nicht vergessen…

p.p.s. § 82 sgb IX ist im zusammenhang mit § 15 AGG zu sehen, zur lektüre (auch für den unteren autor: BAG, Urteil vom 21. 7. 2009 - 9 AZR 431/08)