Ich halte den eigenen (Körper- und sonstigen-)Geruch für ein
sehr intimes Thema. Nicht umsonst haben Menschen untereinander
ein großes Problem damit, darüber einfach nur zu reden.
Jawohl! Und Intimes sollte man unbedingt für sich behalten! Das ist es anscheinend, was eine Menge Leute in dieser Hinsicht nicht kapieren.
Als erstes erwarte ich mir von einem Therapeuten, dass er -
wenn er ein sehr intimes Thema ansprechen möchte - dies mit
ausreichendem Zeitrahmen angeht. Dann gibt es auch genug
andere Möglichkeiten als einen derart plumpen Hinweis gerade
nach der ersten Gruppensitzung (wie soll man da wieder frei
reingehen können?).
Wie sagt man jemand, dass er stinkt, war hier schon des öfteren Thema.
Vor allem, wie sagt man’s ihm, ohne ihn zu beleidigen bzw. zu kränken.
Und die Antworten waren meist nicht sehr befriedigend.
Das Blöde daran ist nämlich, dass dem Angesprochenen, wie ich schon in meiner ersten Zuschrift erwähnte, praktisch keine Möglichkeit bleibt, sein Gesicht zu wahren. (Noch nicht mal vor sich selbst.) Deshalb ist der direkte Weg, ohne viel Umschweife, eventuell der bessere.
Je mehr man die Sache aufbauscht, desto schlimmer kann sie werden.
Es gibt also viele angemessenere Arten auf so etwas
hinzuweisen, als einfach ein „Sie stinken“ (denn genau das,
nebst der dazugehörenden Verunsicherung, kommt beim
Gesprächspartner an), zwischen Tür und Angel mal eben
loszuwerden. Auch Nicht-Angst-Patienten dürften durch so ein
Vorgehen mehr als verunsichert werden.
Es bleibt für den Angesprochenen, wenn er die Botschaft überhaupt verstehen soll, lediglich ein „Du stinkst!“. Ich erwähnte es schon.
Das ist, ich will es mal makaber vergleichen, ähnlich einer Todesnachricht. Auch da kommt man an der unangenehmen Tatsache nicht vorbei.
Und das führt mich dann zum nächsten Punkt. Wie würdest du
reagieren, wenn dir jemand so kommt (kein Therapeut)? Fragt
euch das mal. Jeder würde wohl seine Freunde befragen, und
darauf vertrauen, dass echte Freunde auf diese direkte Frage
ehrlich antworten. Was hat man denn sonst für eine Chance?
Nun, ich würde zuerst mal mich selbst befragen. War ich eventuell nachlässig in Hygiene oder Wäschewechsel? Kann es sein, dass der vertraute Geruch meiner Kleidung anderen auf die Nerven geht?
Das
heißt, die Reaktion des Fragestellers war ganz normal. Und
hier wird das krank geredet, und ihm auch noch das Vertrauen
in die Freunde genommen (zumindest versucht).
Dass die Reaktion des Fragestellers normal war, bezweifle ich ja nicht. Nur eben, es nützt ihm nichts. Tatsache ist, dass er, wahrscheinlich auch für seine Mitpatienten, unangenehm gerochen hat. Und dass der Schluss, dass der Therapeut das nicht aus Lust oder Frust gesagt hat, zumindest nahe liegt. Auch der Therapeut dürfte sich im Dilemma befunden haben.
Warum bist du (wie viele andere hier) der Meinung ein
Therapeut dürfe sich auf Benimm-Ebene mehr herausnehmen als
jeder andere Mensch? Und dann noch erwarten, dass seine
Patienten zu Vorschuss-Vertrauen verpflichtet seien? Und wenn
der Patient dann weiterhin ehrlich und mit Vertrauen hingeht
und der Therapeut wirklich zu solchen Plumpheiten neigt?
Solche Therapeuten gibt es durchaus.
Wenn es heilsam ist, kann ich mir vorstellen, dass sich ein Therapeut da tatsächlich mehr herausnehmen darf, so wie eben jeder Arzt auch den Intimabstand seiner Patienten unterschreiten darf und muss.
Wie dem auch sei, das Vertrauen zum Therapeuten ist weg (wäre
es bei mir auch gewesen), und - egal jetzt weshalb - deswegen
kann diese Patienten/Therapeuten Kombination nicht mehr
funktionieren. Das allein - und wieder: egal weshalb - gibt
dem Fragesteller Recht genug eine andere Lösung zu suchen.
Sollte das Vertrauen zum Therapeuten nicht eher wachsen, wenn man merkt, dass dieser ehrlich ist? Leute, die mir nach der Nase reden, finde ich bei Bedarf massenhaft. Und schließlich hat er’s ihm ja nicht vor allen anderen gesagt. (Die es sicherlich auch bemerkt haben.) Dann nämlich wäre die Blamage perfekt gewesen.
Dass der Patient sich einen Therapeuten suchen darf, der ihm genau nach der Nase redet, solche gibt’s auch, bestreite ich nicht, solange es nicht auf Kosten der Allgemeinheit geschieht.
Ob es dann am Ende hilfreich ist, ist eine andere Frage. Auch unter Freunden bzw. gerade da, muss man sich manchmal Unangenehmes sagen.
Wenn’s denn helfen soll.
Gruß, Nemo.