Hallo Seute,
wenn ihr mütter/väter nun doch diese bösen geister, mit kind im schlepptau, abends einfangt, mit staubsaugern hinter ihnen her seid und dann noch im der toilette entsorgt, so muß das kind doch wirklich glauben: es gibt diese monster wirklich.
Das tun Kinder auch. Und zwar ziemlich unabhängig davon, ob man versucht, es ihnen auszureden oder nicht. Es ist Bestandteil ihres kindlichen Denkens.
wenn kinder plötzlich nicht mehr schlafen können, dann hat das einen grund.
Das ist richtig. Das Problem ist, dass kleine Kinder noch nicht in der Lage sind, diese Angst in Worte zu fassen. Eine Dreijährige kann nicht ausdrücken, dass sie Angst davor hat, dass die Eltern sich trennen, weil sie ständig streiten, weil ihr dafür die Wörter fehlen. Sie kriegt vielleicht stattdessen Bauchweh - oder sie drückt ihre Angst in einem Bild aus, das für sinnbildlich für ihre große Angst ist.
Als Erwachsener nehme ich diese Angst ernst, indem ich sie erst mal so akzeptiere, wie sie geäußert wird. Die Botschaft, die mein Kind versteht ist: „Mami hört mir zu und Mami beschützt mich“. Das löst möglicherweise das ursächliche Problem nicht, aber es gibt ein kleines Stückchen Sicherheit und Geborgenheit. In der ständigen Wiederholung liegt dabei eine zusätzliche Sicherheit: So wie Kinder ein und dieselbe Geschichte 100 Mal hören und sich dabei vergewissern können, dass sie jedesmal gut endet, so helfen Rituale ihnen, Ängste zu verarbeiten.
Dieses Spiel mit Gespenstern, Hexen, Prinzessinnen und Feen hat aber noch eine ganz andere Komponente: Es regt die Phantasie an. Nicht als Abklatsch in Gestalt eines dämlich trötenden Benjamin Blümchens auf einer Kindercassette oder - noch schlimmer - als TV-Müll, der auch noch vorgefertigte Bilder liefert. Sondern als freie Vorstellungswelt, in der Menschen und Fabelwesen genauso aussehen, wie das Kind sie in seinen Gedanken erschafft.
Und es kann damit tun, was es in jeder Form des Spielens tut: Es kann so tun als ob und damit probehandeln - eine wichtige Vorbereitung fürs Leben.
Als meine Kinder klein waren und sich ungern an- oder umziehen ließen, wurden Socken zu stinkenden Sockenmonstern und T-Shirts zum königlichen Hofgewand - selbstverständlich jedes mit seiner ihm eigenen Stimme. Und anstatt in Streit und Stress endete der ungeliebte Akt des Anziehens in phantastischen Geschichten und viel Gelächter.
Wenn ich mir heute anschaue, wie wenig Kinder überhaupt noch in der Lage sind, im Gymnasium eine Erlebnis- oder eine Phantasiegeschichte zu schreiben, weiß ich, was ihnen in ihrer Kleinkinderzeit gefehlt hat.
Schöne Grüße,
Jule