Servus,
danke für deine Antwort. Ist es nicht so, dass die Milchbauern
mindestens 30 Cent pro Liter vordern?
Ja, und letztes Jahr um diese Zeit 40 Cent pro Liter. Das sind Preise, zu denen ein kleiner Familienbetrieb mit vielleicht achtzig Kühen im süddeutschen Mittelgebirge sich grade mal eben am Markt halten kann, ohne die Abschreibungen zu verfrühstücken; wobei die 30 Cent von diesem Jahr schon für einen guten Teil der heute noch am Markt befindlichen Milchproduzenten nicht auf Dauer reichen würden.
Ein hafennaher Betrieb mit arrondierten Flächen und fünfhundert Kühen macht zu diesem Preis schon recht komfortable Gewinne.
Als ich 1981 in der Lehre war, wurden - u.a. dank der damals betriebenen Interventionspolitik der EG - wenn ich mich recht entsinne, siebzig bis achtzig Pfennig pro Liter ausgezahlt. Damals galt als Untergrenze für einen entwicklungsfähigen Betrieb ein Bestand von dreißig Milchkühen, wenn auch andere Nutzungen betrieben wurden, und etwa sechzig Milchkühen, wenn nur Milchwirtschaft betrieben wird. Heute braucht man unter hundert Kühen nicht mehr anfangen wollen, und wenigstens ein Drittel der damaligen Milchviehhalter hat sich vom Markt verabschiedet. Von den Fünfkuhbauern, von denen ich noch einzelne gekannt habe, redet heute niemand mehr. Sie müssten, um heute von der Milchviehhaltung leben zu können, vermutlich über einen Euro pro Liter ab Hof bekommen: Wäre das jetzt „genügend“ Geld, und für wen?
Die Milchproduktion gibt niemand gerne auf, zumal in den Regionen, in denen Milchviehhaltung betrieben wird, häufig kein besonders freundlicher Arbeitsmarkt da ist, und es eben auch persönlich sehr weh tut, wenn man nach irgendwievielen Generationen Bauern das Handtuch werfen und irgendeinem andren Brotwerwerb nachgehen muss. Die Nischen für Mutterkuhhaltung, Pensionspferdehaltung etc. sind weitgehend ausgereizt. Und wenn die Verschuldung eines Landwirts mehr ausmacht, als die Erlöse aus der Aufgabe des Betriebes bringen würden, wird er dazu neigen, um jeden Preis mitzurennen, solang es eben irgendwie geht, und dann, wenn es nicht mehr geht, überhaupt keine Möglichkeit mehr haben, die Betriebsaufgabe und Suche nach neuen Erwerbsquellen irgendwie abzupuffern.
Aber: Wo sind die Sattlermeister, die Hutmachermeister, die Schneider, die Schuster, die Glaser, die Möbelschreiner, die Maurermeister, die Steinmetzen, die Schlosser etc. etc. alle geblieben, die in den gleichen vierzig Jahren ihre Betriebe aufgeben mussten?
Wo geht das Geld dann hin, wenn ich für meine Milch 1,20 Euro
bezahle? Wer macht da so viel Gewinn?
Da sind keine besonders hohen Gewinne dran. Ich recherchiere jetzt nicht die Kosten im Einzelnen, die anfallen für:
- Einsammeln der Milch (temperaturgeführte Transporte, Sonntags- und Feiertagseinsätze) über teilweise weite Entfernungen in relativ kleinen Mengen (10-20.000 L)
- Pasteurisieren bzw. Hocherhitzen, Rahmhomogenisieren, Abpacken; alles unter hygienisch ziemlich anspruchsvollen Bedingungen - in den Anlagen dafür steckt richtiges Großgeld
- Lieferkette bis zur einzelnen Filiale, temperaturgeführt auch heute noch, trotz hoch erhitzter Trinkmilch
- Bestand kontrollieren und Planen, Einräumen, Kassieren
- Last not least die Mengen an Milch, die in den Gulli (bzw. in die Entsorgung) gehen, weil eben niemand genau weiß, wie viel Milch Du in den kommenden fünf Tagen kaufen wirst
Nur habe ich eben die Hoffnung, dass Biobauern noch etwas mehr für
die Milch bekommen als normale Milchbauern.
In der Tat, das tun sie. Und die Kosten, zu denen sie produzieren, sind in der Regel auch viel höher als bei konventioneller Milchviehhaltung.
So dass sich kaum eine Aussage machen lässt, ob sie mit den höheren Preisen besser leben können oder nicht. Zumal es in „Bio“ genauso wie in der konventionellen Produktion eine sehr weite Spanne gibt, zu welchen Kosten ein Milchviehbetrieb produziert.
Marktwirtschaft ist hie und da eine grausame Veranstaltung - möglicherweise hast Du diese Erfahrung auch schon auf dem Arbeitsmarkt gemacht. Umso härter trifft der Strukturwandel diejenigen Landwirte, die in unterschiedlichem Grad über hundert Jahre lang (Stichwort: Caprivi) vom Markt mehr oder weniger geschützt abgeschottet waren. Mit der Anpassung an den Markt tun sich die ihrer Kollegen leichter, deren Produktion weniger vor dem Marktgeschehen geschützt war: Wein, Gemüse, Obst, Hopfen, auch „flächenunabhängige“ Veredlung im Bereich Geflügel und Schwein.
Schöne Grüße
MM