Mein Hobby: Briefmarken

Briefmarkensammler werden gerne belächelt, als unzeitgemäße Stubenhocker. Sämtliche Vorurteile werden zusammengekramt, die es über die Briefmarkensammler so gibt, und uns vor die Füße geschüttet. Wobei der langbärtige Witz „Fräulein, darf ich Ihnen meine Briefmarkensammlung zeigen?“ sogar noch in den positiven Bereich fällt, denn er unterstellt uns wenigstens Interesse auch am weiblichen Geschlecht…

Man erzählt uns zum Beispiel, man habe selbst in der Jugend mal eine Zeitlang Briefmarken gesammelt, dann aber aufgehört, weil „das ja nichts bringt“. Und dass es sich eben um Aktien des kleinen Mannes handele, mit Betonung auf „klein“, natürlich. – Eventuell hat man da aber einfach zu früh aufgehört, nichts begriffen und die Chancen nicht genutzt, die im Briefmarkensammeln stecken.

Auch ich habe im „zarten Alter“ angefangen, allerdings nicht nach 3 Jahren aufgehört. Ich habe zuerst natürlich auch gedacht, wenn ich mir immer die neuen Marken am Postamt hole – später habe ich sogar die Neuheiten einige Zeit bei der Post-Versandstelle abonniert – dann habe ich einmal eine komplette und wertvolle Sammlung. Schon nach relativ kurzer Zeit aber wurde mir klar, daß das sicher zu nichts führt, denn: Wenn alle das Gleiche sammeln, hat doch jeder dann schon alles – genau so komplett wie ich. Wer also sollte dann noch Interesse an meiner Sammlung haben?

Also muß der Reiz ganz woanders liegen: Man könnte sich ein interessantes Gebiet aussuchen, das nicht so viele andere auch sammeln, und die Marken vielleicht im Tausch mit einem Partner in diesem Land erwerben.

Gesagt, getan. – Ich gab eine Anzeige auf: „Tauschpartner in der Türkei und Iran gesucht“. Diese Länder hatte ich nämlich mit 19 Jahren das erste Mal auf eigene Faust per Bahn und anderen öffentlichen und örtlichen Verkehrsmitteln (Bus, Schiff, Dolmusch und auch Taxi) erkundet. 6 Wochen hatten zwei Freunde und ich dafür Zeit, und wir brauchten pro Kopf damals jeder insgesamt 650 Mark für die Reise von München bis Teheran, zum Kaspischen Meer, nach Isfahan, Schiras und Abadan am Persischen Golf, und natürlich auch wieder zurück.

Das war damals, 1965, noch eine „Expedition“ – lange vor der Zeit, in der die Türkei ein bevorzugtes Reiseland wurde – als in Istanbul das „Goldene Horn“ noch eine stinkende Kloake und Orte wie Side, Alanya oder Kaş noch echte „Fischerdörfer“ waren. Unvorstellbar für heutige „Touris“…

Ich fand dann tatsächlich einen Tauschpartner in Istanbul auf meine Anzeige hin, den ich in den folgenden Jahren auch, jeweils am Anfang und Ende weiterer Rundreisen in der Gegend, mehrfach besuchte, und von ihm konnte ich nach und nach nicht die jeweils neuesten türkischen Marken, sondern die wirklich interessanten Briefmarken aus der Zeit des Osmanischen Reiches erwerben, so daß ich heute, bis auf wenige Ausnahmen, eine weitgehend vollständige Türkei-Sammlung habe. – In Iran hat’s nicht so gut geklappt mit Briefmarken; da habe ich mich dann ein bißchen mit Teppichen befasst. Auch das bereue ich in keiner Weise…

Das Wichtigste: Die „Aktie“, also der Wert steckt nicht im Geldwert, den die Sammlung damals hatte und heute hat, sondern darin, was ich durch das Sammeln bis heute alles dazugelernt habe: Freundschaft, Verständnis für Probleme von Leuten in anderen Ländern, Hochachtung vor der türkischen und iranischen Gastfreundschaft und auch der Kultur dieser Länder. Ich weiß zum Beispiel auf Grund eigener Erfahrungen, dass nicht „der Islam“ das Problem ist, sondern die Fanatiker aller Couleur. –

Haben Sie schon mal mit einem katholischen „Fundi“ diskutiert? Das ist die absolut gleiche Wolle, aus der man da gestrickt ist! Stellen Sie sich vor, das „Opus Dei“ (oder auch bloß der Papst) hätte bei uns die Macht und den Einfluß, den die Ayatollahs in Iran derzeit ausüben! Halbgebildete Ayatollahs sind nicht besser oder schlechter als christliche Fanatiker gleicher geistiger Qualität, die am liebsten wieder einen Kreuzzug anzetteln würden (wobei sie dann wegen der Schätze des Vatikans heute vielleicht Rom erobern würden, so wie es die Kreuzritter seinerzeit mit der nachgewiesenermaßen auch damals christlichen Stadt Konstantinopel gemacht haben). – Seid’s mir nicht böse, aber so war’s halt.

Entschuldigen Sie die Abschweifung. – Ich will nur sagen, dass ich durch das Sammeln von Briefmarken einiges gelernt habe, insbesondere, dass Deutschland nicht der Nabel der Welt ist, und vor allem, dass auf dem Schild, das einer vor sich her trägt, oft etwas ganz anderes steht als das, was er wirklich im Schilde führt. Wer am lautesten schreit, hat am meisten zu verbergen, und „die Wahrheit“ steht nicht in der Zeitung, sondern allerhöchstens das, was der Autor des jeweiligen Artikels glaubt, begriffen zu haben.

Wenn man mit Briefmarken wirklich Geld verdienen will, muß man sich – wie in allen anderen Hobbies und Sportarten auch – erst einmal kundig machen, üben, trainieren, informieren…

Regel Nummer eins: Ich darf nicht das sammeln, was alle sowieso sammeln. Wenn ich mir nur die Neuheiten von der Post schicken lasse oder am Postamt kaufe und die ins Album stecke, kann ich – bei Auflagen von 30 Millionen! – gar nicht so alt werden, dass ich auch nur die geringste Chance habe, eine Preissteigerung zu erleben. Stinklangweilig ist das obendrein.

Regel Nummer zwei: Ich muß mich auf ein Gebiet beschränken und mir darüber ein fundiertes Wissen aneignen. Das kann ein Land sein, noch besser ein begrenzter Abschnitt (ein Zeitraum, bei Deutschland etwa 1860 bis 1920, oder die Inflationszeit), oder auch etwas „Exotisches“ wie „Ostrumelien“ oder von mir aus „Indische Vertragsstaaten“. Modernere Sammelgebiete eignen sich natürlich auch: DDR-Freimarken, Bund-Automatenmarken, Bund-„Sehenswürdigkeiten“ und auch die neuesten „gewöhnlichen“ Blumen-Freimarken in allen möglichen Ausgabeformen (Rollenmarken, Selbstkleber, Heftchen, Papierunterschiede…).

Man muss gar nicht im „höheren“ bis „höchsten Rang“ mitmischen wollen: Die ersten Ausgaben von Mauritius, British Guyana oder so (das ist ja auch längst nicht mehr die „Kleine-Mann-Liga“) sind selbst für „fortgeschrittene Millionäre“ kaum noch erreichbar. –

Das Wichtigste ist, sich zu informieren: Was ist selten, interessant und außergewöhnlich?

Ich muss also etwas tun, nämlich: mich kundig machen.
Und ebenso wichtig: Der Gewinn liegt im Einkauf, das weiß jeder Kaufmann. – Das heißt aber nicht „billig“. Geiz ist nicht geil, sondern mindestens so saudämlich wie die Werbung. Billig allein ist meist minderwertig. Das Wesentlichste ist die wirklich makellose Qualität, also die fehlerfreie Erhaltung der Marken, auch hier möglichst noch mit ein paar werterhöhenden Besonderheiten: Eckrandstück, Bogenrand mit Nummer, Farbbalken, Reihenzähler etc… Das darf dann auch im Einkauf etwas mehr kosten.

Allerdings, wie gesagt, sollte man auch beim Einkauf darauf achten, bei wem man kauft und was der verlangt. Aber erst dann, wenn man sich sicher ist, auch Qualität wirklich beurteilen zu können, kann man eventuell auch auf günstigere Anbieter zurückgreifen, wenn sie dieselbe Qualität zu vorteilhafteren Preisen liefern können…

Meine besten Erfahrungen habe ich in meiner inzwischen fast 50-jährigen Sammeltätigkeit mit erfahrenen Sammlern und Fachhändlern im jeweiligen Land gemacht, aber auch mit Tauschpartnern in Vereinen und mit einigen wirklich seriösen Händlern in Deutschland.

Das hat allerdings auch meine Reisetätigkeit angefacht: In der Türkei war ich in den vergangenen 40 Jahren wohl mehr als 15mal, in Iran – mit politisch bedingten Pausen – immerhin auch schon 8mal.

Das Allerwichtigste für mich: Ich habe dort inzwischen echte Freunde, mit denen ich auch „privat“ außerhalb der Philatelie korrespondiere und die mich bei jedem neuen Besuch auch als Freunde begrüßen. In Ürgüp in Kappadokien wurde meine Ankunft schon einmal über den Stadtlautsprecher verkündet…

Briefmarkensammler sind Stubenhocker? Passt das wirklich ins Schreckensbild vom Stubenhocker mit grauem Gesicht und Ärmelschonern, der Katalogwerte addiert? Passt das nicht eher auf manche Zeitgenossen, die nur noch am Computer hocken und ihre Zeit in virtuellen Welten verplempern, statt sich in der tatsächlich existierenden Welt umzusehen?

Zusammenfassend: Was ich von der Türkei an Briefmarken erworben habe, hat im Schnitt um weit mehr als 500 Prozent nicht nur an Katalogwert zugelegt, wobei manche der schon immer etwas teureren Werte inzwischen noch weitaus mehr gefragt sind. Es gibt ja inzwischen deutlich mehr Türkei-Sammler, und dadurch ist die Nachfrage gestiegen – und auf Grund der knappen Angebote im Handel eben auch der Preis. –

Als ich angefangen habe, hat man mir die Türkei-Marken auch im deutschen Briefmarkenhandel praktisch „nachgeschmissen“: Wer wollte schon so etwas Abwegiges sammeln, als der deutsche „Posthornsatz“ damals in schwindelnde Höhen geklettert war (und kurz danach in den Keller gefallen ist). –

Wie ich schon sagte: Pure Spekulation ohne Hintergrundwissen führt zu nichts. Hirnlosigkeit zahlt sich nicht aus, weder ideell, noch finanziell.

Um aber nochmals auf das Thema: „Aktie des kleinen Mannes“ zurückzukommen: Dieses Motto war schon immer Unfug, wie auch die vielen Wertsteigerungs-Versprechungen, wie man sie inzwischen sogar von der Deutschen Post AG im Neuheiten-Service aufgetischt bekommt. Wer keine Ahnung hat und nicht selber aktiv wird und sich schlau macht, sollte die Finger von der Philatelie lassen, jedenfalls, wenn er sich dabei ein finanzielles Polster für das Alter verspricht. Das kann man sich damit zwar schaffen, aber nur, wenn man sich wirklich intensiv damit befasst.

Man sollte die Philatelisten – und es gibt inzwischen auch wieder eine achtbare „junge Riege“, nicht bloß so „alte Dackel“ wie mich, die sich für das Thema interessieren – bitte nicht in eine „Deppenschublade“ stecken. Da gehören sie beileibe nicht hinein. Die Möglichkeit, sich sozusagen spielerisch ein umfassendes Wissen, das auch bei Günter Jauch Bestand hat, zu erwerben - ohne Anstrengung und ohne es eigentlich zu merken - ist eine der ja nicht direkt unerwünschten „Nebenwirkungen“ der Philatelie – vorausgesetzt, man macht’s richtig und besitzt einen hellen Kopf und eine gesunde Auffassungsgabe.

Es gibt ja auch durchaus interessante Angebote inzwischen, die beim Aufbau einer „ausgefallenen“ Sammlung helfen können. Ich denke dabei an den MICHEL-Online-Katalog (www.michel.de), wo man für ein paar Euro monatlich in dem gesamten Weltkatalog (es sind ja mittlerweile mehr als eine halbe Million verschiedener Ausgaben weltweit!) nach Briefmarken zu jedem beliebigen Thema stöbern kann. Thematik-Sammler haben das inzwischen zu Tausenden aufgegriffen und nutzen es, zum Beispiel zu „Eisenbahn“ oder auch zu irgendeinem x-beliebigen Begriff wie „Trachten“ oder von mir aus auch „Aids“, „Adenauer“ oder „Steinpilz“, oder „Nobelpreis“ weltweit alle Marken zum Thema zu finden. Macht doch Spaß, oder? Und ist bestimmt nichts ausschließlich für Stubenhocker.

„Aktie des kleinen Mannes“ ist eher als vorgegebenes „Talent“ im Sinne der Bibel auch für den Mann mit wenig Geld zu verstehen, der das (selbst wenn man das Sammeln von Briefmarken ausschließlich auf einen finanziellen Aspekt reduziert, was eigentlich aber Schwachsinn ist) mit Hilfe seines intelligenten Umgangs mit Briefmarken durchaus auch vermehren kann. Ohne den Einsatz von Intelligenz sehe ich allerdings schwarz. –

Aber ist das bei den „richtigen“ Aktien anders? – Wer sich nicht schlau macht, bleibt auch da auf der Strecke…
Erich H. Slaby