Wenn beim Doppelspalt-Experiment eine Messung an
den beiden Spalten vorgenommen wird, so ensteht kein
Interferenzmuster mehr.
Ich habe nun gelesen, dass dies auch zutrifft, wenn
der Weg des Teilchens erst später festgestellt wird.
Was passiert nun, wenn zur Messung über dem jeweiligem Spalt jeweils eine Leuchtdiode aufleuchtet, sobald ein
Teilchen den Detektor am jeweils zugehörigen Spalt passiert hat, jedoch die Leuchtdioden kaputt sind ?
Die Detektoren sollen dabei funktionieren ! Nur die Leuchtdioden sind kaputt. Der Versuchsleiter weiß
davon nichts.
Entsteht nun ein Interferenzmuster oder die zwei Streifen ?
Anders gefragt: Muss der Versuchsleiter Kenntnis von der Messung nehmen, um einen Kollaps der Wellenfunktion zu bewirken ?
Eine Messung findet ja durch die zwei Detektoren statt. . . .
Hallo,
um Deine Frage zu beantworten, ist es wichtig zu verstehen, was eine ‚Messung‘ eines quantenmechanischen Systems denn eigentlich bedeutet. In der klassischen Physik hat diese ja meist keine Auswirkung auf das Experiment- man denkt sich die Situation einfach so idealisiert, dass der Messprozess vernachlässigt werden kann. In der Quantenmechanik ist das nicht möglich: Die ‚Quanten‘ haben immer eine Mindestgrösse proportional zur Planckschen Konstanten.
Nun, in der Quantenphysik bedeutet eine ‚Messung‘ eine Kopplung des zu untersuchenden Systems an ein ‚makroskopisches‘, ‚klassisches‘ System, z.B. eine Leuchtdiode. Wenn nun noch ein Physiker und 10 Schüler diese Leuchtdiode anschauen, dann ist das zwar ein noch etwas grösseres makroskopisches System- aber wichtig ist dieser Unterschied nicht mehr. Auch ob die Leuchtdioden nun funktionieren oder kaputt sind- wichtig ist, dass der Detektor das Photon registriert hat und selbst klassisch beschrieben werden kann.
Lass mich obige Antwort etwas verallgemeinern: In der Quantenmechanik ist jede Messung eine klassisch beschreibbare Situation: Zeiger von Messapparaturen, die ausschlagen, Festplatten mit unterschiedlicher gespeicherter Information etc. Zu Interferenzmustern kommt es, wenn das physikalische System auf zwei (oder mehrere) verschiedene Arten die identische Messung hervorruft: Photon geht durch den linken Spalt, Photon geht durch den rechten Spalt.
Falls aber gemessen wird, durch welchen Spalt das Photon geht, so sind die zwei klassischen Endzustände verschieden: Es leuchten nicht die selben Dioden. Dann gibt es für jede physikalische Situation nur noch eine Art, wie die Messung hervorgerufen wurde (wenn die linke Diode leuchtet, dann _muss_ das Photon den linken Spalt passiert haben). Eine Interferenz ist also nicht mehr möglich.
Dein Experiment ist deutungsgleich mit Schrödingers berühmten Katzenbeispiel: Solange niemand den Schirm oder die Detektorenergebnisse analysiert, ist der Ausgang des Experimentes noch nicht entschieden: Alle möglichen Ausgänge des Experimentes existieren noch überlagert und gleichzeitig.
Erst in dem Augenblick, in dem endgültig darüber entschieden wird, ob eine Beobachtung am Spalt stattfinden konnte oder nicht, bricht die Wellenfunktion zusammen.
D.h.: Schaut Dein Versuchsleiter (oder jemand anderes) auf die Aufzeichnungen Deiner Detektoren, dann wird es auf dem Schirm keine Interferenzen geben. Schaut er erst auf den Schirm, dann wird er dann und nur dann ein Interferenzmuster sehen, wenn es den Detektoren (oder jedem sonstigem Aufzeichnungssystem) unmöglich war, im Nachhinein eine Aussage treffen zu können, durch welchen Spalt Dein Teilchen gelaufen ist.
Haben die Detektoren eine Aufzeichnung vorgenommen, die eine Interpretation zuließe, aber Du vernichtest diese Aufzeichnung in einer Weise, dass ihre Zerstörung unumkehrbar ist BEVOR Du den Schirm oder die Aufzeichnung anschaust, so wirst Du wieder ein Interferenzmuster feststellen.
Ich würde sagen, dass kein Interferenzmuster entsteht, da die Photonen trotzdem durch die Leuchtdiode behindert werden, auch wenn sie kaputt sind. Aber genaueres kann ich dir dazu nicht sagen.
Haben die Detektoren eine Aufzeichnung vorgenommen, die eine
Interpretation zuließe, aber Du vernichtest diese Aufzeichnung
in einer Weise, dass ihre Zerstörung unumkehrbar ist BEVOR Du
den Schirm oder die Aufzeichnung anschaust, so wirst Du wieder
ein Interferenzmuster feststellen.
Hallo,
vielen Dank für deine schnelle und ausführliche Antwort !
Dies oben ist genau mein Problem !
Stellt man sich ein gigantisches Doppelspalt-Experiment
vor, indem zwischen dem Doppelspalt und dem Schirm die
Länge 1 Lichtjahr liegen würde, so könnte man alleine
dadurch, dass man die Aufzeichnungen während dieses Jahres vernichtet ein Interferenzmuster verhindern.
Wäre damit nicht der Ausgang dieses Experiment von der Existenz und Wahrnehmung eines Blatt Papiers (mit der Aufzeichnung) abhängig ? Was würde geschehen, wenn der
Versuchsleiter nach 11 Monaten die Aufzeichnungen wahrnimmt, aber mit ihnen nichts mehr anfangen kann (da
er z.B. sich nicht mehr an das Experiment erinnert ?
Oder wenn eine Person, dieses Blatt zufällig in die Hände bekommt, die Ergebnisse liest, mit ihnen aber nichts anfangen kann und nach 1 Jahr zufällig auf den Schirm sehen würde ?
Kann es nicht sein, dass alleine die Messung dafür verantwortlich ist, dass die Wellenfunktion kollabiert (und dies unabhängig davon ob jemand das Ergebnis vor Auftreffen des Photons auf den Leuchtschirm wahrnimmt oder nicht.) ??
vielen Dank für deine schnelle und ausführliche Antwort !
Deine Erklärung hat mein Verständnisproblem gelöst !
Wenn ich nochmal zusammenfassen darf:
Dadurch, dass man bei einer Messung immer in eine Interaktion mit dem Photon treten muss, wird ein Zusammenbruch der Wellenfunktion bewirkt. Die bewusste
Wahrnehumg des Ergebnisses der Messung ist dafür also
irrelevant.
Zum Ursprung meines Problems:
Mehrfach wurde mir in populärwissenschaftlicher Literatur, gerade in Büchern im Grenzbereich zur Pseudowissenschaft, suggeriert, dass die bewusste Wahrnehmung dabei die entscheidende Rolle spielt.
Hallo nochmal kurz,
ich wollt nur sagen: Wir Physiker haben ja keinen blassen Dunst einer Ahnung, was denn Bewusstsein sein soll. Aber irgendwie verlangen wir von der Physik, dass wir klassische Antworten auf Messfragen erhalten- ich jedenfalls habe noch nie eine Superposition von zwei Messresultaten gesehen. Die Frage, was Quantenmechanik ist, ist längst nicht gelöst, die Interpretationsdiskussion dauert an. Meine Antwort bezog sich auf die heute wissenschaftlich akzeptierte kopenhagener Interpretation, die brauchbar ist, aber viele philosophische Fragen offen lässt.
Ein Gruss,
Beat
Dein geänderter Aufbau ändert nichts am Grundprinzip: Erst in dem Augenblick, in dem jemand auf den Schirm schaut -oder durch eine sonstige Maßnahme dafür sorgt, dass die Beobachtbarkeit des (zurückliegenden) Ereignisses endgültig wird, bricht die Wellenfunktion zusammen.
-Ich gebe Dir ein noch verrückteres Beispiel: Nimm eine Anlage, welche Deine Detektorenmessungen verschlüsselt auf eine Festplatte aufzeichnet, der Raum mit dem Schirm wird dagegen versiegelt. Nach klassischer Interpretation der Quantenphysik steht damit das Ergebnis des Experimentes auf dem Schirm also noch nicht fest.
Nun wird diese Festplatte entführt (sagen wir, weil noch superwertvolle sonstige Daten zur Erleuchtung der Menschheit darauf sind) und die bösen unbekannten Entführer verlangen ein Lösegeld. Zusätzlich brüstet sich aber auch Al-Kaida in einem Bekennervideo damit, _sie_ wären stattdessen die wahren Entführer der Festplatte und hätten diese sofort und unwiederbringlich zerstört.
Welche Aussage stimmt?
Jetzt gehts Du in den seither abgeschlossenen Experimentierraum und schaust auf den Schirm: Wenn Al-Kaida die Wahrheit gesagt hat und die Festplatte sofort zerstört wurde (d.h.: ohne Auswertung und Repariermöglichkeit), dann kann nicht festgestellt werden, durch welchen Spalt das Teilchen ursprünglich ging -Du müsstest also ein Teilchenmuster sehen.
Hat Al-Kaida dagegen gelogen und die Festplatte bzw. ihre Daten existieren noch, dann zwingst Du die Wellenfunktion in dem Augenblick dazu, ein Interferenzmuster zu produzieren.