N’Abend Julia!
Ich habe mit Verständnis und Mitgefühl dein Posting (und auch die Antworten darauf!) gelesen…
Nun ja:
Ich habe vor einigen Jahren einen Mann geheiratet(bin aber inzwischen heilfroh geschieden!), bei dem ich nach der Hochzeit ähnliche „Entdeckungen“ machte, wie du bei deinem Vater. Dass das mit der berühmte "letzte Tropfen war, der bei mir das Fass zum Überlaufen brachte, sei nur am Rande erwähnt. Auch ich habe in seinem Handy, im Internet rumgeschnüffelt. Dass ich das nicht aus purer Langeweile, sondern aus begründetem Verdacht tat, spielt in diesem Fall keine Rolle.
Als ich dann die Ehe als gescheitert ansah und diese auch beendete, hatte ich das Gefühl, mich vor Schwagern, Schwägerinnen und den Schwiegereltern „erklären“ zu müssen, und erzählte ihnen, was für ein „Früchtchen“ sie sich da herangezogen hätten…
Das Ende von der Geschichte: Von seiner Familie stand im Endeffekt keiner auf „meiner“ Seite, da die Menschen, diese - lass’ es mich knallhart und überspitzt formulieren - für mich menschliche Sau lieben, haben die Augen zugekniffen und mir den schwarzen Peter zugeschoben: Ich hätte ihn in diese sexuellen, ausserhäusigen Exzesse hineingetrieben…
Ich hätte - mit dem Wissen, das ich heute habe - einfach besser die Klappe gehalten: Ich habe nichts geändert. Im Gegenteil: Vielleicht hätte ich heute noch einen einigermaßen zivilen Kontakt mit der „Schwiegerfamilie“!
Ein anderer Fall, der mir vor vielen Jahren passiert ist:
Eine Männertruppe aus dem Freundeskreis war zum Skilaufen in Italien. Einer der Vögel, der schon ein paar Jahre mit der „Frau seines Lebens“ zusammen war und diese auch heiraten wollte, ging in diesem Urlaub aufs Übelste fremd. Ohne Kondom und nicht nur mit einem Skihäschen…
Ich war zu der Zeit mit dieser „Frau seines Lebens“ sehr befreundet und quälte mich eine Zeit lang mit meinem „geheimen“ Wissen rum. Nach ca. zwei Wochen lud ich sie zu einem Brunch ein und erzählte ihr davon. Nicht zuletzt, weil ich es unfair und mies fand, dass die halbe Welt Bescheid wusste und sich das Maul zerfetzte, aber die Betroffene selbst ahnungslos ihre Hochzeit mit dem Fremdgänger plante…
Auch hier hätte ich besser die Klappe gehalten! Es brach ein Schimpfsturm über mich hinein, mit dem ich im Leben nicht gerechnet hätte! Offensichtlich ist die Mehrheit der Menschen doch der Meinung, dass derartige Eskapaden - vor allem, wenn sie von Männern verzapft werden - irgendwie ein Kavaliersdelikt sind und daher unter den Teppich zu fallen haben. Und - Oh Wunder! - die betrogene Freundin war der gleichen Meinung! Sie hätte es lieber gar nicht wissen wollen!
Warum dem so ist? Keine Ahnung. Isso!
Gelernt habe ich aus beiden Erfahrungen folgendes:
Ich habe mich definitiv in die Sexualität anderer Menschen weder einzumischen, noch irgendwelche Eskapaden weiterzutragen. Auch, wenn dies in bester Absicht geschieht!!!
Deine Eltern sind alt genug, um ihre Dinge allein und auch allein verantwortlich zu regeln und zu handeln. Auch, wenn diese Dinge in deinen (und auch meinen!) Augen ethisch und moralisch verwerflich und nicht zu vertreten sind.
Aber möchtest du unter Umständen die seit 35 Jahren währende Ehe deiner Eltern auf dem Gewissen haben? Oder gar für die Zukunft ohne die Unterstützung / Zuwendung deiner Eltern klar kommen? Denn das könnte der Preis sein, den du dafür zahlst, nur weil du unter allen Umständen deiner Mutter den (Sicht-)Schutz von den Augen reißen möchtest. Warum denn nur? Um dich danach besser zu fühlen? Um vor dir selbst sagen zu können: „Ich war in dieser Geschichte wenigstens ehrlich?“
Julia, das dankt dir kein Mensch! Am allerwenigsten du dir selbst,wenn du dann im Zentrum der Empörung und des Zorns stehst, ob deiner Indiskretion!
Vermutlich weiß deine Mutter eh um die Eskapaden ihres Mannes und hat sich damit arrangiert. Zerre du diesen - entschuldige den Ausdruck - Dreck nicht an das Licht der Öffentlichkeit. Denn das wird nicht nur für deinen Vater hochnotpeinlich!!!
Reagiere um Gotteswillen nicht aus dem Bauch heraus oder weil dir jetzt um die Vorweihnachtszeit so kuschelig ums Herz wird: Auch du bist erwachsen und weißt um menschliche Abgründe. Jedoch treffen dich die Neigungen deines Vaters nicht unmittelbar! Auf gut Deutsch: Es geht dich nichts an, außer das deine Kinderwelt einen dicken Riss bekommen hat! Und deine Mutter ist erwachsen genug, dass sie sich damit abgefunden und es akzeptiert hat! Denn vor 35 Jahren hat sie bestimmt noch keinen Ehevertrag gemacht, sondern lebt in einer Zugewinngemeinschaft. Was würde ihr denn wohl im Falle einer Trennung (ich gehe davon aus, dass sie Hausfrau war und ist?) übrig bleiben? Magst du das wirklich verantworten??? o_O
Sieh du für dein Leben einfach zu, dass dir sowas einfach nicht passiert. Obwohl: Gefeit ist man niemals davor!
Ich weiß, dass dir ganz schlimm ganz weh ums Herz ist. Das verstehe ich nur zu gut!!! Bestimmt! Aber auch das gehört zum Erwachsen werden dazu! Dass die heile Kinderwelt Sprünge bekommt und Papi nicht mehr der Held aus Kindertagen bleibt!
Herzlichen Gruß,
Luzie