Mendelssohn-Bartholdy und Antisemitismus
„Ja es stimmt wohl daß Mendelssohn ein Jude war. Aber er hat trotzdem schöne Musik gemacht.“
Der Satz ist seinem Inhalt nach, auch wenn, was zu hoffen ist, nicht beabsichtigt, selber antisemitisch, weil in ihm die Auffassung zum Ausdruck kommt, Juden seien „eigentlich“ musikalisch unbegabt, mit Ausnahmen, die dann mit einem „trotzdem“ bedacht werden. Man kann daran sehen, wie zählebig antisemitische Klischees sind.
Grundsätzlich gilt: Juden sind prinzipiell wie andere Menschen auch, nämlich unterschiedlich. Wenn es im Gegensatz zur antisemitischen Propaganda unter Juden gerade besonders viele hervorragende Musiker gab - man denke nur an die Vielzahl berühmter jüdischer Geigenvirtuosen - so hat auch das nichts mit einer angeblich „rassebedingten“ jüdischen Besonderheit zu tun, sondern damit, dass in jüdischen Milieus traditionell z.B. die musikalische Kultur besonders gepflegt wurde.
Was Mendelssohn-Bartholdy betrifft, so war er gar kein Jude, sondern christlich getauft und erzogen.
Allerdings haftete und haftet ihm ein berühmter jüdischer Name an: Sein Großvater Moses Mendelssohn war ein bekannter Philosoph der Aufklärung, unter anderem mit Lessing eng befreundet, und Reformer der jüdischen Religions-Ausübung.
Für die rassistischen Nazis galt aber: Wer von Juden abstammt ist selber Jude. Und da nach 1945 das Musikleben weitgehend von denselben, z.T. nazistisch oder opportunistisch eingestellten, Leuten bestimmt war wie davor, erfolgte auch in der Beurteilung von „jüdischen“ Musikern nicht automatisch ein Umdenken.
Hört euch das Violinkonzert von Mendelssohn an und bildet euch selber ein Urteil über die darin zum Ausdruck kommende musikalische Schöpferkraft. Von einem weiteren unschätzbaren Verdienst Mendelssohns für die musikalische Welt, nämlich Bach dem Vergessen entrissen zu haben, einmal ganz zu schweigen.
Grüße
Oranier