Mehrheit der Ostdeutschen lehnt Marktwirschaft ab

Interessanter Artikel in der Welt:

http://www.welt.de/politik/article2562267/Mehrheit-d…

Ein Leser hat die sozialischische Realität in der Komentarfunktion des Artikels mal schön zusammen gefasst:

Meine Erinnerungen an den Sozialismus:
-grünlich gelber Qualm über den Städten im Winter
-kaputte Strassen und Eisenbahn Trassen
-defekte Dächer und Wohnungen mit Plumsklo
-Korruption im Handel und Gastronomie, bei den Handwerkern, Ärzten, Wohnung Vergabe und vieles mehr - wer nichts zu bieten hatte, bekam auch nichts.

MOD: Vollzitat wegen Urheberrecht gekürzt

Vielleicht etwas drastische Erinnerungen an die sozialistische Realität, die scheinbar bis zur Jungend nicht durchgedrungen sind.

Ist dies erstrebenswert weil es allen gleich dreckig geht?

Gefährliches Halbwissen
Hallo!

Besonders, dass viele junge Menschen so romantisierend an die Vergangenheit herangehen, erschreckt immer wieder. Ich mache Referendariat im Fach Gemeinschaftskunde und stehe manchmal ziemlich geschockt da. Die Kiddies (meine sind ab 14 Jahre alt) wissen prinzipiell viel - aber das meiste eben nur halb. Sie haben durchaus Meinungen - aber man kann sich sehr oft denken, woher sie diese haben (was ja auch verständlich ist). Wenn also Jugendliche, die weit nach der Wende geboren worden, der Meinung sind, alles sei gut gewesen, dann haben sie diese Meinung von den Erwachsenen, mit denen sie zu tun haben. Ich würde das den jungen Leuten nicht zum Vorwurf machen - woher sollen sie es denn auch wissen?! Die Betonung muss auf denen liegen, die zur Zeit des Untergangs des Sozialismus aus dem Schulalter heraus waren.
Die Aufgabe der Schule sollte es dann sein, mit diesen Halbwahrheiten aufzuräumen, möglichst viele Einzelaspekte zu beleuchten (Denn ein schlichtes „Es war alles schlecht.“ hilft hier m.M. nach überhaupt nicht weiter, höchstens kommt noch dieses Trotzgefühl hoch, sich vom „Westen“ abgrenzen zu müssen) und auch Dinge aufzugreifen, die mit der unmittelbaren Lebenswirklichkeit der Schüler heute zu tun haben. Aber ein Blick in den Lehrplan hat mir verraten, dass dafür leider keine Zeit bleibt, als politisches System kommt die DDR gar nicht vor, das Wirtschaftssystem wird in einer Stunde thematisiert (theoretischerweise, versteht sich) und das Leben der Menschen in der DDR?! Vielleicht hat man da bei Geschichte oder gar Ethik mehr Glück. Glaube ich aber nicht.
Woher sollen es die jungen Leute also besser wissen, wenn sie sich nie ernsthaft mit der eigenen jüngeren Vergangenheit auseinander gesetzt haben?! Klar wird dann die Meinung des frustrierten Vaters oder der verunsicherten Mutter übernommen. Über die Grausamkeiten des Nationalsozialismus stolpert man an allen Ecken und Enden - und das hinterlässt durchaus seine Wirkung. Über die DDR wird hier mal wahnsinnig schlecht und dort überaus gut berichtet. Da picke ich mir raus, was mir passt.

Mir persönlich passt übrigens die Marktwirtschaft und die Wiedervereinigung verhältnismäßig gut. Ich halte mir immer vor Augen, was ich wohl nicht hätte: ein Abitur, einen Studienabschluss, meinen Freund, ein Auto, eine wahnsinnig schicke Wohnung, die Möglichkeit, im Wald spazieren zu gehen, den freien Blick auf meine Heimat (ehemaliges Uran-Bergbaugebiet), die freie Meinungsäußerung usw. Klar ist nicht alles Gold, was da so glänzt. Aber ich denke, es glänzt heute mehr als vor 20 Jahren :smile:

LG
Sonne

P.S.: Noch eine Anekdote zur Finanzkrise und Ostdeutschen (könnte sich ähnlich aber sicher auch im Westen abgespielt haben): Beim Telefonat mit meiner Oma erzählte diese mir, dass ihre Freundin, eine zwar noch rüstige, aber schon 70jährige Frau, nun große Angst habe, ihr Erspartes zu verlieren. Ich versuchte zuerst, die Oma zu beruhigen, was aber nicht gelang. Dann sagte ich, solle die Freundin doch das Geld von der Bank holen und ihren Enkeln geben, wenn sie nicht wolle, dass es Finanzhaien zum Opfer falle. Nein, das gehe nicht, sagte meine Oma, denn die 70jährige Freundin spare für ihr Alter! Für ihr Alter, fragte ich ungläubig!? Ja, sie wolle sich im Alter mal eine Eigentumswohnung kaufen, wo dann der ambulante Pflegedienst hinkäme. Später, im Alter…
Das hat zwar eher was mit unterschiedlicher Definition von Alter zu tun, aber interessant finde ich das trotzdem :smile:

Hallo tobi,

Ist dies erstrebenswert weil es allen gleich dreckig geht?

Nun ja, nicht jedem ist Eigenverantwortung - sowohl im positivem als eben auch im negativem - erstrebenswert. Sozialismus bedeutet erst einmal, die Verantwortung für sein eigenes Fortkommen an ein (meist intransparentes) Staatswesen abzugeben. Hat man dies getan, ist man für alle Randumstände entschuldigt. Sehr bequem.

Allerdings sind für mich die einzigen, die dieser Neigung nahezu nicht fröhnen, persönlich haftende Unternehmer. Und wenn man unsere Unternehmerquote so betrachtet, dann ist klar, warum sozialistisches Gedankengut in D allgemein gut ankommt. Schon höhere Angestellte reden nur dann der „unbarmherzigen“ Marktwirtschaft das Wort, wenn ihre persönlichen Risiken minimal sind. Siehe jetzt auch die Reaktion diverser Vorstände auf die Finanzkrise.

Nett fand ich letzthin ein Interview mit H. Kopper. Er selber legt sein privates Geld nahezu ausschließlich festverzinslich an. Die Aussage hat echt seinen Charme:wink:

Grüße
Jürgen

Hi,

im Unterricht, miten in Bayern, zeigen sich Schüler auch oft Begeistert von der Idee des Sozialismus und hätten ihn lieber jetzt als später. Natürlich haben sie das eine oder andere aus der Geschichte gehört, aber sie denken, das ist alles machbar, wenn nur die richtigen Leute oben sitzen. Aller Luxus, der nur Geld kostet und Neid verursacht, wird einfach verboten.
Die Idee ist ja auch verführerisch und so alt wie die Welt: Jeder hat das, was er zum Leben braucht, alle sind gelich und alle sind glücklich.
Das Problem ist (wenn man es denn Problem nennen will), dass wir niht glücklich sind, wenn wir alle das gleiche haben. Wir sind glücklich, wenn wir mehr haben, als die anderen, solange wir satt zu essen und ein dach über dem Kkopf haben. Alles, was darüber hinausgeht, ist relativ: wenn jeder einen Ferrari fährt, ist unter Umständen keiner glücklich, zumindest nicht, weil er einen Ferrari hat. Wenn einer sich aber einen Ferrari fährt, und um ihn herum fahren alle Opel Kadett, und er gewinnt einen FErrari / spart und arbeitet lange genug, um sich einen kaufen zu können, dann ist er glücklich - denn er hat sich ein Stück aus der Masse herausgelöst.
Wir glauben, dass jede Tätigkeit wertvoll ist, aber wir glauben nicht, dass sie das gleiche wert ist. Und jeder von uns hat andere Vorstellungen davon, was er braucht, ganz zu schweigen von persönlichem Geschmack (stell Dir vor, es gibt nur eine Sorte Joghurt, eine Firma, die entscheiden über die Geschmacksrichtungen und die Herstellungsart … wenn dir das nicht schmeckt, dann hast du halt pech … oder oben in der zentralen Wirtschaft legt jemand fest, wie viel Paar Jeans wir dieses Jahr brauchen, und ob überhaupt, und wenn ja, welcher Schintt etc. Ganz abegesehen von der Zeit, die es braucht, auch nur versuchen zu wollen, eine korrekte Zahl zu finden).

Die Franzi,
die im Januar 1990 in der Nähe von Dresden ihren 17. Geburtstag gefeiert hat.

Ist dies erstrebenswert weil es allen gleich dreckig geht?

Anscheinend.

Neid ist halt eine böse Sache.

mfg

Hallo,

Interessanter Artikel in der Welt:

http://www.welt.de/politik/article2562267/Mehrheit-d…

Das ist ein wunderbares Beispiel, wie man durch Ergebnisse von „Umfragen“ Meinung manipulieren und Stimmung erzeugen kann.

Zum Thema Sozialismus/Kommunismus kommt mir immer ein Spruch in den Sinn, der mir irgendwann mal über den Weg gelaufen ist:
Wer mit 17 kein Kommunist ist, hat kein Herz,
wer es mit 30 immer noch ist, hat keinen Verstand.

Zu bestimmten Themen kann man sich die Umfrage sparen, weil das Ergebnis vorher bekannt ist. Und da beginnt für mich die Grauzone zwischen Wichtigtuerei und Manipulation.

Gruß
Cassius