Meine Tochter wird Budhistin. Und nun?

Zwischenfragen etwas ot
Hallo Ralf!

Das ist genauso falsch. Willentliches Handeln wird nach den
Gesichtspunkten ‚heilsam‘ (kusala) und ‚unheilsam‘ (akusala)
in ethischer Hinsicht unterschieden, wobei sich dies auf das
‚Heilsziel‘ des Erwachens (bodhi) bezieht. Mit Armut oder
Wohlstand oder anderen weltlichen Dingen hat das nicht das
Geringste zu tun.

Ein paar Fragen dazu:

Dann kann man aus Erfolgen oder Misserfolgen keine Lehren ziehen?
Gilt das für alle buddhistischen Schulen?
Wie muß man sich die Indikatoren für geistige Reife,
auf dem richtigen Weg sein, vorstellen?
Nur allein durch das Folgen der Lehre?
Wie wird die chinesische Invasion in Tibet und das
unsagbare Vorgehen dort im Kontext der buddhistischen Lehre
gesehen beispielsweise?

Gruß
Walden

Moin,

Das ist genauso falsch. Willentliches Handeln wird nach den
Gesichtspunkten ‚heilsam‘ (kusala) und ‚unheilsam‘ (akusala)
in ethischer Hinsicht unterschieden, wobei sich dies auf das
‚Heilsziel‘ des Erwachens (bodhi) bezieht. Mit Armut oder
Wohlstand oder anderen weltlichen Dingen hat das nicht das
Geringste zu tun.

Ein paar Fragen dazu:

Dann kann man aus Erfolgen oder Misserfolgen keine Lehren
ziehen?

Warum sollte man aus Erfolgen und Misserfolgen im Buddhismus keine Lehren ziehen können ?

Gilt das für alle buddhistischen Schulen?

Was Ralf geschrieben hat, ja. Bezüglich deiner Nachfrage kann ich es vielleicht beantworten, wenn ich verstehe, was du gemeint hast.

Wie muß man sich die Indikatoren für geistige Reife,
auf dem richtigen Weg sein, vorstellen?

Meinst du damit Indikatoren, anhand derer man weiß, dass man der „Erleuchtung“ näher kommt?

Nur allein durch das Folgen der Lehre?

Die Lehre stellt ein Angebot dar, wie ein Boot. Wer es verwendet, kann damit erfolgreich den Fluss überqueren, oder auch nicht. Und es sollen auch schon Leute auf ganz anderem Weg den Fluss überquert haben :smile:

Wie wird die chinesische Invasion in Tibet und das
unsagbare Vorgehen dort im Kontext der buddhistischen Lehre
gesehen beispielsweise?

Als leidvoll.

Gruß
Marion

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Ja, Danke für die Korrektur

Ich meinte aber eher den aufstieg oder abstieg in andere Kasten nach dem Tode. Ich habe da mal mit jemandem lange geredet, welcher von dieser Religion angehaucht ist und er hat es mir so erzählt.

Was ich noch beifügen möchte, und das ist was tolles beim Budhismus, dass der Budhist anscheinend kein strafender Gott kennt.
Ist das so?

Hi Pendragon,

Warum sollte man aus Erfolgen und Misserfolgen im Buddhismus
keine Lehren ziehen können?

Das frage ich mich auch? :smile:
Ich meine bezüglich der individuellen Entwicklung.

Gilt das für alle buddhistischen Schulen?

Was Ralf geschrieben hat, ja. Bezüglich deiner Nachfrage kann
ich es vielleicht beantworten, wenn ich verstehe, was du
gemeint hast.

Ob Ralfs Aussage generell gilt oder gibt es auch
unterschiedliche Auslegungen, bezüglich Wohlstand,
Armut etc. gibt?
Das wäre aber dann wohl schon klar.

Meinst du damit Indikatoren, anhand derer man weiß, dass man
der „Erleuchtung“ näher kommt?

Ja!

Die Lehre stellt ein Angebot dar, wie ein Boot. Wer es
verwendet, kann damit erfolgreich den Fluss überqueren, oder
auch nicht.

Ich meinte das in Beziehung auf eventuell nicht
vorhandene Indikatoren.

Und es sollen auch schon Leute auf ganz anderem
Weg den Fluss überquert haben :smile:

Das will ich hoffen für mich! :wink:

Als leidvoll.

Das wird sie auch ohne buddhistischen Kontext, selbst von mir!

Verzeihe mir meine naiven Fragen! :smile:
Das östliche Denken ist mitunter ein Buch mit vielen Siegeln!

Sei gegrüßt
Walden

Moin,

Ich meinte aber eher den aufstieg oder abstieg in andere
Kasten nach dem Tode.

Auch nach dem Tod gibt es im Buddhismus keine Kasten.

Ich habe da mal mit jemandem lange
geredet, welcher von dieser Religion angehaucht ist und er hat
es mir so erzählt.

Vielleicht hat er dies mit dem Hinduismus verwechselt und zusammengeschmissen.

Gruß
Marion

Moin,

Warum sollte man aus Erfolgen und Misserfolgen im Buddhismus
keine Lehren ziehen können?

Das frage ich mich auch? :smile:
Ich meine bezüglich der individuellen Entwicklung.

Man könnte „individuelle Entwicklung“ als eines der Hauptziele des Buddhismus bezeichnen.

Ob Ralfs Aussage generell gilt oder gibt es auch
unterschiedliche Auslegungen, bezüglich Wohlstand,
Armut etc. gibt?
Das wäre aber dann wohl schon klar.

Jo. Wie gesagt, ich kenne diesbezüglich keine anderslautende Auslegung innerhalb der buddhistischen Lehre.

Meinst du damit Indikatoren, anhand derer man weiß, dass man
der „Erleuchtung“ näher kommt?

Ja!

Es gibt im Buddhismus den sogenannten „Achtfachen Pfad“. Was man darunter versteht, wird hier recht gut beschrieben:

http://www.palikanon.com/buddhbib/08wegerlos/weg_erl…

Um zu wissen, wie weit man auf dem Weg fortgeschritten ist, müsste man zunächst das entscheidende Maß festlegen. Ich persönlich würde sagen, das Maß ist das Maß an Einsicht in die ebenfalls im Text genannten buddhistischen „Wahrheiten“. Dies garantiert aber immer noch keinen Erfolg im Sinne von „Erleuchtung“. Als würde ich mal deine Frage verneinen. Es gibt meiner Meinung nach keinen Indikator, anhand dessen man ablesen kann, wie nahe man der Erleuchtung schon gekommen ist.

Und es sollen auch schon Leute auf ganz anderem
Weg den Fluss überquert haben :smile:

Das will ich hoffen für mich! :wink:

Hast du vor, im buddhistischen Sinne Erleuchtung zu erlangen? :smile:

Als leidvoll.

Das wird sie auch ohne buddhistischen Kontext, selbst von mir!

Tja nu, buddhistische Sicht muss nicht unbedingt irgendwie exotisch sein :smile:

Verzeihe mir meine naiven Fragen! :smile:
Das östliche Denken ist mitunter ein Buch mit vielen Siegeln!

Fragen und Diskussionsanregungen sind immer willkommen. Aber hey, es gibt längst auch im Westen sehr viel hervorragende buddhistische Lehrer und Menschen, die buddhistisch denken. Buddhismus als „östliches Denken“ war einmal :smile:

Lieben Gruß
Marion

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Hi,

Hast du vor, im buddhistischen Sinne Erleuchtung zu erlangen?

-)

Das würde ersteinmal bedingen, dass ich wüßte
was es mit „Erleuchtung“ auf sich hat? Andererseits,
wenn ich es wüßte, bräuchte ich nicht danach streben. :smile:

Tja nu, buddhistische Sicht muss nicht unbedingt irgendwie
exotisch sein :smile:

Na? Die oft kryptisch anmutenden Weisheiten erwecken
nicht gerade einen heimischen Eindruck.
Gibt es denn keinen Versuch von Deutungen, von
kausalen Zusammenhängen o.ä.?

Fragen und Diskussionsanregungen sind immer willkommen.

Da bin ich mir ehrlich gesagt nicht immer so sicher…

die buddhistisch denken.
Buddhismus als „östliches Denken“ war einmal :smile:

Das mag sein, aber ein wie soll ich sagen,
irrationales(?) gemeinsames Idiom scheint
mir doch vorhanden zu sein.
Ob dies nun semantischer oder ideologischer Natur
ist, will ich nicht beurteilen.

Gruß
Walden

Moin,

Das würde ersteinmal bedingen, dass ich wüßte
was es mit „Erleuchtung“ auf sich hat? Andererseits,
wenn ich es wüßte, bräuchte ich nicht danach streben. :smile:

Oder du würdest es dann gar nicht mehr wollen :smile:

Na? Die oft kryptisch anmutenden Weisheiten erwecken
nicht gerade einen heimischen Eindruck.

Das hab ich auch gedacht, als ich das erste Mal versucht hab, Wittgenstein zu lesen :smile:

Gibt es denn keinen Versuch von Deutungen, von
kausalen Zusammenhängen o.ä.?

Der Buddhismus lehrt, dass alles eine Ursache und eine Wirkung hat. Welche genau das ist, ist in einigen Fällen offensichtlich, in anderen Fällen nicht. Das gesamte Geflecht der Ursachen und Wirkungen ist hingegen von uns normalen Menschen nicht zu durchschauen, daher betrachtet man im Buddhismus eine Beschäftigung damit als müßig. Man geht davon aus, dass „Heilsames“ im Allgmeinen wiederum „Heilsames“ bedingt. Deshalb ist „Heilsames“ (Reden, Handeln, Denken etc.) schon mal nicht verkehrt. Aber wo genau sich diese heilsame Wirkung dann manifestiert, das weiß der Himmel :smile: Das „Glück“ für den Einzelnen besteht vielleicht in der Hoffnung, durch sein Handeln etc. das Heilsame an sich zu mehren. Ich finde, das ist doch schon ein schöner Gedanke :smile:

Fragen und Diskussionsanregungen sind immer willkommen.

Da bin ich mir ehrlich gesagt nicht immer so sicher…

Ich hab die Erfahrung gemacht, dass „gestandene“ Buddhisten im Allgemeinen recht diskussionsfreudig sind. Dies kann damit zusammenhängen, dass im Buddhismus wenig Wert auf Glauben gelegt wird, aber sehr viel Wert auf Verständnis. Verständnis erlangt man aber meiner Meinung nach nur, wenn man sich inhaltlich mit etwas auseinandersetzt (durchaus gerne auch kontrovers). Somit bringt einen jede konstruktive Diskussion nur weiter.

die buddhistisch denken.
Buddhismus als „östliches Denken“ war einmal :smile:

Das mag sein, aber ein wie soll ich sagen,
irrationales(?) gemeinsames Idiom scheint
mir doch vorhanden zu sein.

Der Buddhismus legt tatsächlich weniger Wert auf das „rationale“ Versehen. „Erkenntnis“ fußt hier sehr stark auf dem Erleben, auf dem Handeln (z.B. der Meditation). Dies kann man durchaus als „irrational“ bezeichnen, aber ich denke, bei der ganzen westlichen Mystik ist das auch nicht viel anders.

Gruß
Marion

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Suche
Hallo,

hast Du nicht auch lange gesucht, bis du DEINEN Glauben gefunden hast?
Die Betonung liegt auf DEINEM Glauben, nicht auf den Deiner Tochter. Das Schwierigste für einen Menschen ist es, den anderen so zu nehmen, wie er nunmal ist. Laß doch Deine Tochter glauben was Sie will, Du kannst Sie nicht verändern, Sie wird IHREN Weg finden, wie Du auch DEINEN gefunden hast. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen: Schenke Ihr die Freiheit, selbst entscheiden zu können, in jeder Richtung. Mit 14 jemanden zu konfimieren (was immer das auch sein soll…), noch schlimmer die Zwangsbesprengung des Säuglings, ist ein über den Kopf hinweg entscheiden des kleinen Menschens. All diese Rituale wollte Horus, äh Christus nicht…

Gruß
Mikhael

Du kennst Jesus ?
Wenn Du Jesus kennen würdest, dann würdest Du es begrüßen, daß Deine Tochter den Weg des Buddhismus geht und nicht DEINEN gewollten Christlichen, der völlig entstellt worden ist.

Mikhael

Finger
Sei schnell zum Hören, langsam zum Zorn und langsam zum REDEN.

Jakobus…

Mikhael

Macht
Relativ…daß heißt, Du kannst Ihr nicht die Freiheit gönnen, sich selbst einen Weg zu suchen.
Deine Worte lassen meiner Erfahrung nach MACHT erkennen. Wie immer in der Geschichte des Menschen, er will den anderen lenken, dorthin lenken, wo ER IHN gern HABEN möchte.

Mikhael

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Hallo Struppi,

Ich meinte aber eher den aufstieg oder abstieg in andere
Kasten nach dem Tode. Ich habe da mal mit jemandem lange
geredet, welcher von dieser Religion angehaucht ist und er hat
es mir so erzählt.

wie Marion schon richtig geschrieben hat, ist dies eine hinduistische Vorstellung. Buddhisten teilen Menschen genauso wenig in Kasten ein wie Christen oder Muslime.

Was ich noch beifügen möchte, und das ist was tolles beim
Budhismus, dass der Budhist anscheinend kein strafender Gott
kennt.
Ist das so?

Der Buddhismus kennt überhaupt keinen Gott im Sinne der monotheistischen Religionen. Findest Du jetzt wahrscheinlich nicht so toll … Ist aber so.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Walden,

Dann kann man aus Erfolgen oder Misserfolgen keine Lehren
ziehen?

mir ist nicht ganz klar, woraus du dies folgerst. Buddhistische Ethik ist eine Zweckethik, sie beruft sich nicht auf göttliche Gebote oder eine andere transzendente Quelle. Kriterium, der ‚Zeck‘ der Ethik, ist die Überwindung von Leiden. Nicht nur des persönlichen Leidens, btw. weil es ein getrennt von Anderen existierendes Selbst, das *sein* persönliches Leiden erfährt, letzendlich gar nicht gibt.

‚Erfolge‘ und ‚Misserfolge‘ zeigen sich nicht nur darin, ob nun jemand irgendwann Bodhi (Erwachen / Erleuchtung / Befreiung) erfährt, sondern auch darin, ob sich der ‚Leidensdruck‘ durch die buddhistische Praxis verringert.

Gilt das für alle buddhistischen Schulen?

Ja, soweit ich weiss.

Wie muß man sich die Indikatoren für geistige Reife,
auf dem richtigen Weg sein, vorstellen?

Indikatoren sind bestimmte geistige Qualitäten. Insbesondere sind da die vier brahmavihara zu nennen: wohlwollende Güte (maitri), Mitgefühl (karuna), Mitfreude (mudita) und Gleichmut (upeksha). Die Entwicklung dieser geistigen Qualitäten bewirkt Verminderung leiderzeugenden Verhaltens.

Nur allein durch das Folgen der Lehre?

Die Lehre zeigt die Methoden dazu auf. Ethische Regeln befolgen, Entwicklung von Verständnis für die Zusammenhänge des Daseins, geistige Versenkung (Meditation).

Wie wird die chinesische Invasion in Tibet und das
unsagbare Vorgehen dort im Kontext der buddhistischen Lehre
gesehen beispielsweise?

Samsara - ein Teil unseres leidvollen Erlebens des Seins.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo Ralf!

Dann kann man aus Erfolgen oder Misserfolgen keine Lehren
ziehen?

mir ist nicht ganz klar, woraus du dies folgerst.

Aus deiner Aussage:

„Das ist genauso falsch. Willentliches Handeln wird nach den Gesichtspunkten ‚heilsam‘ (kusala) und ‚unheilsam‘ (akusala) in ethischer Hinsicht unterschieden, wobei sich dies auf das ‚Heilsziel‘ des Erwachens (bodhi) bezieht. Mit Armut oder Wohlstand oder anderen weltlichen Dingen hat das nicht das Geringste zu tun.“

Ist das nicht ein Antagonismus dazu:

Indikatoren sind bestimmte geistige Qualitäten. Insbesondere
sind da die vier brahmavihara zu nennen: wohlwollende Güte
(maitri), Mitgefühl (karuna), Mitfreude (mudita) und Gleichmut
(upeksha). Die Entwicklung dieser geistigen Qualitäten bewirkt
Verminderung leiderzeugenden Verhaltens.

Ontisches Verhalten ist das faktische Verhalten zum Seienden
im konkreten Leben. Ist denn eine daraus resultierende,
„Verminderung leiderzeugenden Verhaltens“, wie du das nennst,
nicht als Ursache für Erfolge oder Misserfolge identifizierbar?
Kann sich diese Verminderung nicht auch im positiven,
weltlichen Äußeren zeigen?

Oder abstrahiert ausgedrückt: Wozu die menschlich-weltliche
Existenz, eine Ebene auf der alles stattzufinden scheint,
aber nichts wirklich relevant ist?
Allein um Samsaras Willen?
Sorry, ich bin halt ein „Wessie“. :smile:

Der Rest deiner Antwort ist klar.
Dank dir dafür!

Gruß
Walden

Hallo Walden,
was genau verstehst Du unter „Erfolge und Misserfolge“? Beide Begriffe machen nur Sinn, wenn sie auf eine bestimmte Absicht, ein Ziel bezogen werden. Habe ich das Ziel, über möglichst viele materielle Güter zu verfügen, dann ist es ein Erfolg, wenn ich einen Raubmord begehe und dabei unentdeckt bleibe. Habe ich das Ziel, mich von allen An- und Verhaftungen an materiellen Gütern zu lösen, ist es ein Erfolg, wenn ich es schaffe, meinen gesamten Besitz zu verschenken und vom Betteln zu leben.

Bei dem ersten von Dir angeführten Zitat:

„Das ist genauso falsch. Willentliches Handeln wird nach den
Gesichtspunkten ‚heilsam‘ (kusala) und ‚unheilsam‘ (akusala) in
ethischer Hinsicht unterschieden, wobei sich dies auf das
‚Heilsziel‘ des Erwachens (bodhi) bezieht. Mit Armut oder Wohlstand
oder anderen weltlichen Dingen hat das nicht das Geringste zu tun.“

geht es zunächst einmal nicht um „Erfolge und Misserfolge“. Es geht um ethisches Handeln und das Kriterium dafür, was aus buddhistischer Sicht ethisches und was unethisches Handeln ist. Dieses Kriterium ist, wieweit das Handeln zielführend ist. Ziel dieses Handelns ist aber eben nicht Wohlstand, hoher sozialer Status usw. In bezug auf das Heilsziel ‚bodhi‘ sind diese Dinge irrelevant, insofern kann hier weder von Erfolgen noch von Misserfolgen geredet werden.

Was die geschilderten geistigen Qualitäten angeht -

Indikatoren sind bestimmte geistige Qualitäten. Insbesondere
sind da die vier brahmavihara zu nennen: wohlwollende Güte
(maitri), Mitgefühl (karuna), Mitfreude (mudita) und Gleichmut
(upeksha). Die Entwicklung dieser geistigen Qualitäten bewirkt
Verminderung leiderzeugenden Verhaltens.

  • so können diese als Indikatoren ‚erfolgreichen‘ (ethischen) Handelns im o.a. Sinne genommen werden, weil sie mit bodhi in engem Zusammenhang stehen. Bodhi ist Überwindung von Verblendung und tiefster Grund dieser Verblendung ist nach buddhistischer Lehre eine Art kognitive Fehlhaltung, nämlich die Ansicht von der Existenz einer beständigen Essenz des Ich, eines Wesenskernes, einer Seele. Das, was wir ‚Ich‘ nennen, ist nach buddhistischer Auffassung lediglich eine temporäre Konstellation dynamischer psycho-physischer Prozesse (skandhas), die sich im Tod ohne Rest trennen. Diese Geist-Körper-Einheit (namarupa) entsteht bedingt, sie existiert und wandelt sich entsprechend ihren Bedingungen und löst sich auf, wenn die Bedingungen aufhören zu wirken - ohne Rest, ohne Seele, ohne ein Agens.

Insofern kann man altruistische, das Selbst und seine Ansprüche negierende Haltungen, als Indikatoren dafür annehmen, dass man sich einer Einsicht in die wahre Natur des Seins nähert. Wobei diese ‚Einsicht‘ natürlich keine intellektuelle Erkenntnis ist bzw. sich nicht darauf beschränkt, sondern eine existentielle Erfahrung ist.

Kann sich diese Verminderung nicht auch im positiven,
weltlichen Äußeren zeigen?

Das ist möglich und hängt von den entsprechenden Bedingungen ab. Aber es ist keine notwendige Folge und es ist in diesem Kontext irrelevant. Es ist weder Anzeichen für ‚Erfolg‘ noch für ‚Misserfolg‘ im Sinne des buddhistischen Heilszieles.

Oder abstrahiert ausgedrückt: Wozu die menschlich-weltliche
Existenz, eine Ebene auf der alles stattzufinden scheint,
aber nichts wirklich relevant ist?
Allein um Samsaras Willen?

Die Frage geht am Sachverhalt vorbei. Sie setzt voraus, dass es ein ‚wozu‘ überhaupt gibt. Teleologie überlassen Buddhisten gerne den monotheistischen Religionen. Der buddhistische Weg sucht nicht, die existentiell quälende Frage nach dem ‚wozu‘ zu beantworten, sondern sie zu überwinden. Auch dies übrigens ein Indikator für ein Fortschreiten auf dem Weg - die Frage stellt sich zunehmend weniger, bis sie verstummt. Die Dinge sind, wie sie sind. Sie haben kein ‚wozu‘ - und da macht auch der Mensch keine Ausnahme.

Sorry, ich bin halt ein „Wessie“. :smile:

Das bin ich auch. Aber existentielle Fragestellungen haben nichts mit ‚Osten‘ oder ‚Westen‘ zu tun; die Antworten darauf genauso wenig. Und wenn du Dich etwas eingehender mit dem Buddhismus beschäftigst, dann kannst du sehen, dass die Antworten, die diese Religion gibt, in vieler Hinsicht rationaler sind als die, die die monotheistischen Religionen anbieten.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo Ralf,

vorab gesagt, es geht mir nicht
um Kritik, sondern um Verständnis.

Was genau verstehst Du unter „Erfolge und Misserfolge“? Beide
Begriffe machen nur Sinn, wenn sie auf eine bestimmte Absicht,
ein Ziel bezogen werden.

Ja genau so meine ich das, semantisch einfach abgeleitet,
Erfolg ist das was erfolgt oder eben nicht erfolgt.

Bei dem ersten von Dir angeführten Zitat:

„Das ist genauso falsch. Willentliches Handeln wird nach den
Gesichtspunkten ‚heilsam‘ (kusala) und ‚unheilsam‘ (akusala) in
ethischer Hinsicht unterschieden, wobei sich dies auf das
‚Heilsziel‘ des Erwachens (bodhi) bezieht. Mit Armut oder Wohlstand
oder anderen weltlichen Dingen hat das nicht das Geringste zu tun.“

geht es zunächst einmal nicht um „Erfolge und Misserfolge“…

In bezug auf das Heilsziel ‚bodhi‘ sind
diese Dinge irrelevant, insofern kann hier weder von Erfolgen
noch von Misserfolgen geredet werden.

Auch nicht im oben genannten Sinn? Wenn du einer Lehre folgst,
ist sie erfolgreich oder nicht.

  • so können diese als Indikatoren ‚erfolgreichen‘ (ethischen)
    Handelns im o.a. Sinne genommen werden, weil sie mit bodhi in
    engem Zusammenhang stehen.

OK, so meinte ich das. Haben Misserfolge, also auch
äußerliche keine erzieherischen oder weisenden Effekte?

Oder abstrahiert ausgedrückt: Wozu die menschlich-weltliche
Existenz, eine Ebene auf der alles stattzufinden scheint,
aber nichts wirklich relevant ist?
Allein um Samsaras Willen?

Die Frage geht am Sachverhalt vorbei. Sie setzt voraus, dass
es ein ‚wozu‘ überhaupt gibt.

Ja, das ist eine Zusatzfrage, die ich mir aber anlog denke.
Dann wird die Frage nach dem „Wozu“ also ignoriert?
Ist dir die „ontologische Differenz“ ein Begriff?
Heideggers Metaphysikkritik, die nach dem höchsten
Seienden fragt, das Sein aber ignoriert.
Es geht ihm um das Sichzeigen des Seienden im Sein.
Vielleicht wird meine Intention des threads jetzt
deutlicher? Aber wie gesagt,ich möchte keine Kritik oder
Diskussion sondern die buddhistische Position verstehen.

Sorry, ich bin halt ein „Wessie“. :smile:

Das bin ich auch. Aber existentielle Fragestellungen haben
nichts mit ‚Osten‘ oder ‚Westen‘ zu tun; die Antworten darauf
genauso wenig.

Das meinte ich eher im philosophischen Sinne. In der Tradition
abendländischer P.

Und wenn du Dich etwas eingehender mit dem
Buddhismus beschäftigst, dann kannst du sehen, dass die
Antworten, die diese Religion gibt, in vieler Hinsicht
rationaler sind als die, die die monotheistischen Religionen
anbieten.

Wie du oben sehen kannst, steht mir halt grad mein rationales
Denken oft im Weg! :smile:
Du nennst Buddhismus Religion? Ich dachte mir immer es
sei eine Art philosophischer Lehre, ohne Dogmatik?
Das hat mich immer für ihn eingenommen.
Glaube nichts, was du nicht glauben kannst etc.

Gruß
Walden

Hallo Walden,

In bezug auf das Heilsziel ‚bodhi‘ sind
diese Dinge irrelevant, insofern kann hier weder von Erfolgen
noch von Misserfolgen geredet werden.

Auch nicht im oben genannten Sinn? Wenn du einer Lehre folgst,
ist sie erfolgreich oder nicht.

Mit „diese Dinge“ war „Armut oder Wohlstand“ bzw. sozialer Status gemeint – es ging ja hier im Thread ursprünglich um die Behauptung, buddhistische Praxis ziele auf Wiedergeburt in einer höheren Kaste ab. Dass der achtfache Pfad zur Überwindung des Leidens führt, also in diesem Sinne, wenn er konsequent gegangen wird, ‚erfolgreich‘ ist, davon gehen Buddhisten natürlich aus.

Dieses ‚davon ausgehen‘ ist verwandt mit der Forderung des ‚Glaubens‘ im Christentum, zeigt jedoch einige nicht unbedeutende Unterschiede. Daher wird der entsprechende Begriff – saddha – idR auch mit ‚Vertrauen‘ übersetzt, nicht mit Glaube. Saddha ist etwas anderes als nitiham (etwa: Überlieferungsglaube). Häufig zitiert wird in diesem Zusammenhang das Kalamer Sutta (A.III.66):

„Geht […] nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber […] selber erkennt: ‚Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden‘, dann […] möget ihr sie aufgeben.“

Vertrauen ist ein Glaube auf Kredit, ein Glaube, der der Bestätigung durch eigene Erfahrung bedarf. Die Verifizierung ist möglich, weil das Heilsziel nicht im Transzendenten verortet wird, sondern unmittelbar erfahrbar ist. Nicht nur Bodhi, das Erwachen / die Erleuchtung ist erfahrbar – schon im ‚Vorfeld‘ erfährt man durch ernsthafte buddhistische Praxis eine Transformation subjektiven Erlebens in Richtung Leidfreiheit.

  • so können diese als Indikatoren ‚erfolgreichen‘ (ethischen)
    Handelns im o.a. Sinne genommen werden, weil sie mit bodhi in
    engem Zusammenhang stehen.

OK, so meinte ich das. Haben Misserfolge, also auch
äußerliche keine erzieherischen oder weisenden Effekte?

Grundsätzlich hat jede Erfahrung potentiell einen erzieherischen oder weisenden Effekt. Ob ‚äußerlicher‘ Erfolg oder Misserfolg - es gilt, unsere Reaktion auf diese Erfahrungen zu beobachten und zu analysieren. Durch Übung kann man lernen, dies sehr unmittelbar zu tun – Empfindungen und Gefühle im schon im Augenblick des Entstehens bewusst wahrzunehmen. Dies ist ‚rechte Achtsamkeit‘, einer der acht Übungsaspekte buddhistischer Praxis. So gelangt man dazu, die Dinge anzunehmen, wie sie kommen, ohne Gier und ohne Furcht – und sie loszulassen, wie sie gehen, ohne Erleichterung und ohne Bedauern.

Dann wird die Frage nach dem „Wozu“ also ignoriert?

Ja, es ist eine Frage, deren Beantwortung nicht heilsdienlich ist. Es gibt dazu im Culamalunkya Sutta (M.63) ein bekanntes Gleichnis:

„Gleichwie etwa, […] wenn ein Mann von einem Pfeile getroffen wäre, dessen Spitze mit Gift bestrichen wurde, und seine Freunde und Genossen, Verwandte und Vettern bestellten ihm einen heilkundigen Arzt; er aber spräche:
‚Nicht eher will ich diesen Pfeil herausziehn bevor ich nicht weiß, wer jener Mann ist, der mich getroffen hat, ob es ein Krieger oder ein Priester, ein Bürger oder ein Bauer ist, […]wie er heißt, woher er stammt oder hingehört, […]ob es ein großer oder ein kleiner oder ein mittlerer Mensch ist, […] ob seine Hautfarbe schwarz oder braun oder gelb ist, […] in welchem Dorf oder welcher Burg oder welcher Stadt er zu Hause ist, […] bevor ich den Bogen nicht kenne, der mich getroffen hat, ob es der kurze oder der lange gewesen, […] bevor ich die Sehne nicht kenne, die mich getroffen hat, ob es eine Saite, ein Draht oder eine Flechse, ob es Schnur oder Bast war, […] bevor ich den Schaft nicht kenne, der mich getroffen hat, ob er aus Rohr oder Binsen ist, […] mit was für Federn er versehn ist, ob mit Geierfedern oder Reiherfedern, mit Rabenfedern, Pfauenfedern oder Schnepfenfedern, […] mit was für Leder er umwickelt ist, mit Rindleder oder Büffelleder, mit Hirschleder oder Löwenleder, […] bevor ich die Spitze nicht kenne, die mich getroffen hat, ob sie gerade oder krumm oder hakenförmig ist, oder ob sie wie ein Kalbzahn oder wie ein Oleanderblatt aussieht‘: nicht genug könnte, […] dieser Mann erfahren: denn er stürbe hinweg.“

Durch die buddhistische Praxis wird die Frage obsolet bzw. die Antwort findet sich auf einer Ebene, die nicht kommunizierbar ist. Dazu weiter unten mehr.

Ist dir die „ontologische Differenz“ ein Begriff?

Grob. Es gibt Menschen, die schätzen Heideggers Sprache, andere finden sie abstoßend. Ich persönlich gehöre zu den Menschen, die das ‚Heideggern‘, den ‚Jargon der Eigentlichkeit‘ (Adorno), als eine Zumutung empfinden. Das hat mich von einer tieferen Beschäftigung mit ihm abgehalten.

Vielleicht wird meine Intention des threads jetzt
deutlicher?

Ein wenig schon. In der buddhistischen Philosophie wird allerdings Sein und Seiendes nicht geschieden. Es gibt keine Inhärenz (und folglich auch keine Subsistenz), sie wird explizit verworfen. Dies ergibt sich aus der grundlegenden Lehre von den drei Seinsmerkmalen (trilaksana) – die Dinge (dharmata, das empirisch Erfahrbare) werden leidhaft erfahren (duhkha), sie sind unbeständig, im Fluss (anitya) und sie haben keine Identität, keinen festen Wesenskern, kein ‚Sein‘ (anatman). Sie sind allesamt aufeinander bezogen, gegenseitig bedingt und bilden so einen Konditionalnexus. Außerhalb dieses Nexus steht nichts Bedingendes, das selbst nicht-bedingt wäre.

So jedenfalls die Position der noch existierenden buddhistischen Denkrichtungen. Es gab in der Geschichte Schulen des sog. hinayanischen Zweiges, die mehrere nicht-bedingte dharmata (in unterschiedlicher Anzahl) postulierten - so z.B. den Raum. Die einzige noch existierende Schule dieses Zweiges, die Theravada-Schule, fasst allerdings lediglich nirvana als nicht-bedingt auf - allerdings nicht als etwas, das seinerseits bedingend auf samsara (Sein/Seiendes) wirken würde. Der andere Hauptzweig, das Mahayana, verwirft auch dieses und postuliert eine fundamentale Identität von nirvana und samsara. Der Unterschied besteht in der Existenz bzw. Nicht-Existenz einer ‚entfalteten Vorstellung‘ (vikalpa), deren Bestandteil die Bedingungsbeziehungen sind. Existiert vikalpa, ist alles bedingt - ist es aufgelöst, ist nichts bedingt, da nichts im herkömmlichen Sinne existiert.

Die (mahayanisch-)buddhistische Position, die das Seinsmerkmal (laksana) ‚anatman‘ explizit als ‚leer von einem inhärenten Sein‘ definierte (insbesondere ist hier Nagarjuna zu nennen), entstand vermutlich als Gegenposition zur hinduistischen Vaisesika-Philosophie, die sechs Kategorien (padartha) des Seins definierte: dravya (Substanz, Materie), guna (Akzidens, Eigenschaft), karma (Handeln), samanya (Allgemeinheit), visesa (Unterschiedenheit) und samavaya. Dieses ‚samavaya‘ ist es, das gewöhnlich mit ‚Inhärenz‘ wiedergegeben wird. Es steht (etwas allgemeiner als in der abendländischen Philosophie) für Relationen zwischen einem Über- und einem Untergeordneten - also z.B. für die Relation zwischen dem Ganzen und seinen Teilen, zwischen Substanz und Akzidens, zwischen Generellem und Speziellem. Der Buddhismus wiederum verwirft solche ‚hierarchischen‘ Relationen. Die Begriffe, die Erfahrungen wiedergeben, sind wie die Erfahrungen selbst in Art eines Netzes (der bereits angesprochene Konditionalnexus, pratitya-samutpada) aufeinander bezogen, nicht in Art einer Stufenleiter oder Pyramide auf etwas Transzendentes, jenseits der Erfahrung, hinter den Begriffen Liegendes. Begriffe bilden also Bezüge und Bedingungen ab, keine Dinge, die ‚an sich‘ und ‚für sich‘ (abgetrennt und isoliert) nicht existieren. Das ‚Ganze‘, die ‚Substanz‘, das ‚Generelle‘, das ‚Sein‘ - das sind alles nur Gedankenkonstruktionen, denen keinerlei tatsächliche Realität zukommt. Das ist eine Konsequenz der anatman-Lehre.

Das meinte ich eher im philosophischen Sinne. In der Tradition
abendländischer P.

Vielleicht ist nun ein wenig deutlicher geworden, dass da kein grundsätzlicher Widerspruch besteht.

Wenn du Dich z.B. eingehend mit Schopenhauer befasst hast, dann wird Dir vieles bekannt und verwandt vorkommen. Für Westler kann das den Zugang außerordentlich erleichtern. Was den Aspekt ‚mystischer‘ Erfahrung angeht, so gilt etwa für Meister Eckart Entsprechendes.

Du nennst Buddhismus Religion? Ich dachte mir immer es
sei eine Art philosophischer Lehre, ohne Dogmatik?
Das hat mich immer für ihn eingenommen.

Nun, in meinem Verständnis ist Buddhismus in erster Linie ein Weg praktischer Lebensführung und –erfahrung – erst in zweiter Hinsicht der zugehörige theoretische Überbau. Die Freiheit von Dogmatik würde ich nicht unbedingt als ein Kennzeichen von Philosophie ansehen. Im Buddhismus beruht sie auf der Grundaussage, dass es zwei Arten der Wahrheit gibt. Da ist paramartha-satya – die höchste, absolute Wahrheit. Diese entzieht sich jedoch sprachlichem Ausdruck und logisch-intellektuellem Erfassen, sie kann lediglich direkt und unmittelbar erfahren werden, wenn sämtliche Kategorien des Denkens losgelassen werden. Ich möchtes das illustrieren, indem ich hier zwei Zitate einander gegenüberstelle. Das erste ist Dir sicher bekannt, es stammt aus Kants Kritik der reinen Vernunft:

„Denn durch das Ich, als einfache Vorstellung, ist nichts Mannigfaltiges gegeben; in der Anschauung, die davon unterschieden ist, kann es nur gegeben und durch Verbindung in einem Bewußtsein gedacht werden. Ein Verstand, in welchem durch das Selbstbewußtsein zugleich alles Mannigfaltige gegeben würde, würde anschauen; der unsere kann nur denken und muß in den Sinnen die Anschauung suchen. Ich bin mir also des identischen Selbst bewußt, in Ansehung des Mannigfaltigen der mir in einer Anschauung gegebenen Vorstellungen, weil ich sie insgesamt meine Vorstellungen nenne, die eine ausmachen. Das ist aber soviel, als, daß ich mir einer notwendigen Synthesis derselben a priori bewußt bin, welche die ursprüngliche synthetische Einheit der Apperzeption heißt, unter der alle mir gegebenen Vorstellungen stehen, aber unter die sie auch durch eine Synthesis gebracht werden müssen.“

Das zweite Zitat stammt von Dogen Kigen, aus dem Genjokoan-Kapitel des Shobogenzo:

„Was man das Ergründen des Buddhaweges nennt, ist das Ergründen des Selbst.
Was man das Ergründen des Selbst nennt, ist das Vergessen des Selbst.
Was man das Vergessen des Selbst nennt, ist Aufgehen im Bezeugen der Erleuchtung durch die zehntausend Dinge.
Was man Bezeugen der Erleuchtung durch die zehntausend Dinge nennt, ist das Ineinander-Aufgehen von Körper und Geist des Selbst und Nicht-Selbst, wenn sie sich lösen und abfallen.“

Das, was Dogen hier versucht, in Worte zu fassen, ist der Prozess, der zur Erfahrung von paramartha-satya führt. Das Kant-Zitat hingegen beschreibt die Ebene der Erfahrung aus einer Ich-Perspektive - ob man es „synthetische Einheit der Apperzeption“ nennt oder vikalpa, ‚entfaltete Vorstellung‘, bleibt sich da gleich. Wird diese Erfahrung kommuniziert, mit Anderen geteilt, dann bewegen wir uns auf der Ebene konventioneller Wahrheit, samvrti-satya.

Auf der Ebene samvriti-satya kann keine absolute Wahrheit formuliert werden, kein Dogma. Aussagen auf dieser Ebene haben intentionalen, Werkzeugcharakter. Entscheidend ist nicht ihr Wahrheitsgehalt (den sie im absoluten Sinne gar nicht haben können), sondern der illokutionäre Akt. Auch hier gilt – wie bei der Ethik - das Kriterium ‚Heilsamkeit‘ oder ‚Unheilsamkeit‘. Nicht richtig oder falsch.

Glaube nichts, was du nicht glauben kannst etc.

So ist es – vgl. das Kalamer-Sutta weiter oben.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo Ralf,

Mit „diese Dinge“ war „Armut oder Wohlstand“ bzw. sozialer
Status gemeint – es ging ja hier im Thread ursprünglich um die
Behauptung, buddhistische Praxis ziele auf Wiedergeburt in
einer höheren Kaste ab.

Da hab ich mal wieder nur halb mitgelesen, bei der Vielzahl
von Antworten hier, lese ich nur querbeet und reiss einen Satz
dann bisweilen aus seinem Kontext, die „Kaste“ ist an mir vorbeigegangen. War mein Fehler, entschuldige,
das daraus resultierende fruchtbare Gespräch bedauere ich
trotzdem nicht! :smile:

Das hat mich von einer tieferen Beschäftigung mit ihm abgehalten.
(Heidegger)

Ja leider geht das vielen so, man muß sich schon
im Überwinden von Vorurteilen üben, um ihm gerecht
zu werden. Eine (doppelsinnig) lohnende Übung, meine
ich trotzdem! :smile:

Ein wenig schon. In der buddhistischen Philosophie wird
allerdings Sein und Seiendes nicht geschieden.

Mal ganz banal:
Ich lese ein Buch des Dalai Lama, z.B. „Der Weg zur Freiheit“,
Überwindung des Leidens. Darauf überkommt mich die Erkenntnis,
dass er in der Verbannung lebt, dass sein Volk gemordet, gequält,
unterdrückt wird. Und ich hege Zweifel an seinen Worten, wie
schön sie auch klingen.
Es gibt einen Mönch, der in chinesischer Haft war und gefragt
wurde, ob er an die Wiedergeburt glaube. Er antwortete, „so sicher
wie es morgen früh wieder Tag wird.“ Daraufhin wurde ihm eine
Scheibe von seinem Arm abgeschnitten und das jedes Jahr, 26
Jahre lang!
Es überkommen mich Zweifel und es überkommt mich diese, wie du
sie nanntest, quälende Frage nach dem „wozu“.
Es bricht mir das Herz, ausgerechnet diese liebenswerten Menschen leiden zu sehen!
Danke für deine geduldigen, substantiellen Antworten
und danke auch an Pendragon! :smile:

Seid gegrüßt
Walden