Hallo Tom,
dein Posting eignet sich gut dazu, um nochmal grundsätzlich zu erklären, was m. M. n. die Quintessenz von Jennys Beiträgen ist. Mir kommt es nämlich leider immer noch so vor, als würde das hier kaum verstanden werden…
In der Trotzphase suchen Kinder Grenzen und sie müssen sie
auch erfahren.
Ich möchte noch voraus schicken, dass ich mir nicht sicher bin, ob du es so gemeint hast, wie ich das im Folgenden darstelle. Wenn nicht, dann nimm mein Posting bitte nicht als Kritik an deiner Ansicht, sondern eben als allgemeine Kritik an dem, was ich daraus lese (unabhängig davon, ob du es so gemeint hast).
Das Kinder Grenzen brauchen, da sind sich heutzutage (mehr oder weniger) alle einig. Sie über alles selber frei entscheiden zu lassen geht eh nicht, und macht auch keinen Sinn. Das seh ich absolut genauso und ich glaube, dass niemand in Thread das bezweifelt. (Wie ich unten schon mal gesagt hab, redet doch niemand von antiautoritärer Erziehung.)
Aber dieses Betonen der Notwendigkeit Grenzen zu setzen, gleitet meinem Empfinden nach extrem schnell ab zu der Theorie, dass man Kindern deshalb Grenzen setzen muss, damit sie lernen, Grenzen zu akzeptieren. Natürlich müssen sie lernen Grenzen zu akzeptieren, aber doch nur, weil es eben welche gibt. Wenn ich meine, meinem Kind deshalb Grenzen setzen zu müssen, damit es lernt, Grenzen zu akzeptieren, dann kann ich dafür ganz willkürliche Grenzen setzen. M. E. sollten Kindern nur dort Grenzen gesetzt werden, wo es tatsächlich und grade im Augenblick nötig ist. Und da sollte man sich eben immer wieder hinterfragen. Ich will damit gar nicht sagen, dass die meisten Eltern irgendwelche sinnlosen und total willkürlichen Grenzen setzen. Ich glaube schon, dass sich die Allermeisten da wirklich gute Gedanken drüber machen. Aber ich halte es für zuviel des Guten, wenn man dann meint, keine Ausnahmen machen zu dürfen. Man meint, dass das Kind ja schließlich lernen muss, dass in dieser bestimmten Situation „ich“ das Sagen habe, deshalb darf man auch an einem anderen Tag, wenn es in der gleichen Situation grad nicht schlimm wäre, wenn das Kind bestimmen könnte, ihm seinen Willen nicht lassen. Es wird so viel von konsequentem Handeln gepredigt, dass sich Eltern gar nicht mehr trauen, auch Ausnahmen gelten zu lassen. Vielleicht seh ich das ja falsch, aber die Gefahr scheint mir groß, dass Eltern dazu neigen, auf einer Regel zu bestehen, „weil er das ja schließlich lernen muss“, selbst dann, wenn es ansonsten grade gar keinen zwingenden Grund gibt, dem Kind seinen Willen nicht zu lassen.
Die Erwachsenen müssen Spielregeln aufstellen, wobei es nicht
darauf ankommt das Kind zu schikanieren, sondern klare Regeln
aufzustellen, die auch eingehalten werden müssen.
Schon klar, dass Eltern ihr Kind mit den aufgestellten Regeln nicht schikanieren wollen. Das unterstelle ich auch nicht. Aber mir kommt es schon so vor, als wäre sehr häufig die Ansicht zu finden, dass eine Regel einfach deshalb eingehalten werden muss, weil sie aufgestellt wurde, selbst dann wenn es Situationen gibt, in denen es eigentlich nicht wichtig wäre, dass diese Regel jetzt grad befolgt wird.
Diese Situationsangepasstheit gilt natürlich auch nicht immer. Dass man an einer roten Ampel wartet, bis grün ist, gilt m. E. (ziemlich) ohne Ausnahme. Diese Regel wird auch dann nicht gebrochen, wenn kein Auto kommt, schon allein deshalb, weil Kinder Entfernungen und Geschwindigkeiten nicht einschätzen können und sich so in echte Gefahr bringen können, wenn plötzlich doch ein Auto um die Kurve kommt.
Gruß
M.