Mein Volk

Hai, Religionsauskenner,

bestimmt ist das hier schon mal gefragt worden…

Im AT/Tanach wird ja explizit das Volk Israel als Jahwes Volk genannt; der „Bund“ besteht zwischen Jahwe und den Juden. Also Jahwe „gehört“ den Juden und die Juden „gehören“ Jahwe. Wer nicht Jude war, konnte von Jahwe nichts erwarten (außer so Sachen wie „tötet sie, schlachtet ihr Vieh, zerstört ihre Häuser, nehmt ihre Töchter“), also ein ziemlich exclusiver Gott, oder?

An dieser Stelle taucht für mich eine Irritation auf: wenn zum Volk Israels nur die gehören, die von einer jüdischen Mutter geboren wurden, was ist dann mit all den Kindern der fröhlich zusammengeraubten Frauen? Oder ist das wieder so ein „jaaa - daaamals hatte Gott ja noch andere Regeln verordnet“ (analog zu „Schlachte Deinen Sohn für mich“ und dem, wie ich hier gelernt habe: später verordneten „Du sollst nicht töten“)

Und nun im Schweinsgalopp ins NT: Jesus war Jude, der die Juden ansprach. Ich denke also, daß, wenn Jesus „nur durch mich geht’s zu Gott“ sagt, er damit erstmal nicht den Sioux Blaue Feder meint, sondern nur Mitglieder des jüdischen Volkes. Steht nicht auch irgendwo, er wäre nicht gekommen, die alten Gesetze aufzuheben? Damit gilt doch eigentlich immernoch, daß der Bund zwischen Jahwe und den Juden (und nur denen!) besteht.

Das die Führer der entstehenden christlichen Kirche(n) ihren potentiellen Anhängern nicht sagen konnten „Ihr dürft zwar anbeten und Opfer bringen, aber nichts erwarten, weil ihr leider die falsche Mutter habt“ und damit mindestens die Predigten, die Jesus hielt, etwas umfassender interpretierten, ist mir klar - aber steht eigentlich irgendwo ausdrücklich, daß der Bund nicht mehr exclusiv ist, sondern nun für alle gilt?

Gruß
Sibylle

Hallo Sibylle.

Wer nicht Jude war, konnte von Jahwe nichts erwarten, also ein
ziemlich exclusiver Gott, oder?

Nein, da G’tt ja auch einen Bund mit Noach und somit der ganzen Menschheit schloss.

Davon abgesehen, kommen auch später Nichtjuden an zahlreichen Stellen vor und Anforderungen an diese, ebenso wie deren Rechte. So dürften auch Nichtjuden im Tempel der Juden spenden, Juden beteten seit jeher für alle Völker und an Sukkot wenn es um die Erträge des kommenden Jahres geht, wurden zuerst für alle anderen Völker Opfer im Templel gebracht.

Wie du daran siehst, war G’tt hier nie exclusiv, sondern immer schon universell.

In der mündlichen Lehre des Judentums geht dieses an vielen Stellen sogar noch weiter. So gibt es einen bekannten Midrasch, dass G’tt sich erst an allen anderen Völker wandte, ob diese nicht die Tora erhalten wollten. Und erst als alle anderen ablehnten, kamen die Juden dran.

An dieser Stelle taucht für mich eine Irritation auf: wenn zum
Volk Israels nur die gehören, die von einer jüdischen Mutter
geboren wurden, was ist dann mit all den Kindern der fröhlich
zusammengeraubten Frauen?

Welcher fröhlich zusammengeraubten Frauen? Der Tanach missbilligt selbiges deutlich. Davon abgesehen gibt es in der Tora und erst recht im Tanach zahlreiche Stellen, wo Menschen dem jüdischen Volk beitreten. Mit die bekanntest dabei ist Ruth, der sogar ein Buch im Tanach gewidmet ist.

daß der Bund nicht mehr exclusiv ist, sondern nun für alle
gilt?

Wie gesagt, schon vor Aufkommen des Christentums hat das Judentum gelehrt, dass es einen Bund mit der ganzen Menschheit gab und zur Zeit Jesus gab es auch zahlreiche noachidische Gemeinden, Gemeinden aus Nichtjuden welche nach der Tora lebten.

Gruss,
Eli

Hallo Sibylle.

Wer nicht Jude war, konnte von Jahwe nichts erwarten, also ein
ziemlich exclusiver Gott, oder?

Zu den Erwartungen kann man auch noch sagen, dass alle Menschen sich ein Anrecht auf die kommenden Welt (~Paradies) erwerben können und nicht nur die Juden. Dafür muss Nichtjude wie Jude alle Gebote (versuchen) zu halten, mit dem Unterschied, dass Nichtjuden nur 7 (s. ‚noachidische Gebote‘) gegeben sind, den Juden aber 613. Der Lohn bzw. die Erwartung darauf ist aber gleich.

Soweit die jüdische Lehre zur Exklusivität von G’tt.

Gruss,
Eli

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Hallo Sibylle,

ein Detail Deiner Argumentationskette wäre zu prüfen. Seit wann definiert die Abstammung von einer jüdischen Mutter einen Juden? Ich glaube nicht, dass das schon in alttestamentarischer Zeit so war.

Gruß,
Andreas

Hallo Andreas.

Ich glaube nicht, dass das schon in
alttestamentarischer Zeit so war.

Zu wissen wird schwer, weil es in der Tora, im Tanach keine Stelle gibt, welche sich eindeutig dazu äussert.

Allerdings leitet die mündliche Lehre (Judentum) die Regel aus der Tora ab (Kiduschin 68b). Hierbei wird sich auf Deuteronomium 7:3f bezogen: „eure Töchter sollt ihr nicht geben ihren Söhnen, und ihre Töchter sollt ihr nicht nehmen euren Söhnen. Denn sie werden eure Söhne mir abfällig machen…“

Die Herleitung ist dabei etwas kompliziert und bezieht die beiden Satzteile wechselseitig auf einander. Somit sind die Söhne aus: „und ihre Töchter sollt ihr nicht nehmen euren Söhnen“ auch die Kinder aus „eure Töchter sollt ihr nicht geben ihren Söhnen“, die Kinder der erste Beziehung, der jüdischen Töchter „eure Töchter“, wären als jüdisch „eure Söhne“. Umgekehrt eribgt sich daraus, dass die Söhne dann aber ihnen wären, als nicht jüdisch. Hinzu kommt dann noch der Nachsatz. Im hebräischen Orginaltext ist das etwas klarer.

Gruss,
Eli

Hallo Sibylle,

bestimmt ist das hier schon mal gefragt worden…

…und Eli hat das gerade ausführlich beantwortet.

Im AT/Tanach wird ja explizit das Volk Israel als Jahwes Volk
genannt; der „Bund“ besteht zwischen Jahwe und den Juden. Also
Jahwe „gehört“ den Juden und die Juden „gehören“ Jahwe.

Das ist etwas kurzsichtig betrachtet.
Denn erstens „gehört“ J-H-W-H nicht den Juden (ein Verbündeter gehört mir ja nicht automatisch),
und zweitens hat Gott ja noch andere Bünde geschlossen (z.B. mit Noah - und von dem stammt ja die Menschheit, die nach der Sintflut geboren wurde)

Wer
nicht Jude war, konnte von Jahwe nichts erwarten (außer so
Sachen wie „tötet sie, schlachtet ihr Vieh, zerstört ihre
Häuser, nehmt ihre Töchter“), also ein ziemlich exclusiver
Gott, oder?

Du solltest nicht so selektiv lesen.

Und der HERR Zebaoth wird auf diesem Berge allen Völkern ein fettes Mahl machen“ (Jes.25,6)

In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über die Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen, und viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des HERRN gehen und zum Hause des Gottes Jakobs“ (Micha 4,1-2)

Und nun im Schweinsgalopp ins NT: Jesus war Jude, der die
Juden ansprach. Ich denke also, daß, wenn Jesus „nur durch
mich geht’s zu Gott“ sagt, er damit erstmal nicht den Sioux
Blaue Feder meint, sondern nur Mitglieder des jüdischen
Volkes.

ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“ (Apg.1,8)

Und irgendwann kommt das Evangelium auch zu „Blaue Feder“.

Steht nicht auch irgendwo, er wäre nicht gekommen, die
alten Gesetze aufzuheben? Damit gilt doch eigentlich
immernoch, daß der Bund zwischen Jahwe und den Juden (und nur
denen!) besteht.
Das die Führer der entstehenden christlichen Kirche(n) ihren
potentiellen Anhängern nicht sagen konnten „Ihr dürft zwar
anbeten und Opfer bringen, aber nichts erwarten, weil ihr
leider die falsche Mutter habt“ und damit mindestens die
Predigten, die Jesus hielt, etwas umfassender interpretierten,
ist mir klar - aber steht eigentlich irgendwo ausdrücklich,
daß der Bund nicht mehr exclusiv ist, sondern nun für alle
gilt?

Das gilt natürlich für den Bund, den Gott mit Mose am Sinai geschlossen hat.
Der Bund mit Noah gilt allen Völkern.

Und der Bund Jesu gilt seinen Jüngern:
Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“ (Matth.26,27-28)

Gruss Harald

Hi,
das Problem hatte auch Paulus auf seinem Ersten Konziel in Jerusalem.
siehe dazu.
http://de.wikipedia.org/wiki/Judenchristen

er trennte sich sogar von Barabas wegen diesem Thema.
http://www.bibel-online.net/buch/48.galater/2.html

„Da aber Petrus gen Antiochien kam, widerstand ich ihm unter Augen; denn es war Klage über ihn gekommen. 12Denn zuvor, ehe etliche von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; da sie aber kamen, entzog er sich und sonderte sich ab, darum daß er die aus den Juden fürchtete.
Und da Petrus hinaufkam gen Jerusalem, zankten mit ihm, die aus den Juden waren, 13Und mit ihm heuchelten die andern Juden, also daß auch Barnabas verführt ward, mit ihnen zu heucheln.“

trozdem scheinbar hat Paulus dieses Problem gelöst.

Hallo Harald,

(z.B. mit Noah - und von dem stammt ja die Menschheit, die nach der
Sintflut geboren wurde)

Irgenwie fehlt mir gerade der Durchblick.
War Noah denn kein Jude? Wenn Noah für die Menschheit steht, was war dann mit dem jüdischen Volk während der Sintflut?
Wo bitte ist mein Denkfehler?

Gruß Steffi

Hallo Steffi,

War Noah denn kein Jude? Wenn Noah für die Menschheit steht,
was war dann mit dem jüdischen Volk während der Sintflut?

Das gab es noch gar nicht. Das Volk Israel geht auf dem Stammvater Abraham, genauer auf Jakob zurück. Seine Söhne bilden die Basis des israelitischen/jüdischen Volkes.

Gruß
Carlos

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Ich danke Euch… owT