Meldeaufforderung bei Jugendlichem

Angenommen ein noch minderjähriger Jugendlicher ist Teil einer Bedarfsgemeinschaft. Nun erhält er ein Schreiben des Jobcenters, in dem er aufgefordert wird einen Beratungstermin wahrzunehmen und eine Eingliederungsvereinbarung zu unterzeichnen.

Allerdings besucht dieser Jugendliche derzeit nachweislich die gymnasiale Oberstufe und hat sich nicht nur bereits für ein zukünftiges Studienfach entschieden, sondern auch in Vorbereitung auf dieses Studium mehrere Praktika absolviert sowie einen Workshop an der Universität des angestrebten Studienortes besucht (ebenfalls belegbar). Es besteht deshalb von Seiten des Jugendlichen keinerlei Beratungsbedarf.

Ist dieser Jugendliche trotzdem verpflichtet sich „beraten“ zu lassen und eine Eingliederungsvereinbarung zu unterzeichen?

Vielen Dank für eure Antworten!

Hallo

Ist dieser Jugendliche trotzdem verpflichtet sich „beraten“ zu
lassen

Imho: Ja.

und eine Eingliederungsvereinbarung zu unterzeichen?

Nein. Nicht so einfach.

Aus den Dienstanweisungen zum § 15 SGB II ( http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__15.html )

(…)
(4) Der Abschluss einer EinV mit einem erwerbsfähigen Minderjährigen bedarf der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Der oder die gesetzliche Vertreter/-in ist über die Rechtsfolgen zu belehren. Verweigert der oder die gesetzliche Vertreter/-in seine/ihre Zustimmung, sollen die Regelungen mittels VA festgesetzt werden (vgl. Kapitel 5).
(…)

  1. EinV als VA
    (1) Wird eine angebotene EinV nicht abgeschlossen, soll ein VA die vertraglichen Regelungen zu den Leistungen zur sozialen und beruflichen Integration und zu Form und Umfang der Eigenbemühungen und Mitwirkungspflichten der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person (§ 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3) ersetzen.
    (…)
    (3) In der Regel ist der Erlass eines VA erforderlich, wenn
    • die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person sich weigert eine EinV abzuschließen,
    (…)
    • die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person minderjährig und damit beschränkt geschäftsfähig ist (§ 106 BGB) und der gesetzliche Vertreter keine Zustimmung zur EinV gibt.

Quelle: http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A01-A…

Gruß,
LeoLo

Ist dieser Jugendliche trotzdem verpflichtet sich „beraten“ zu
lassen

Imho: Ja.

Aufgrund welcher Regelung?

Der Jugendliche besucht derzeit noch die Schule und steht damit überhaupt nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.

Abgesehen davon, dass er vermutlich bereits deutlich besser über die Studienmöglichkeiten in dem gewünschten Fachbereich informiert ist als der Jobcenter-Mitarbeiter, wird in einer Eingliederungsvereinbarung doch festgelegt, welche Maßnahmen von Seiten des Jobcenters und vor allem des Betreffenden zum Zwecke der Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu ergreifen sind. Da der Jugendliche aber derzeit erfolgreich das Gymnasium besucht und sich auch bereits aktiv um sein zukünftiges Studium bemüht, bereitet er doch seine Eingliederung in den Arbeitsmarkt selbst schon vor.

Konkret geht es um die Befürchtung, dass der Jugendliche, der zum Zeitpunkt seines Abiturs noch minderjährig sein wird, gegen seinen Willen per Eingliederungsvereinbarung gezwungen werden könnte eine betriebliche Ausbildung zu beginnen, obwohl er beabsichtigt ein Studium aufzunehmen.

und eine Eingliederungsvereinbarung zu unterzeichen?

Nein. Nicht so einfach.

Das ist nur ein Spiel mit Begrifflichkeiten. Letztendlich wird man gezwungen, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, da ein Nichtunterschreiben sanktioniert wird.

Soweit mir bekannt ist, darf man aber gemäß 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB II den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung ablehnen, ohne sanktioniert zu werden, wenn ein wichtiger Grund besteht. Meine Vermutung geht dahin, dass der Besuch einer allgemeinbildenden Schule bzw. die Erstausbildung ein wichtiger Grund ist. Falls nein - gibt es dazu ein Urteil oder sonst irgendetwas, das man nachlesen könnte?

Ruf da an und frag nach. 5 Minuten Telefongespräch und alles ist klar.

In dem fiktiven Jobcenter geht nicht nur niemand ans Telefon, sondern beantwortet auch keine E-Mails. Außerdem ist es dafür bekannt, bei Auskünften sparsam mit der Wahrheit umzugehen.

Hallo

Ist dieser Jugendliche trotzdem verpflichtet sich „beraten“ zu
lassen

Imho: Ja.

Aufgrund welcher Regelung?

Aufgrund der Tatsache, daß der Schüler ein erwerbsfähiges Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist und im Leistungsbezug steht.

Der Jugendliche besucht derzeit noch die Schule und steht
damit überhaupt nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.

Das eine hat mit dem anderen aber nichts zu tun. Das schließt ein Gespräch mit dem Vertreter des Leistungsträgers doch nicht aus.

Abgesehen davon, dass er vermutlich bereits deutlich besser
über die Studienmöglichkeiten in dem gewünschten Fachbereich
informiert ist als der Jobcenter-Mitarbeiter,

Es wäre nett, wenn wir den Vor(ver)urteils-Pfad direkt verlassen, nachdem wir ihn betreten haben, ok?

Zum Rest: Es macht imho keinen Sinn, sich über eine Eingliederungsvereinbarung zu ärgern, die man inhaltlich noch gar nicht kennt. Warum also nicht den Termin wahrnehmen, gerne im Beisein der Eltern und dann kann man immer noch sehen.

Ausreichende Gründe, den/die Gesprächstermin/e abzulehnen, sind aber bisher nicht erkennbar.

Gruß,
LeoLo

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Hallo

Das ist nur ein Spiel mit Begrifflichkeiten. Letztendlich wird man gezwungen, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, da ein Nichtunterschreiben sanktioniert wird. (…) darf ablehnen, ohne sanktioniert zu werden, wenn ein wichtiger Grund besteht.

Eine Eingliederungsvereinbarung ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag. Nichtunterschrift ist allgemein nicht sanktionierbar… egal, ob mit oder ohne „guten“ Grund.
Bei Nichtunterschrift kann das Jobcenter den Inhalt stattdessen höchstens per Verwaltungsakt „zuweisen“ - gegen den man dann aber ggf. den Widerspruchs-und Klageweg einlegen kann.
(Zu EinV bei Minderjährigen wurde hier ja schon das Wesentliche aufgegriffen.)

Da der Schüler der gymnas. Oberstufe in absehbarere Zeit den Schulabschluss vor sich hat , ist ein Gespräch über seine weiteren Ausbildungs-und Berufspläne nichts Ungewöhnliches und grundsätzlich auch im eigenen Interesse - und kein Grund, warum man per se nicht zum Gesprächstermin erscheinen können sollte (zu einem Termin außerhalb der Schulstunden allerdings).

(Seite 6: http://hartz.info/dateien/pdf/Arbeitshilfe-zur-EinV-… :
„Jugendliche nach Vollendung des 15. Lebensjahres, die der Vollzeitschulpflicht unterliegen : • Dem Jugendlichen können 1-2 Jahre vor Schulentlassung Maßnahmen der Berufsberatung bzgl. Berufswahl angeboten werden. Hierdurch wird ein nahtloser Übergang in ein Ausbildungsverhältnis gefördert und der Schulbesuch wird durch den zeitlichen Umfang des Angebotes nicht gefährdet. Hier ist der Abschluss einer EinV sinnvoll.
• Nicht sinnvoll wäre es, dem Jugendlichen eine Qualifizierungsmaßnahme am Abend parallel zum Schulbesuch anzubieten, da durch deren zeitlichen Umfang der Schulbesuch gefährdet wäre. Selbst bei Abschluss einer EinV, kann eine solche Leistung nicht aufgenommen werden.“)
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In dem Zusammenhang: siehe die graue Info-Box in der Text-Mitte…falls das Gespräch auch auf Zeugnisse kommen sollte:
http://www.spiegel.de/schulspiegel/leben/jobcenter-i…

LG