Mens rea, actus reus im Strafrecht

Vorbemerkung: Dies ist kein Doppelposting! Im Sprachen-Brett geht es um die Übersetzung der Begriffe ins Deutsche.

Hallo!
Ein fiktiver Fall: Eine unschuldige Frau nimmt versehentlich die Handtasche einer anderen Frau. (Es bleibt unerwähnt, was sie damit macht). Ist das ein actus reus?
Mens rea wäre (und käme überhaupt nur zum Tragen, wenn sie die Tasche behält), wenn man fragt, ob es ursprünglich ein Versehen war oder von Anfang an Vorsatz - richtig?
Gruß,
Eva

Es geht hier um die Frage des objektiven und des subjektiven Tatbestands. Objektiv betrifft dabei die äußeren Tatbestandsmerkmale, die ein Dritter als objektiver Beobachter wahrnehmen kann. z.B. die Wegnahme der Tasche. Der subjektive Tatbestand betrifft die innere Motivation des Täters, also ob er Vorsatz auf die Verwirklichung eines bestimmten Tatbestands hatte. Bei der Wegnahme der Tasche wäre das die Zueignungsabsicht im Rahmen der Prüfung eines Diebstahls.

Beides muss bei der aktiven Begehung von Vorsatzdelikten vorliegen, um zur Rechtswidrigkeit der Tat und Schuld des Täters zu kommen. D.h. wenn Du zwar beobachtest, dass jemand eine fremde Tasche wegnimmt, diesbezüglich aber beim Täter die Motivation vorliegt, diese aufgrund einer Bitte dem Eigentümer zu bringen, oder diese vor dem nächsten Regenguss zu schützen, … liegt gerade eben kein Vorsatz in Bezug auf eine Zueignungsabsicht vor.

Aber auch am objektiven Tatbestand kann es schon mangeln. Du siehst jemand um die Ecke rennen, der sich eine Tasche von einem Tisch greift und wieder verschwindet, und denkst, dass derjenige die Tasche gerade gestohlen hat. Tatsächlich war es aber seine eigene Tasche, die der angebliche Täter vergessen hatte. Da für einen Diebstahl aber nun mal die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache vorausgesetzt wird, und es hier an dem Merkmal fremd mangelt, liegt schon objektiv kein Diebstahl vor.

Ganz vielen Dank, ich sehe jetzt viel klarer.

Wenn nun beides zusammenkommt, die Tat und der Vorsatz, dann ist es ein Straftatbestand und kommt vor Gericht oder wird „eine Strafsache“. „Strafrechtssache“? Sind das die korrekten ‚termini technici‘?

Gruß,
Eva

Jetzt musst Du aufpassen! Dieser lateinische Spruch wird AFAIR insbesondere im angelsächsischen Raum und der dortigen Rechtsordnung verwendet. Ich habe jetzt die nach deutschen Recht passende Erklärung geliefert. Das lässt sich jetzt aber nicht unbedingt alles so rein sprachlich 1:1 übersetzen. Leider habe ich meinen Creifelds (Rechtswörterbuch) gerade an eine aufstrebende Jurastudentin verliehen, und kann daher nicht konkret nachsehen.

Die klassische deutsche Prüfung des Vorsatzdeliktes sieht so aus, dass man objektiven (äußeren) Tatbestand, Vorsatz (inneren Tatbestand), Rechtswidrigkeit und Schuld prüft, wobei es bei der Rechtswidrigkeit darum geht, ggf. die Tat rechtfertigende Gründe zu berücksichtigen, und bei der Schuld schuldausschließende oder -einschränkende Dinge zu würdigen. D.h. die letzten beiden Punkte spielen nur dann eine Rolle, wenn es hierzu entsprechende Besonderheiten/Auffälligkeiten gibt. Ansonsten indiziert die vorsätzliche Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale Rechtswidrigkeit und Schuld. Dann spricht man davon, dass sich der Täter eines Deliktes „strafbar gemacht hat.“

Das ist aber nur das Spiel bis zum 1. Staatsexamen, also die Theorie des Studiums! Wenn es jetzt in die praktische Anwendung geht, dann muss man sich auch noch mit dem Grad der Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung und dem Maß des Tatverdachts auseinander setzen. D.h. im realen Leben hast Du oft gerade eben nicht die Eindeutigkeit eines geständigen oder bei der Tat von guten Zeugen unzweifelhaft erkannten Täters, sondern musst ggf. nur anhand von Indizien zusehen, dass Du als Staatsanwalt einen hinreichend Tatverdächtigen dem Gericht präsentierst, dass dann entscheidet, ob es die Anklage annimmt und zur Hauptverhandlung zulässt, oder nicht. Mit dem Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und Zulassung der Anklage wird daher aus dem „Ermittlungsverfahren“ erst das „Strafverfahren“.

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