Hallo,
Ich suche Literatur, die sich mit dem Mietwesen in der Antike befasst. Speziell mit dem der Stadt Rom.
Danke + Gruss
Mäni
Hallo,
Ich suche Literatur, die sich mit dem Mietwesen in der Antike befasst. Speziell mit dem der Stadt Rom.
Danke + Gruss
Mäni
Hallo Mäni!
"GEO EPOCHE° Nr 5/2001
Das römische Imperium.
Gruß Werner
Gott vergebe mir meine Eitelkeit
Ich suche Literatur, die sich mit dem Mietwesen in der Antike befasst. Speziell mit dem der Stadt Rom.
Es folgt der Text eines längeren Beitrags, den ich im Jahre 1995 zusammen mit meiner (damaligen) Frau für eine Mieterzeitschrift schrieb, Gott vergebe mir meine Eitelkeit. Der Artikel ging weiter mit Mittelalter, Gründerzeit etc. bis heute.
Wohnungsprobleme von der Antike bis ins 20. Jahrhundert
Von Jens Lorek/Grit Schneider
Teil 1: Rom
Das Wohnungsproblem, d.h. der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, tritt zum ersten Mal im antiken Rom zur Zeit der späten Republik auf. Ob es in den griechischen Staaten oder in noch früheren Kulturen bereits ein Wohnungsproblem gab, ist unsicher. Das Wohnungsproblem ist immer ein Problem der Städte, und die antike Kultur war eine Stadtkultur - also könnte es durchaus sein, daß z.B. in Athen Wohnungsmangel bestanden hat, und einige Quellenaussagen (z.B. Thukydides, Peloponnesischer Krieg) deuten darauf hin. Es bleibt aber alles zu vage, um Ursachen, Verlauf und Lösung des Problems zu verfolgen.
Im frühen Rom herrschte der Gebäudetyp des domus (Privathauses) vor: Ebenerdige, weiträumige Häuser mit Garten, in denen eine Familie wohnte. In späterer Zeit war der Besitz eines domus Zeichen der Wohlhabenheit. Eine Zählung zur Zeit des Kaisers Augustus ergab, daß in Rom 1.790 domus standen. Das Rom des letzten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung hatte rund eine Million Einwohner, zu Kaiser Augustus Zeiten werden es noch etwas mehr Menschen gewesen sein. Selbst wenn man über 20 Personen pro Familie annimmt, können höchstens fünf Prozent der Römer in Privathäusern gewohnt haben. Die übrigen wohnten zur Miete.
Die Privathäuser waren ihrer Bauweise wegen nicht zur Vermietung geeignet. Alle Räume kommunizierten miteinander und bildeten eine Einheit. Als in der späten Republik besitzlose Bürger nach Rom strömten, teils auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten, teils angelockt von „Sozialleistungen“ (unentgeltliche Verteilung von Getreide), da brach in Rom das Wohnungsproblem aus.
Zunächst vermieteten die Eigentümer der domus die Nebengelasse dieser Häuser zu immensen Preisen. Später wurden spezielle mehrstöckige Mietshäuser gebaut, die insulae (Mietskasernen). Diese hatten recht gute Erdgeschosse, die in ihrem Wohnwert den domus nicht viel nachstanden. Die zweite Etage war minderwertig, und die Obergeschosse glichen Löchern.
Die insulae waren vor allem durch Brände und durch Einstürze bedroht. Die Römer verstanden es zwar, sehr dauerhafte Gebäude zu errichten, aber aus Rentabilitätsgründen waren die insulae nachlässig gebaut. Römische Schriftsteller sprechen von avaritia (Habsucht, kriminelle Sparsamkeit). Ein Hausbesitzer mußte damit rechnen, sein Gebäude binnen weniger Jahre durch Feuer oder Zusammensturz zu verlieren, und dementsprechend die Miete kalkulieren. Versuchen wir einmal, eine solche Kalkulation nachzuvollziehen.
Das Zinsniveau im alten Rom war sehr hoch. In den Zwölftafelgesetzen, d.h. zur Zeit der frühen Republik, betrug der höchstzulässige Zinssatz „ein Zwölftel“, wobei unklar ist, ob das Zwölftel „pro Jahr“ oder „pro Monat“ gemeint war. Da in späterer Zeit die Zinsen pro Monat berechnet wurden, dürfte wohl ein Zwölftel pro Monat gemeint sein. Das Jahr hatte zur Zeit der Zwölftafelgesetze zehn Monate. Der höchstzulässige Zinssatz betrug also (modern ausgedrückt) 83,33 %.
In der späten Republik war „ein Hundertstel“ der übliche Zinssatz, d.h. bei einem inzwischen zwölfmonatigen Jahr 12 % - ein geradezu „moderner“ Zinssatz. Außerdem hören wir von „hälftigen Zinsen“, also 6 %, die gute Freunde sich gegenseitig gewährten. Dieser Zinssatz erinnert stark an die moderne Verzinsung von „Fördermitteln“.
Der Besitzer einer insula mußte etwa so rechnen: 12 % Zinsen erhalte ich, wenn ich mein Geld verleihe. Darlehengeben ist fast risikolos. Gehe ich das Risiko ein, ein Haus zu bauen, mir Ärger mit den Mietern zu verschaffen, die vielleicht nicht zahlen können usw. usf., dann möchte ich gern noch ein wenig besser kommen als bei bloßer „Geldanlage“, sagen wir: 15 %. Außerdem wird mir das Haus binnen der nächsten zehn Jahre entweder abbrennen oder einstürzen. Es muß folglich pro Jahr 10 % des investierten Geldes zusätzlich zum Zins erbringen. Der Mietzins des Hauses beträgt also: 15 % Kapitalverzinsung und 10 % Kapitalrückfluß, zusammen 25 % des eingesetzten Kapitals pro Jahr. Arbeitete der Hausbesitzer mit fremdem Geld, so wird er gewiß versucht haben, aus seinem Geschäft wenigstens „hälftige Zinsen“ zu ziehen. Die Miete in einer aus „Fremdkapital“ erbauten insula war also noch höher, in unserem Beispiel 28 % des investierten Geldes. Kein Wunder, daß die Hausbesitzer überall zu sparen suchten und Wuchermieten verlangen mußten.
Mehrmals griffen die Kaiser ein und verfügten Mietobergrenzen, verordneten Zinssenkungen (zur Zeit des Historikers Tacitus wurde kurzzeitig der hälftige Zins als Höchstzins festgelegt), oder die Kaiser verboten das Zinsnehmen ganz. Eine kaiserliche Feuerwehr wurde aufgestellt. Bauordnungen wurden erlassen, die Höhe der insulae wurde auf sieben Stockwerke begrenzt, es gab Bestimmungen über das zu verwendende Baumaterial. Seitdem die insulae unter Beachtung dieser Mindestvorschriften gebaut wurden, war das Wohnungsproblem in Rom entspannt, aber noch lange nicht gelöst. Wenn die Häuser (um bei unserem obigen Rechenbeispiel zu bleiben) statt zehn Jahren jetzt dreißig Jahre hielten, sank die jährliche Amortisation von 10 % auf 3,33 %. Damit betrug die Jahresmiete zwar immer noch 18,33 % des investierten Eigenkapitals bzw. 21,33 % des investierten Fremdkapitals, aber es war wenigstens eine Erleichterung eingetreten. Ob die Zinseinschränkungen jemals griffen, läßt sich schwer einschätzen. In der Praxis wurde das Zinsverbot auf raffinierte Weise umgangen, z.B. durch Verkauf einer Sache mit der Verpflichtung zum späteren Rückkauf zu einem höheren Preis.
Trotz allem muß es weiterhin zu Hauseinstürzen gekommen sein. Bis in das Bürgerliche Gesetzbuch haben sich Bestimmungen aus dem römischen Recht über die Haftung bei Gebäudeeinsturz gehalten (§ 836 BGB). Die römischen Juristen befaßten sich ausführlich mit der Frage, was zu geschehen hat, wenn aus den Fenstern einer Mietskaserne etwas geworfen oder gegossen worden ist und dadurch jemand beschmutzt oder verletzt worden ist (res eiectis vel effusis). Diese juristischen Themen deuten auf nach wie vor traurige Zustände hin.
Die Römer haben die Grundzüge des heutigen Mietrechts entwickelt. Das Mietverhältnis verpflichtete den Vermieter, dem Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache zu überlassen. Der Mieter hatte dem Vermieter den vereinbarten Mietzins zu zahlen. Ob dieser Mietzins nach Ende des Mietverhältnisses oder im Voraus zu zahlen war, läßt sich nicht sicher feststellen. Man kannte befristete Mietverhältnisse, die vor Ablauf der Frist nur bei vertragswidrigem Verhalten des Mieters gekündigt werden konnten, sowie unbefristete Mietverhältnisse, deren fristlose Kündigung jederzeit möglich war. Verkaufte der Eigentümer das vermietet Haus, so konnte der neue Eigentümer den Mieter auf die Straße setzen, selbst wenn es sich um einen befristeten Mietvertrag handelte („Kauf bricht Miete“), aber der Mieter hatte gegen den früheren Eigentümer einen Schadenersatzanspruch.
Gab es zur Zeit Roms einen endgültigen Ausweg aus dem Wohnungsproblem? Die Errichtung zahlreicher gut gebauter Mietshäuser hatte nur eine relative Lösung gebracht. Die Miete blieb wegen der enormen Zinsen weiterhin hoch. Was konnte noch getan werden? Der römische Satiriker Juvenal spottet (Satiren III, 323 ff.), man könne mit der Jahresmiete, die man in Rom für ein finsteres Loch zahle, auf dem Lande ein prächtiges Haus erwerben. Das ist gewiß eine maßlose Übertreibung; aber niemand hätte über Juvenals Satire lachen können, wenn der hier so übertriebene Gedanke nicht schon in der römischen Gesellschaft verbreitet gewesen wäre; ein Gedanke nämlich, der heutzutage viel propagiert wird: Der Mieter könne, statt zu mieten, mit dem Mietgeld Wohneigentum anschaffen.
Stellen wir uns einmal vor, Juvenal hätte nicht übertrieben, und der römische Tagelöhner wäre in der Lage gewesen, sich ein Haus auf dem Lande zu kaufen. Denken wir dann einen Schritt weiter: Wovon hätte der Tagelöhner das Haus unterhalten, es reparieren, die auf dem Hause liegenden öffentlichen Lasten (Steuern, Leistungen an vorbeiziehende Heere) tragen sollen? Hätte der Tagelöhner tägliche Wanderungen von 20 oder 30 Kilometern von seinem Haus nach Rom und wieder zurück unternehmen sollen? Was wäre aus dem Hause geworden, wenn der Tagelöhner seine Arbeit in Rom verloren hätte und gezwungen gewesen wäre, sagen wir, nach Capua zu gehen? Auch heute wird bei der „Privatisierung von Wohnungen“ immer nur betont, man könne Eigentum erwerben. Das mag heute im Gegensatz zum römischen Tagelöhner vielen Menschen möglich sein - aber können diese ihren neuen Wohnraum auch unterhalten? Folgerichtig hört man aus Rom über verwirklichtes Wohneigentum der Mittelschicht nur Legendarisches, z.B. in der „Römischen Geschichte“ des Titus Livius: Bereits in der Frühzeit Roms hätten die Plebejer beschlossen, weil es innerhalb der Stadtmauern an Boden mangelte, mehrstöckige Häuser für sich zu bauen. Dazu seien Bauaufsichtsbeamte bestellt worden, woraus sich der magistratische Rang des Aedilen entwickelt hätte. Ob das wahr ist, läßt sich nicht prüfen.
Man sieht: Ein großer Teil des heutigen wohnungspolitischen Instrumentariums, nämlich Baupolizei, Begrenzung der Mieten durch Zwangsgesetze und Propaganda für Wohneigentum, war im Alten Rom schon vorhanden, und diese Instrumente waren genauso wirksam oder unwirksam wie heute. Eine relative Lösung des Wohnungsproblems brachte nur der Bau von Mietshäusern.
Ich gebe auch mal meinen Senf dazu. Drei Hinweise, aber nur richtige Bücher:
Karl-Wilhelm Weeber:Smog Über Attika (ein Kapitel über Umweltprobleme im kaiserzeitlichen Rom mit einigem über die Wohnsituation)
Géza Alföldy:Römische Sozialgeschichte
Hans Dieter Stöver:smiley:rei Tage in Rom Das ist ein sehr kompetentes Kinderbuch. Gut gemacht.
Carsten
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