Hallo Franz,
Aggressiv ist der JR. In bestimmten Fällen.
Jeder Hund ist aggressiv. Das gehört zu seinem normalen Verhaltensrepertoire. Die Reizschwelle ist entscheidend dafür, wann ein Hund dieses Verhalten einsetzt.
Um herauszufinden, wie weit oder ob überhaupt er gehen würde, bleibt m.E. keine andere Wahl, als die Situation zuzulassen.
Dem stimme ich zu.
An der Leine, kontrolliert.
Dem nicht. Ein angeleinter Hund wird immer eine andere Körpersprache zeigen als ein freilaufender. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Leine seine Bewegungsmöglichkeiten einschränkt. Zum anderen aber auch damit, dass die Leine eine direkte Verbindung zum Menschen herstellt. Diese verschafft dem Hund Rückendeckung und veranlasst ihn in vielen Fällen überhaupt erst dazu, verstärktes Aggressionsverhalten zu zeigen.
Falls er, was ich nicht glaube, auch beißen würde.
Die am schwersten verletzten Hunde in meiner Trainerzeit habe ich aus Leinenkontakten geholt.
… und die Begegnungen mit anderen Hunden unvermeidlich sind. Daran muss man arbeiten.
Ja. In meinen Augen aber in der Hinsicht, dass der Hund einfach an diesen vorbeigeht und sie ignoriert. Das ist eine Sache von Erziehung.
Vielleicht würde er unangeleint auf den anderen erst einmal zurennen, dann aber kurz davor stehen bleiben und abwarten.
Das wäre das, was ich vermute. Das kann man aber nur ohne Leine rausfinden. Und um das zu testen, muss man zunächst wissen, wie der Hund sich grundsätzlich im Freilauf bei anderen Hunden zeigt. Hat er nie solche Begegnungen oder greift er grundsätzlich jeden Hund an, muss man ihn dazu sichern. Ich empfehle zu diesem Zweck einen Maulkorb. Der Hund kann sich normal bewegen, normale Körpersprache und (beim richtigen Maulkorb auch weitestgehend normale Mimik) zeigen, aber im Fall der Fälle nicht beißen.
Hast du schon Hunde erlebt, die einfach so auf andere zu rennen und einfach so zubeißen?
Allerdings. In diesem Fall handelt es um dominant aggressive Hunde und/oder um Hunde, die über viele Generationen auf Hundekämpfe gezüchtet wurden. Im Umgang mit Artgenossen liegt die wahre Problematik vieler Listenhunde (die von deren Liebhabern gerne negiert wird), während sie in Bezug auf Menschen keinerlei Probleme haben.
Eine solche Begegnung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie ohne viel Getue und Geschrei passiert, manchmal sogar unter (für den Menschen) kaum wahrnehmbarem Drohverhalten. Hin, drauf, zumachen und manchmal noch abschütteln - das klassische Tötungsmuster des Raubtieres Wolf, das alle unsere Hunde noch genetisch festgeschrieben haben.
Sogenannte Angstbeißer sind ängstlich, und fühlen sich oder werden angegriffen.
Vollkommen richtig. In diesem Fall würde der Hund freilaufend aber mir hoher Wahrscheinlichkeit kneifen.
Aus dem Gelesenen tippe ich eher auf einen kleinen dominantgesteuerten JR, der sich wichtig machen will.
Ein dominanter Hund will sich nicht wichtig machen. Er ist wichtig und das weiß er auch. Die Wichtigtuer sind diejenigen, die es nötig haben, viel Lärm um nichts zu machen: Die Schisser eben. Im Fall der UP kann ich nicht ohne weiteres einschätzen, um welche Kategorie es sich handelt. Meine Vermutung geht ebenfalls in Richtung Angstaggression. Ich bin mir aber nicht ausreichend sicher, um z.B. den Tipp mit dem Fallenlassen der Leine zu geben. Hier wären Informationen bezüglich des allgemeinen Sozialverhaltens wichtig.
Du gehst davon aus, das der Hund, auf den er losgeht, auch bösartig reagiert. Das machen die allerwenigsten, und manche vielleicht, weil sie schlicht nur „genervt“ sind.
Nach meiner Erfahrung lassen sich die wenigsten Hunde Provokationen gefallen. Je nach eigener Reizschwelle reagieren sie lediglich mehr oder weniger heftig darauf - wenn auch selten (hier gebe ich dir Recht) mit Beschädigungsabsicht. Das Problem liegt eher darin, dass ein großer Hund bei einem Kleinen einfach aufgrund seiner Größe und Kraft enormen Schaden anrichten kann. Mein Briard hat vor einigen Jahren einem ihn angreifenden West-Highlandterrier das Genick gebrochen, weil er sich einfach auf ihn drauffallen ließ, als dieser ihm von vorne an der Kehle hing.
Ganz ehrlich, ich würde ihm auch die Chance geben, dass er sich die Prügel einholt
Würde ich auch. Allerdings unter normalen Umständen von Kommunikation und Fluchtmöglichkeit.
Bist du da so sicher? Dass sie den Gegenüber nicht einschätzen und die Art ihrer Verwarnung nicht kontrollieren können?
Ja. Ein Schäferhund weiß nicht, dass ein Sprung ins Kreuz einen kleinrassigen Hund schwer verletzen kann.
Das ist so ein grundsätzliches Missverständnis zwischen uns. Du bist diejenige, die den überlegenen Hund hat, und mit ihm zusammen souverän die Begegnung mit dem JR meistert.
Ich bin beides. Ich habe einen Jagdterrier, der in dem Glauben geboren wurde, er sei ein Königstiger . Und ich hatte einen Südrussischen Owtscharka, der ein Königstiger war.
Ich setze auch auf eine mögliche schlechte Erfahrung,
Hier bin ich völlig bei dir. Ich bin aber auch ein Fan davon, Bedingungen zu schaffen, die ich ausreichend kontrollieren kann bzw. die so gestaltet sind, dass der größtmögliche Lerneffekt garantiert ist, ohne allzuviel dem Zufall zu überlassen oder allzugroßen Schaden zu provozieren. In diesem Fall wäre das vermutlich Maulkorb, Freilauf und - je nach Vorgeschichte des Hundes - erst mal ein „Übungshund“, dessen Verhalten ich einschätzen könnte.
Irgendwie wieder missverständlich. Er hat sich weder genähert, oder gar eingegriffen.
Nicht missverständlich. Die Stimme allein signalisiert: „Ich bin bei dir“. Und je nach Hund und Situation kann das bewirken, dass der solchermaßen verstärkte Vierbeiner erst recht losgeht,
Wir haben unterschiedliche Erfahrungswelten und Methoden, die Probleme anzugehen.
ich glaube, wir sind gar nicht so weit voneinander weg. Ich denke aber, ich habe ein paar mehr üble Ausgänge erlebt, um (noch) mit einer ähnlichen Unbekümmertheit wie du an manche Dinge ranzugehen. Was durchaus nicht immer nur von Vorteil ist
Schöne Grüße,
Jule