Milchbauern

hallo,

ich weiß nicht ob die Frage hier so gut hinpasst, aber ich wüsste nicht wo ich sie sonst reinschreiben soll.

Also:
Wenn ich Milch aus dem Biogeschäft für ca. 1,20 Euro kaufe, bekommen dann die Milchbauern faires Geld? Oder kann ich auch die Biomilch aus dem Discounter kaufen, weil das für die Bauern eh keinen Unterschied macht?
Wo kann ich Milch erwerben, für das die Bauern genügent Geld bekommen haben? Ich habe keine Möglichkeit direkt zum Bauern zu gehen, gibt es in der Großstadt leider nicht.

Vielen Dank,

Servus,

wieviel Geld ist „genügend“?

Die Tatsache, dass ein Landwirt Milch zu einem Preis x liefert, heißt erstmal, dass der Preis genügend dafür ist, dass er liefert und nicht die Kühe abschafft und den Bettel hinschmeißt.

Ein Preis, der in diesem Sinn kurzfristig „genügend“ ist, deckt die variablen Kosten und bringt darüber hinaus irgendeinen Deckungsbeitrag größer Null. Ob dieser Deckungsbeitrag ausreicht, um (a) überhaupt Gewinn zu erwirtschaften und (b) einen Gewinn zu erwirtschaften, der zum Leben reicht, ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Die Betriebe, die von ihrer Größe und Struktur auch für 20 Ct/L und weniger noch rentabel produzieren können, sind in Mecklenburg-Vorpommern sicherlich häufiger als z.B. in Baden-Württemberg.

Wenn „Bio“ auf der Packung steht, dann ist dabei nur eine Aussage darüber enthalten, wie die Milch produziert worden ist und keinesfalls eine Aussage darüber, welchen Preis die Landwirte ausgezahlt bekommen haben. Er wird mit einiger Wahrscheinlichkeit etwas höher liegen als der ab-Hof-Preis für konventionell erzeugte Milch. Gleichzeitig dürfen in so gut wie allen „Bio“-Betrieben auch die variablen und semivariablen Kosten für die Produktion deutlich höher liegen als bei konventionellen Betrieben - ein höherer Erzeugerpreis muss keineswegs mit einem höheren Deckungsbeitrag verbunden sein.

Mir ist keine Molkerei in D bekannt, die dem Endverbraucher garantiert, dass sie am Markt vorbei einkauft.

Schöne Grüße

MM

Hallo MM,

danke für deine Antwort. Ist es nicht so, dass die Milchbauern mindestens 30 Cent por Liter vordern?
Wo geht das Geld dann hin, wenn ich für meine Milch 1,20 Euro bezahle? Wer macht da so viel Gewinn?
Mir ist schon klar, dass Bio nicht „Fair Trade“ bedeutet. Nur habe ich eben die Hoffnung, dass Biobauern noch etwas mehr für die Milch bekommen als normale Milchbauern.

Gruß

Hi,

das liest sich so, als ob die Milchbauern grad aus Spaß streiken… oder is das ne ähnliche Mafia wie Pharmaindustrie / Ärzte / Investmentbanker / Anlageberater / …

Oder verstehe ich irgendwas ganz falsch?

Eine ähnliche Frage wie Annna habe ich mir nämllich auch schon gestellt, hier in Bayern.

Die Franzi

Servus,

danke für deine Antwort. Ist es nicht so, dass die Milchbauern
mindestens 30 Cent pro Liter vordern?

Ja, und letztes Jahr um diese Zeit 40 Cent pro Liter. Das sind Preise, zu denen ein kleiner Familienbetrieb mit vielleicht achtzig Kühen im süddeutschen Mittelgebirge sich grade mal eben am Markt halten kann, ohne die Abschreibungen zu verfrühstücken; wobei die 30 Cent von diesem Jahr schon für einen guten Teil der heute noch am Markt befindlichen Milchproduzenten nicht auf Dauer reichen würden.

Ein hafennaher Betrieb mit arrondierten Flächen und fünfhundert Kühen macht zu diesem Preis schon recht komfortable Gewinne.

Als ich 1981 in der Lehre war, wurden - u.a. dank der damals betriebenen Interventionspolitik der EG - wenn ich mich recht entsinne, siebzig bis achtzig Pfennig pro Liter ausgezahlt. Damals galt als Untergrenze für einen entwicklungsfähigen Betrieb ein Bestand von dreißig Milchkühen, wenn auch andere Nutzungen betrieben wurden, und etwa sechzig Milchkühen, wenn nur Milchwirtschaft betrieben wird. Heute braucht man unter hundert Kühen nicht mehr anfangen wollen, und wenigstens ein Drittel der damaligen Milchviehhalter hat sich vom Markt verabschiedet. Von den Fünfkuhbauern, von denen ich noch einzelne gekannt habe, redet heute niemand mehr. Sie müssten, um heute von der Milchviehhaltung leben zu können, vermutlich über einen Euro pro Liter ab Hof bekommen: Wäre das jetzt „genügend“ Geld, und für wen?

Die Milchproduktion gibt niemand gerne auf, zumal in den Regionen, in denen Milchviehhaltung betrieben wird, häufig kein besonders freundlicher Arbeitsmarkt da ist, und es eben auch persönlich sehr weh tut, wenn man nach irgendwievielen Generationen Bauern das Handtuch werfen und irgendeinem andren Brotwerwerb nachgehen muss. Die Nischen für Mutterkuhhaltung, Pensionspferdehaltung etc. sind weitgehend ausgereizt. Und wenn die Verschuldung eines Landwirts mehr ausmacht, als die Erlöse aus der Aufgabe des Betriebes bringen würden, wird er dazu neigen, um jeden Preis mitzurennen, solang es eben irgendwie geht, und dann, wenn es nicht mehr geht, überhaupt keine Möglichkeit mehr haben, die Betriebsaufgabe und Suche nach neuen Erwerbsquellen irgendwie abzupuffern.

Aber: Wo sind die Sattlermeister, die Hutmachermeister, die Schneider, die Schuster, die Glaser, die Möbelschreiner, die Maurermeister, die Steinmetzen, die Schlosser etc. etc. alle geblieben, die in den gleichen vierzig Jahren ihre Betriebe aufgeben mussten?

Wo geht das Geld dann hin, wenn ich für meine Milch 1,20 Euro
bezahle? Wer macht da so viel Gewinn?

Da sind keine besonders hohen Gewinne dran. Ich recherchiere jetzt nicht die Kosten im Einzelnen, die anfallen für:

  • Einsammeln der Milch (temperaturgeführte Transporte, Sonntags- und Feiertagseinsätze) über teilweise weite Entfernungen in relativ kleinen Mengen (10-20.000 L)
  • Pasteurisieren bzw. Hocherhitzen, Rahmhomogenisieren, Abpacken; alles unter hygienisch ziemlich anspruchsvollen Bedingungen - in den Anlagen dafür steckt richtiges Großgeld
  • Lieferkette bis zur einzelnen Filiale, temperaturgeführt auch heute noch, trotz hoch erhitzter Trinkmilch
  • Bestand kontrollieren und Planen, Einräumen, Kassieren
  • Last not least die Mengen an Milch, die in den Gulli (bzw. in die Entsorgung) gehen, weil eben niemand genau weiß, wie viel Milch Du in den kommenden fünf Tagen kaufen wirst

Nur habe ich eben die Hoffnung, dass Biobauern noch etwas mehr für
die Milch bekommen als normale Milchbauern.

In der Tat, das tun sie. Und die Kosten, zu denen sie produzieren, sind in der Regel auch viel höher als bei konventioneller Milchviehhaltung.

So dass sich kaum eine Aussage machen lässt, ob sie mit den höheren Preisen besser leben können oder nicht. Zumal es in „Bio“ genauso wie in der konventionellen Produktion eine sehr weite Spanne gibt, zu welchen Kosten ein Milchviehbetrieb produziert.

Marktwirtschaft ist hie und da eine grausame Veranstaltung - möglicherweise hast Du diese Erfahrung auch schon auf dem Arbeitsmarkt gemacht. Umso härter trifft der Strukturwandel diejenigen Landwirte, die in unterschiedlichem Grad über hundert Jahre lang (Stichwort: Caprivi) vom Markt mehr oder weniger geschützt abgeschottet waren. Mit der Anpassung an den Markt tun sich die ihrer Kollegen leichter, deren Produktion weniger vor dem Marktgeschehen geschützt war: Wein, Gemüse, Obst, Hopfen, auch „flächenunabhängige“ Veredlung im Bereich Geflügel und Schwein.

Schöne Grüße

MM

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Servus,

aus Spaß geh ich auch nicht für 36 k€ arbeiten. Aber der Markt gibt halt nicht mehr her.

Was sollte denn mit den Unmengen Milch geschehen, die bei Erzeugerpreisen von 40 Cent/L auf den Markt geschwommen kämen? Sollte man Freibäder damit füllen, künstliche Flüsse und Seen damit anlegen?

Schöne Grüße

MM

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aus Spaß geh ich auch nicht für 36 k€ arbeiten. Aber der Markt
gibt halt nicht mehr her.

Hallo, Martin,
schon klar, das Problem dabei ist halt, dass dieser Preisverfall nur noch von industrieller Produktion wenigstens einigermaßen überstanden werden kann. Der Bauer mit 40 - 50 Milchkühen hat keinerlei Chance da noch mitzuhalten und hat nur noch die Option entweder den Betrieb komplett umzustellen (auf was?) oder aufzugeben und zu verpachten (wenn einer das Land überhaupt will).

Gruß
Eckard

Servus Eckard,

die Option entweder den Betrieb komplett umzustellen

ist von den ersten, teilweise Belächelten, in den 1980ern ausgeübt worden, mit vielen Irrwegen und einigen Erfolgen: Grünland bleibt Grünland, da kann man keinen Trittinschen Diesel-Raps oder sowas machen. Aber man kann z.B. Mutterkuhhaltung mit Weidemast der Kälber treiben - wer rechtzeitig die Nase im richtigen Wind hatte, als noch als Nonplusultra galt, Bullen aufzustellen und bewegungsarm (Bewegung kostet Tageszunahme!) möglichst schnell möglichst dick aufzublasen, auch wenn das Steak nachher nach Tofu oder Fisch schmeckt, ist heute nicht so schlecht dran.

Man kann Damwild auf die Weide lassen, auch Cameele (im Schwarzwald!), Zebus (im Vogelsberg), Straußen (in Mainz-Gonsenheim) usw. - unter den zitierten sind auch Irrwege, freilich. Man kann auch (in Mittelgebirgen) das Grünland mit viel geringerem Aufwand bewirtschaften und Ziegenmilchwirtschaft treiben (gibts in D kaum, weil dazu außerhalb der Region Altenburg auch eigene Käserei gehört), Schafe mästen - wer rechtzeitig gerochen hat, dass es eine „deukische“ Generation geben würde, die von der Türkei nicht mehr viel wissen will außer einigen Identitäts-Abstrakta wie den eigenhändig angestochenen Hammel zum Aid ul Hada, ist damit auch nicht so schlecht gestellt.

zu verpachten (wenn einer das Land überhaupt will).

ist eine mögliche Alternative, die allerdings nicht so prickelnd ist, wenn ein Betrieb, der schon für eine produktive Existenz eigentlich zu klein war, verpachtet wird. Gewollt wird Grünland unverändert, es ist halt eine Frage des Preises: Sehr viele auf Qualität ausgerichtete Produktionsverfahren brauchen einen relativ geringen Einsatz an Maschinen und anderen Produktionsmitteln (Dünger, Pflanzenschutz etc.), aber viel Fläche. Es ist ganz interessant, wie immerhin drei der Nachbarn (Österreich, Schweiz, Frankreich) mit der mehr oder weniger angegangenen Liberalisierung des Milchmarktes grosso modo besser zurecht kommen als grad die deutschen Bauern: In Österreich und der CH gab/gibt es in den letzten fünfzig Jahren zwar auch intensive staatliche Eingriffe im Agrarsektor, aber in diesen beiden Ländern funktionierten die Subventionen nicht über Interventionskäufe, sondern als Direktzahlungen: Der Bauer wird dafür bezahlt, dass er Bauer bzw. Bergbauer ist, und nicht dafür, dass er dafür sorgt, dass seine Kühe sechs- oder siebentausend Liter Milch im Jahr geben. Der Anschluss A’s an die EU kam grad in der Zeit, als in der EU das Umdenken in Richtung Direktzahlungen angefangen hatte. In F ist seit je (wobei „je“ mit Nachnamen vermutlich Bonaparte heißt) die Mobilität von landwirtschaftlichen Nutzflächen viel größer als in D, der Bauer ist nicht so sehr clebae adstrictus wie in D, und es gibt von Generation zu Generation viele Ein- und Aussteiger in der Landwirtschaft. Die Anpassung der Betriebsgrößen an die technische Entwicklung geht dort viel leichter, und die Anpassung der eingesetzten Technik an die Marktbedingungen auch. Und damit einhergehend gibts auch einen regen Pachtmarkt.

Klar, „Wachsen oder Weichen“ geht nicht mehr so leicht, wenn man alternativ nicht mehr nach Bebra in die Plastikfabrik oder nach Kaiserslautern in die Armaturengießerei oder zum Pfaff oder zum Opel oder nach Friedrichshafen in die Zacke oder zum Maybach kann, weil die halt abgebaut und/oder nach ChinaBulgarienIndonesien verlegt sind.

Aber da gehts doch niemandem anders: Die Verteilung der noch vorhandenen Arbeit ist nicht nur für die Bauern ein Problem. Sicher ist das marktwirtschaftliche Credo „Kuck, wo Du bleibst“ für die nicht wenigen, die als Verlierer das Schlachtfeld des Marktes verlassen, pure Zynik. Aber warum sollten Bauern auf diesem Schlachtfeld im Vergleich zu Möbelschreinern, Hutmachern und Schneidern mit mehr Rücksicht behandelt werden?

Schöne Grüße

MM

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Hallo,

Wo kann ich Milch erwerben, für das die Bauern genügent Geld
bekommen haben?

Es wäre interessant zu wissen, ob das wirklich fair abläuft:
http://www.bayerische-bauernmilch.de/

Grüße von
Tinchen

Hi,

die Antwort hier für Eckard hat mir wesentlich mehr geholfen als die direkt auf menen Beitrag. Sehr viel für mich neues, das jetzt erstmal Verdauung verlangt.

dIe Franzi