Midrasch: Besitz verpflichtet - kein Zins?

Hallo,

ich bin gerade fleißig und tue was für die Uni. Und prompt muss ich euch schon wieder mit einer Frage belästigen.

Also: Der Chef hat uns den Midrasch „Besitz verpflichtet“ zum Lesen gegeben. Und da stehen seltsame Dinge. Es geht um die Warnung, Geld gegen Zinsen zu verleihen. „Von daher sagten sie: Wer gegen Zinsen verleiht, übertritt (die Tora) in fünf Punkten: …“

Wie soll ich das verstehen? Nehmen orthodoxe Juden keine Zinsen? Wie legen sie denn dann ihr Geld an? Ohne Zinsen macht das doch keinen Spaß :frowning:

Und abgesehen davon waren ja Juden lange Zeit gezwungen, vom Geldverleih zu leben -> wie passt das denn zusammen?

Na ich lese dann mal weiter, was man tun soll und was man nicht tun soll. Vielleicht steht auch irgendwo, dass man seine Schüler nicht mit solchen Texten verwirren soll :wink: Na gut, wahrscheinlich nicht. Das steht dann in dem Teil, den wir nicht zum Lesen bekommen haben. Aber psst, sonst stellt er noch mehr ein. Sind ja erst etwa 250 Seiten …

Schöne Grüße

Petra

Hallo Petra,

Es geht um die Warnung, Geld gegen Zinsen zu verleihen.
„Von daher sagten sie: Wer gegen Zinsen verleiht, übertritt
(die Tora) in fünf Punkten: …“

Wie soll ich das verstehen? Nehmen orthodoxe Juden keine
Zinsen? Wie legen sie denn dann ihr Geld an? Ohne Zinsen macht
das doch keinen Spaß :frowning:

Das klingt durchaus vertraut aus islamischen Vorstellungen.

Aber für Moslems gibt es ja zumindest einen von 13 „skurrilen“ Investments:

http://www.focus.de/finanzen/boerse/tid-6640/13-skur…

Gruß Gernot

Hallo,

Aber für Moslems gibt es ja zumindest einen von 13 „skurrilen“
Investments:

http://www.focus.de/finanzen/boerse/tid-6640/13-skur…

Aktien auf Gefängnisse? Das ist ja total pervers. Ich kann mich gar nicht darübr freuen, wenn die Zahl der Gefangenen ständig wächst, und vor allem lege ich mein Geld nicht so an! :frowning:

Das klingt durchaus vertraut aus islamischen Vorstellungen.

Tjaja - aber in meinem Text war da nichts mit Zerobonds nach islamischem Vorbild. Es wurde ausdrücklich betont, dass auch keine Wertsteigerung erzielt werden darf, da man Geld nicht gegen Früchte und Früchte nicht gegen Geld leihen darf oder so. Weil sonst könnten ja die Früchte an Wert steigen, und dann hätte man einen Gewinn gemacht.

Irgendwie hat mich der Text an die Steuergesetzgebung erinnert. Da ist auch jedes kleine Schlupfloch abgesichert. Deswegen habe ich mich ja so gewundert darüber. Entweder habe ich da etwas ganz und gar falsch verstanden, oder orthodoxe Juden dürfen (und durften) wirklich keinen Zins nehmen.

Schöne Grüße

Petra

Hallo Petra,

Also: Der Chef hat uns den Midrasch „Besitz verpflichtet“ zum
Lesen gegeben. Und da stehen seltsame Dinge.

es ist mir gelinde gesagt völlig unverständlich, warum ihr den Midrasch lesen sollt ohne erst einmal zu lesen, was der midrasch da eigentlich kommentiert. Dann wäre vielleicht auch klar, dass es hier mitnichten um eine jüdische ‚Spezialität‘ geht. Zur ersten Orientierung wäre die Lektüre des Wikipedia-Artikels ‚Zinsverbot‘ schon mal ein guter Einstieg. Sorry - ich empfehle Wikipedia nicht sonderlich gern, aber irgendwie scheint es heute nicht mehr angesagt zu sein, sich zunächst einmal grundlegende Informationen da zu holen, wo man sie nun wirklich problemlos findet. Sei es nun bei Wiki oder in einem vernünftigen Konversationslexikon.

Einen netten Artikel zum Thema (Vortragsmanuskript) mit Quellenhinweisen kann man hier finden:
http://w210.ub.uni-tuebingen.de/dbt/volltexte/2005/1…

Freundliche Grüße,
Ralf

BS"D

Hallo Petra.

Nehmen orthodoxe Juden keine Zinsen?

Von anderen Juden nicht, selbst ein Wertverlust wird nicht ausgeglichen.

Wie legen sie denn dann ihr Geld an?

Ich habe ein Konto bei der Bank, wobei hier die Zinsen ja nicht gerade Spass machen :wink: Ansonsten hatte ich schon die üblichen Geldanlagen.

Und abgesehen davon waren ja Juden lange Zeit gezwungen, vom
Geldverleih zu leben -> wie passt das denn zusammen?

Zum einen war es nur eine sehr kleine Minderheit, der grosse Teil lebte vom Handeln und zum anderen besteht kein Problem darin, Nichtjuden wie in diesen Fällen Geld auf Zinsen zu verleihen.

Vielleicht steht auch irgendwo, dass man seine
Schüler nicht mit solchen Texten verwirren soll :wink:

Ja, das steht auch alles geschrieben, scheint hier aber keine Bedeutung zu haben. So wundere auch ich mich, dass man mit Midraschim anfängt, statt erst einmal eine solide Grundlage zu legen.

Schöne Woche,
Eli

Hallo Eli,

Nehmen orthodoxe Juden keine Zinsen?

Von anderen Juden nicht, selbst ein Wertverlust wird nicht
ausgeglichen.

Ach so. Ach wie gemein ;-(

Wie legen sie denn dann ihr Geld an?

Ich habe ein Konto bei der Bank, wobei hier die Zinsen ja
nicht gerade Spass machen :wink: Ansonsten hatte ich schon die
üblichen Geldanlagen.

Aber was machst du, wenn sich bei der Bank, auf der du dein Geld hast, jetzt ein Jude einen Kredit nimmt und dafür Zinsen zahlt? (Und davon kann man ja ausgehen wenn so eine Bank mehrere Tausend Kunden hat. Und wenn er nur mal sein Konto überzieht, dieser andere Jude.) Wäre das nicht schlimm?

Übrigens, wenn du mit deiner Bank nicht zufrieden bist, dann schau doch mal weiter unten ins Aktienforum. Da findet sich so allerhand, und ich suche derzeit auch ganz eifrig. So ein Studium muss schließlich finanziert werden -> das Geld muss schon etwas härter arbeiten als vorher :wink:

Vielleicht steht auch irgendwo, dass man seine
Schüler nicht mit solchen Texten verwirren soll :wink:

Ja, das steht auch alles geschrieben, scheint hier aber keine
Bedeutung zu haben. So wundere auch ich mich, dass man mit
Midraschim anfängt, statt erst einmal eine solide Grundlage zu
legen.

Ehrlich, das steht da auch?

Na ja, was heißt hier mit dem Midrasch „anfangen“. Das stand halt alles im Semesterapparat, und wo man anfangen sollte zu lesen stand da nicht dabei. Und da ich diesen Text sowieso schon beim Herunterladen überflogen hatte, war ich nun neugierig darauf und habe ihn ganz gelesen.

Na gut, dann werde ich mal was arbeiten. Ich glaube das wird eine ganz lausige Woche werden, aber trotzdem danke für die netten Wünsche. Vielleicht hilft’s ja was :frowning:

Schöne Grüße

Petra

Sorry - ich empfehle Wikipedia nicht sonderlich gern, aber
irgendwie scheint es heute nicht mehr angesagt zu sein, sich
zunächst einmal grundlegende Informationen da zu holen, wo man
sie nun wirklich problemlos findet. Sei es nun bei Wiki oder
in einem vernünftigen Konversationslexikon.

Die Zeiten ändern sich und manche von uns ändern sich mit ihnen.

Ganz abgesehen habe ich kein gedrucktes Lexikon. Das nimmt nur Platz weg und ist ja schon veraltet wenn es verkauft wird. Vielleicht kaufe ich mir mal eins auf CD, aber ich finde es gar nicht so schlecht, Fragen zu stellen. Meistens erfährt man dabei sehr viel mehr als das, was man eigentlich wissen wollte.

Schöne Grüße

Petra

Hallo,

was nun kommt, ist etwas graue Historie.
Es ist ja so, daß das ganze Kereditgeschäft im Mittelalter anders lief als heute.
Bauern und einfache Leute bekamen da ja gar keinen Kredit - schon magels Sicherheiten. Und die großen geschäfte liefen ja forlgendermaßen:
Ein Adliger oder Landesherr, der Kredit benötigte, der überschrieb dafür für die Dauer des Kredites dem Kreditgeber irgendein teil seines Eigentumes zur Nutzung. Das konnte eine Silbermine sein, die Einnahmen eines Dorfes oder auch ein Stück Wald.
Damit war aber von Zinsen keine Rede mehr - im Gegenteil. Sofern der Herr zu geld bekam, bezahlte er seinen Kredit und Schluß. Was der Kreditgeber in der Zwischenzeit aus der übertragenen Sache herausholte - das war ja sein Problem und hatte mit dem eigentlichen geschäft nichts zu tun. Wirtschaftete er gut, dann war die Sche höchst profitabel. Nur war das dann ein Erfolg seiner eigenen Tüchtigkeit und kein Zinsgewinn auf der Grundlage des Kredites.

Ich nehme an, daß das Ganze eigentlich nichts anderes war als der versuch, das Zinsverbot zu umgehen (bei solchen Dingen war die Menschheit ja schon immer sehr einfallsreich).

Gernot Geyer

Hallo Gernot,

was nun kommt, ist etwas graue Historie.

Wieso, das war doch interessant.

Es ist ja so, daß das ganze Kereditgeschäft im Mittelalter
anders lief als heute.
Bauern und einfache Leute bekamen da ja gar keinen Kredit -
schon magels Sicherheiten.

Bist du da sicher? Ich habe bisher immer geglaubt, dass gerade die „einfachen Leute“ zu einem Geldverleiher gegangen sind, der dann horrende Zinsen verlangte (50% pro Tag oder so). Habe ich mal vor langer Zeit gehört, vielleicht stimmt es auch gar nciht.

Damit war aber von Zinsen keine Rede mehr - im Gegenteil.
Sofern der Herr zu geld bekam, bezahlte er seinen Kredit und
Schluß. Was der Kreditgeber in der Zwischenzeit aus der
übertragenen Sache herausholte - das war ja sein Problem und
hatte mit dem eigentlichen geschäft nichts zu tun.

Hm, grübel - ja und wenn der Kreditgeber den Wald in der Zwischenzeit einfach platt gemacht hat, also alles abgeholzt hat? Warte, lass mich raten: Genau so war’s?

Ich nehme an, daß das Ganze eigentlich nichts anderes war als
der versuch, das Zinsverbot zu umgehen (bei solchen Dingen war
die Menschheit ja schon immer sehr einfallsreich).

Ja, stimmt, das Zinsverbot gab es ja auch für Christen. Wir haben damals in der Schule gelernt, dass deshalb die Juden zu Geldverleihern wurden, weil sie nichts anderes arbeiten durften (Zunftverbot, Verbot Land zu besitzen) und weil für sie das Zinsverbot nicht galt.

Beschwerde! Da hat man mir ja was ganz falsches beigebracht. :frowning: Das hat ja gar nicht gestimmt.

Schöne Grüße

Petra

Hallo,

ich denke, man muß das im Sinne der historischen Entwicklung sehen.
Bauern und Einwohner auf dem Lande waren ja über lange zeit Leibeigene und nicht mal Eigentümer ihres eigenen Bodens - die hatten bei Geldverleihern jeder Art echt schlecht Karten.
Mit den Stadtbürgern und Handwerkern sah das etwas anders aus - aber das entwickelte sich ja erst im Laufe der Zeit. Auch im Hochmittelalter mit den ganzen vielen kleinen Städtchen war der Großteil der menschen noch in der Landwirtschaft tätig.

Natürlich durften Juden kein Eigentum an Grund und Boden haben. Aber sie durften es unter Umständen besitzen - Besitz und Eigentum sind ja verschiedene Paar Schuhe.
Nimm den im vorherigen Beitrag erwähnten Fall mit der Silbermine: Die gehörte natürlich immer noch dem Landesherren - er hatte gegen das geliehene Geld ja nur das Recht der Nutzung verpfändet. Und da gab es im Mittelalter mit seinen vielen verschiedenen Abgaben viele Möglichkeiten. Ein Grundherr, der den Brückenzoll für eine Brücke kassierte, die auf seinem Land einen Fluß überquerte konnte z.B,. die Zolleinnahmen abtreten, ein anderer die Abgaben eines ganzen Dorfes oder so.

Irgendwann allerdings muß sich das mit dem Zinsverbot zumindest bei den Juden dann doch gelockert haben - da traten sie dann echt als Geldverleiher gegen Zins auf. Aber irgendwann hat sich das ja schließlich auch bei den Christen gelockert - ich habe erlebt, das katholische Pafarrer Bankgebäude segnen und es gibt sogar im Verbund der Volks- und Raiffeisenbanken eine „Evangelische Kreditgenossenschaft“. Und nicht zuletzt ist ausgrechnet der Vatkan das einzige Land der Erde, in dem das ausgebenen Geld von Vornherein zu einem höheren Wert verkauft wird, als draufsteht auf den Münzen. Echt - die geben ihre Euromünzen gleich mit Aufschlag ab. Irgendwann muß Gott da anscheinend seine Meinung geändert haben …

Gernot Geyer

Hallo Gernot,

Irgendwann muß Gott da anscheinend seine Meinung geändert haben …

Nicht Gott, nur der Papst

Gruß
Monika

BS"D

Hallo Petra.

Aber was machst du, wenn sich bei der Bank, auf der du dein
Geld hast, jetzt ein Jude einen Kredit nimmt und dafür Zinsen
zahlt? […] Wäre das nicht schlimm?

Nein, weil es hier alleine um ein Geschäft zwischen zwei Juden geht. So fällt eine Bank in jeder Form, selbst wenn sie in jüdischem Besitz ist, nicht unter das Verbot.

Ehrlich, das steht da auch?

Ja, es fällt sogar unter Umständen unter das Verbot, einem Blinden nichts in den Weg zu legen.