Liebe Musiker/innen,
in meinem Leistungskurs Musik sind wir heute im Zusammenhang
mit der „Kunst der Fuge“ von Bach auf die drei Arten der
Moll-Tonleiter gekommen. Das „Abklopfen“ der Grundlagen
landete sehr schnell bei der melodischen Molltonleiter, bei
der die Erhöhungen der 6. und 7. Stufe in der Abwärtsbewegung
aufgelöst werden müssen.
"Müssen" sie natürlich überhaupt nicht, werden es aber sehr oft.
Mann sollte wohl Musik - und vor allem Musiktheorie - immer daran ausrichten, was tatsächlich komponiert wurde, d.h. die Theorie aus der Praxis herleiten und nicht umgekehrt.
Es gibt - vor allem in polyphonen Werken, auch bei Bach - zahlreiche Beispiele für melodische Molltonleitern in Abwärtsbewegung mit erhöhter 6. und 7. Stufe.
Anderseits kommt die übermässige Sekunde der harmonischen Molltonleiter, die meist als Grund für den zusätzlich erhöhten 6. Ton angegeben wird, in der Praxis so gut wie nie vor (eigentlich immer nur das Umkehrintervall, also die übermässige Sexte, und die dann gerade auffallend oft …)
Hinzu kommt , dass es eine natürliche Molltonleiter im eigentlichen Sinn überhaupt nicht gibt, sondern nur die aeolische (Kirchen-) Tonleiter, und das ist im eigentlichen Sinne nicht Moll, (es sei denn, mann betrachtet dorisch und phrygisch ebenfalls als Moll, was aber keinen grossen Sinn macht, da es dann auch drei Durtonleitern gäbe…).
Letztendlich gibt es keine 3 Molltonleitern, man sollte Moll eher als Tonvorrat von 9 Tönen betrachten (und lehren), wobei die Tone 6 und 7 je nach Melodieführung und harmonischem Ablauf variabel sind.
Das ist natürlich nicht so einfach zu unterrichten (und abzufragen
) wie 3 fein säuberlich getrennte Molltonleitern, entspricht aber dann doch mehr der Realität.
Das habe ich auch so gelernt, verstehe es aber bis heute nicht
und berichte nur über dieses Phänomen, statt es zu
unterrichten.
Mache ich (als Klavierlehrer, der auch recht viel Theorie mit seinen Schülern macht) genauso 
Lese-Tipp zum Thema:
Diether de la Motte: Harmonielehre (dtv)
Zitat, Seite 77:
„Unsinnig ist die Aufteilung der Elementarlehre in drei Arten Moll, in drei Molltonleitern. Da sie aber noch allgemein gelehrt wird, sollte man zwar keinen Gebrauch von ihr machen, sie aber kennen.“
Gruss
Klaus