Militärdienst während der Napoleonischen Kriege

Hallo!

Kann mir jemand sagen, wie die Einberufung von Soldaten während der Napoleonischen Kriege von statten ging?

Aus Filmen und Büchern kennt man ja hauptsächlich junge Männer die sich euphorisch freiwillig für die Armee melden.
War es wirklich freiwillig in die Armee einzutreten, oder gab es damals auch schon so etwas wie eine Wehrpflicht, die junge Männer einfach eingezogen hat?
Gab es eine Möglichkeit sich davon freizukaufen o.ä.?

War der Adel von dieser Wehrpflicht befreit?

Oder bekamen diese nur automatisch höhere Ränge im Militär verliehen?

Welche militärischen Ränge kämen denn für einen jungen, englischen Adeligen am ehesten in Frage?

Gab es so etwas wie eine Grundausbildung in der Armee zu der Zeit, oder wurden Neuzugänge einfach „ins kalte Wasser geschmissen“ und direkt aufs Feld geschickt?

Gab es damals bereits so etwas wie „Heimaturlaub“ für die Soldaten?

Und musste man für eine bestimmte Zeit fest in der Armee bleiben, wenn man erst einmal eingezogen wurde/sich freiwillig gemeldet hatte, in der Hoffnung, dass man irgendwann wieder entlassen würde, oder konnte man offiziell selbstständig seinen Dienst quittieren, ohne vor dem Erschießungskommando zu enden?

Ich hoffe es gibt ein paar Interessierte und/oder Experten für dieses Thema, die mir hierbei ein bisschen weiterhelfen könnten…

Vielen Dank schon mal im Voraus!

Grüße, Sina

Hallo Sina,

leider kann ich dir keine genaue Auskunft geben. Ich beschäftige mich ausschließlich mit der Geschichte des dritten Reiches und des zweiten Weltkrieges.
Was ich dir aber sagen kann ist, daß zu dem von dir angefragten Zeitpunkt Soldaten noch „gepresst“ wurden, will heißen, teils unter Alkoholeinfluss teils mit Gewalt von den Werbern der Armeen entführt und zum militärdienst gezwungen wurden.

lG
Frank

Moin moin
Wow, das ist ja ein ganzes Bündel Fragen und auch nicht leicht zu beantworten, da es natürlich von Nation zu Nation Unterschiede gab.
Ich bleibe mal bei England, da du dich auch darauf beziehst, und ich darüber am meisten gelesen habe.
Wenn Truppen benötigt wurden, zogen Werbetrupps durchs Land und boten den jungen Männern Geld, regelmäßiges Essen (damals keine Selbstverständlichkeit), Abenteuer und was auch immer zog, um jemanden zu ködern, denn damals arbeiteten viele Leute in der Landwirtschaft, was harte Arbeit und nicht gerade spannend war. Deshalb meldeten sich viel wirklich freiwillig, um aus dem Trott heraus zu kommen.
Die verplichteten sich dann für ein Jahr oder zwei, wobei viele danach verlängerten.
Aber besonders an den Küsten gab auch Presskommandos, die von Kriegsschiffen geschickt wurden, um die Crew aufzufüllen. Da konnte es schon mal sein, dass man durch eine Gasse ging, einen Knüppel über den Kopf bekam und auf hoher See wieder aufwachte.
Bestimmte Berufe waren freigestellt. Schmiede oder Werftarbeiter, aber auch Matrosen der East India Company. Sollten diese aber mal in die Fänge einer Pressgang geraten, hatten sie halt Pech gehabt…
Adlige kauften sich ihr Offizierspatent oder fingen meist jung als Kadett an. Für „normale“ Bürger war fast immer Unteroffizier der höchste mögliche Dienstgrad. Die Leistungen dieser Offiziere waren oft ziemlich lausig und kosteten vielen Soldaten das Leben.
Durch Beziehungen, Bestechungen oder durch Glück, bei einer Schlacht einem Vorgesetzten positiv aufzufallen, stolperten diese Adligen dann die Karriereleiter hinauf.
Den Drill der neuen Soldaten gab es natürlich, dessen Länge und Qualität hing davon ab, wie schnell man die Truppen benötigte. Je dringender, desto schneller und oberflächlicher wurde die Truppe eingewiesen.
Urlaub bekamen meines Wissens nur zuverlässige Leute, die danach auch wieder zum Dienst kamen. Aber oft zogen die Frauen im Tross mit der Truppe mit.
Bei der Flotte durfte kaum jemand an Land, aber Frauen durften im Hafen an Bord, um zu verhindern, dass die Matrosen desertierten.
Deserteure wurden meist beim ersten Mal ausgepeitscht oder ähnlich bestraft, bei mehrfachen Versuch die Truppe zu verlassen, oder bei Feigheit vor dem Feind wartete dann aber das Kriegsgericht und damit meist der Galgen oder das Erschießungskommando.

Puh, ich hoffe, du kannst mit dem Schreibdurchfall etwas anfangen und ich habe nichts vergessen.
MfG
Orakel-Jones

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Hallo!

Kann mir jemand sagen, wie die Einberufung von Soldaten
während der Napoleonischen Kriege von statten ging?

Aus Filmen und Büchern kennt man ja hauptsächlich junge Männer
die sich euphorisch freiwillig für die Armee melden.
War es wirklich freiwillig in die Armee einzutreten, oder gab
es damals auch schon so etwas wie eine Wehrpflicht, die junge
Männer einfach eingezogen hat?
Gab es eine Möglichkeit sich davon freizukaufen o.ä.?

War der Adel von dieser Wehrpflicht befreit?

Oder bekamen diese nur automatisch höhere Ränge im Militär
verliehen?

Welche militärischen Ränge kämen denn für einen jungen,
englischen Adeligen am ehesten in Frage?

Gab es so etwas wie eine Grundausbildung in der Armee zu der
Zeit, oder wurden Neuzugänge einfach „ins kalte Wasser
geschmissen“ und direkt aufs Feld geschickt?

Gab es damals bereits so etwas wie „Heimaturlaub“ für die
Soldaten?

Und musste man für eine bestimmte Zeit fest in der Armee
bleiben, wenn man erst einmal eingezogen wurde/sich freiwillig
gemeldet hatte, in der Hoffnung, dass man irgendwann wieder
entlassen würde, oder konnte man offiziell selbstständig
seinen Dienst quittieren, ohne vor dem Erschießungskommando zu
enden?

Ich hoffe es gibt ein paar Interessierte und/oder Experten für
dieses Thema, die mir hierbei ein bisschen weiterhelfen
könnten…

Vielen Dank schon mal im Voraus!

Grüße, Sina

Für die Antwort benötige ich etwas mehr Zeit. Ich denke, das am Wochenende erledigen zu können. Nur soviel vorweg. Es gab so etwas wie eine Wehrpflicht. Aber die Zeit, in der Napoleon in Frankreich das Sagen hatte, dauerte von 1799 bis 1815, zunächst als erster Konsul und ab 1804 als Kaiser. Während dieser Zeit waren die Rekrutierungssysteme nicht identisch,sondern
sind variiert bzw. geändert worden. Während der siegreichen Epoche etwa bis 1810 war es für die überwältigende Anzahl der Franzosen eine Ehre, in der Armee zu dienen. Erst danach fingen die Probleme an. Im Russlandfeldzug z.B., also ab Juni 1812, bestand aber grob betrachtet nur noch 1/3 der Armee überhaupt aus Franzosen. Den Rest mussten die „Verbündeten“ stellen wie die Rheinbundstaaten und auch z.B. Preußen, die nicht Mitglied im Rheinbund waren. Die Rekrutierungsmethoden der Verbündeten unterlagen nicht dem französischen System, sondern sie bekamen einfach den Befehl, eine bestimmte Anzahl an Soldaten stellen zu müssen. Die Begeisterung dieser Truppenteile, für Napoleon ins Feld zu ziehen, war deshalb verständlicher Weise nicht allzu hoch. Anfangs bot die Armee aber gerade unter und auch wegen Napoleon glänzende Aufstiegschancen auch für einfache Soldaten, es galt der sprichwörtliche Auspruch von Napoleon, dass jeder Soldat den Marschallstab im Tornister trage und einige der späteren Marschälle Frankreichs kamen entsprechend auch aus sehr einfachen Verhältnissen, das war auch ein Ergebnis der revolutionären Umgestaltung in Frankreich vor allem nach 1792.
Das galt sicher nicht für England und schon gar nicht für Preußen. Wenn Du an noch detaillierteren Informationen interessiert bist,kannst Du Dich gerne wieder melden.

Dietmar

Vielen Dank für deine Antworten!

Das hilft mir auf jeden Fall schon mal ein gutes Stück weiter!
Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich noch etwas im Detail nachhake? :wink:

Ich bleibe mal bei England, da du dich auch darauf beziehst,
und ich darüber am meisten gelesen habe.

  • Stimmt, da hätte ich mich wohl etwas klarer ausdrücken sollen: Hautsächlich geht es mir um das englische Militär-wesen während dieser Zeit, aber generell bin ich auch dankbar für alles andere! :wink:

Wenn Truppen benötigt wurden, zogen Werbetrupps durchs Land
und boten den jungen Männern Geld, regelmäßiges Essen (damals
keine Selbstverständlichkeit), Abenteuer und was auch immer
zog, um jemanden zu ködern, denn damals arbeiteten viele Leute
in der Landwirtschaft, was harte Arbeit und nicht gerade
spannend war. Deshalb meldeten sich viel wirklich freiwillig,
um aus dem Trott heraus zu kommen.

  • Wie viel verdiente man denn in etwa im Militär zu der Zeit?
    Wahrscheinlich war das auch abhängig vom Rang, den man innehatte, oder?
  • Um sich freiwillig zu melden, brauchte man die Einwilligung des Vaters, nehme ich an, solange man noch unter 21 war, oder mann musste mit dem Alter schwindeln?
  • Konnte aber auch ein Vater seinen minderjährigen Sohn rechtmäßig ins Militär stecken. Ggf. gegen dessen Willen?
  • Wenn ja, konnte der Sohn dann legitim aus dem Militär ausscheiden, sobald er Volljährig und damit mündig war?
  • Wie sah die Arbeit dieser Werbetrupps aus? Waren das Offiziere, in möglichst eindrucksvollen Uniformen, die junge Männer auf der Straße ansprachen und ihnen Listen unter die Nase hielten, oder hielten sie Reden an öffentlichen Plätzen, o.ä., wo dann Listen ausgelegt wurden?
  • Waren sie berechtigt sich die Städte und Dörfer in denen sie Anwerber suchen sollten, selbst auszusuchen, oder wurden ihnen das „von Oben“ diktiert?
  • Durften sie überall nach neuen Rekruten suchen, oder konnte z.B. ein Landbesitzer oder Bürgermeister ihnen verbieten quasi „in seinem Revier zu wildern“, wenn er nicht wollte, dass man ihm sämtliche Arbeitskräfte vor der Nase weg-rekrutierte?

Die verplichteten sich dann für ein Jahr oder zwei, wobei
viele danach verlängerten.

  • Gab es nach Ablauf der Zeit dann Truppentransporte, die einen zurück in die Heimat brachten, oder war man dann „nicht mehr das Problem des Militärs“ und musste sich selbst darum kümmern von irgendeinem entfernten Schlachtfeld in Europa wieder zurück nachhause zu kommen?

Aber besonders an den Küsten gab auch Presskommandos, die von
Kriegsschiffen geschickt wurden, um die Crew aufzufüllen. Da
konnte es schon mal sein, dass man durch eine Gasse ging,
einen Knüppel über den Kopf bekam und auf hoher See wieder
aufwachte.

  • Das sind genau die Details, die ich brauche, danke! :smile:
    Wahnsinn, oder? Was erwartete man denn, mit wie viel Elan, und Patriotismus sich solche armen Kerle dann noch in die Schlacht stürzen würden, nachdem sie von König und Vaterland quasi entführt worden waren?!
    Und Frau und Kinder saßen wahrscheinlich daheim und fragten sich, warum ihr Mann bzw. Vater nicht nachhause kam, bis irgendwann nach Monaten (wenn er nicht verloren ging) ein Brief ankam, der alles erklärte…
  • Oder wurden die Familienangehörigen solcher Opfer eines Presskommandos fairerweise wenigstens informiert?
  • Wenn nicht, wovon sollten solche zurückgebliebenen Angehörigen während der Abwesenheit des Familienoberhauptes (der ja meistens alleiniger Ernährer war) leben?
  • Zahlte das Militär den Familien eine Art Lohn-Ersatz für die Arbeitskraft des Mannes, oder musste dieser selbst seinen Sold nachhause schicken?

Bestimmte Berufe waren freigestellt. Schmiede oder
Werftarbeiter, aber auch Matrosen der East India Company.
Sollten diese aber mal in die Fänge einer Pressgang geraten,
hatten sie halt Pech gehabt…

  • In schriftstellerischer Hinsicht ist so was ja ein Leckerbissen. :smile: Konnte man so nicht unliebsame Zeitgenossen einfach verschwinden lassen, indem man sie mit Absicht in die Fänge von solchen Presskommandos laufen ließ, oder man diese bestach, sich ein bestimmtes Opfer herauszupicken, je nachdem, wen man eben gerade los werden wollte…
  • Aber konnte so etwas auch einem Adeligen oder Angehörigen der Oberschicht zustoßen, oder hatte man nicht doch zu viel Respekt vor diesen Leuten und suchte sich eher kleine Fische heraus, deren Verschwinden niemandem weiter auffallen würde?
  • Angenommen der Sohn eines einflussreichen, Adeligen würde auf diese Weise außer Landes gebracht? Konnte der Vater dann mit seinen Beziehungen und gutem Namen die Herausgabe seines Sohnes erzwingen?

Adlige kauften sich ihr Offizierspatent oder fingen meist jung
als Kadett an. Für „normale“ Bürger war fast immer
Unteroffizier der höchste mögliche Dienstgrad. Die Leistungen
dieser Offiziere waren oft ziemlich lausig und kosteten vielen
Soldaten das Leben.
Durch Beziehungen, Bestechungen oder durch Glück, bei einer
Schlacht einem Vorgesetzten positiv aufzufallen, stolperten
diese Adligen dann die Karriereleiter hinauf.

  • Verpflichteten sich Soldaten mit höheren Rängen z.B. Generäle oder Offiziere auch auf eine bestimmte Zeit, oder durfte das Militär über Einsatzort und Dauer dieser Führungskräfte bestimmen, in dem es Beispielsweise einen General, der sich einen Namen gemacht hatte, aus seinem militärischen Ruhestand, ggf. auch gegen dessen Willen wieder zurück beorderte?

Den Drill der neuen Soldaten gab es natürlich, dessen Länge
und Qualität hing davon ab, wie schnell man die Truppen
benötigte. Je dringender, desto schneller und oberflächlicher
wurde die Truppe eingewiesen.

  • Wo fand das denn statt? Gab es damals schon, wie heute, Kasernen in denen Soldaten auf ihren Einsatz vorbereitet wurden?
  • Waren das eher notdürftig zusammengeschusterte, kleine Feldlager oder gab es große Militärschulen mit riesigem Einzugsgebiet? - Wenn ja, kennst du da eine, die es schon zur damaligen Zeit gab?
  • Apropos Feldlager: In „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen, verbringt ein Milizregiment (was genau ist das eigentlich?) einen Winter in der Ortschaft Meryton. War das so üblich, Regimenter einfach in irgendwelchen Ortschaften einzuquartieren, wenn sie gerade nicht gebraucht wurden, oder fand eben dort der Drill statt, bevor es in den Krieg ging?
  • Wer bestimmte denn, in welchem Ort ein Regiment stationiert wurde, und wie lange?
  • War es eine Ehre, ein Regiment zu beherbergen, oder eine leidige Pflicht die einer Gemeinde eben aufgezwungen wurde?
  • Wer war für die Verpflegung der Soldaten während so eines Aufenthaltes verantwortlich? Übernahm das das Militär autonom, oder wurde die Ortschaft mit in die Pflicht genommen z.B. Lebensmittel oder Unterkunft zur Verfügung zu stellen?

Urlaub bekamen meines Wissens nur zuverlässige Leute, die
danach auch wieder zum Dienst kamen.

  • Konnte man diesen Heimaturlaub einfach, so wie heutigen Arbeits-Urlaub beim vorgesetzten beantragen?

Aber oft zogen die Frauen

im Tross mit der Truppe mit.

  • Wurde dieser Tross vom Militär mit versorgt, oder waren diese Leute auf sich selbst gestellt?
  • War das nicht ziemlich gefährlich, ständig einen Haufen Zivilisten im Schlepptau zu haben? Lebten sie unmittelbar mit der Truppe zusammen, oder rückten sie mit einem gebührenden Sicherheitsabstand zum Kriegsgeschehen nach?
  • ist mit „Frauen“ in dem Fall gemeint, dass es sich hauptsächlich um Prostituierte handelte, oder waren das auch „respektierbare“ Ehefrauen ggf. mit ihren Kindern?

So, entschuldige dass es schon wieder so ein riesiger Haufen an Fragen ist!
Kein Problem, wenn du nicht auf alles eine Antwort parat hast, aber wenn dir zu dem ein oder anderen etwas einfällt, würde ich mich freuen, wieder etwas von dir zu hören!

Also vielen Dank nochmals für deine Hilfe und ein schönes Wochenende!
Liebe Grüße, Sina

Hallo Sina,

viele Fragen hast Du da… :wink:

Bin derzeit leider etwas knapp an Zeit…

So hier mal auf die Schnelle ein Link:
http://de.wikipedia.org/wiki/Grande_Arm%C3%A9e
Hier einfach mal den Punkt 1.1.1 lesen - da sind schon einige Infos drin.

Sofern ich die Tage dazu komme, schaue ich mal noch in meinen Büchern.

Sorry - hoffe trotzdem etwas geholfen zu haben.

Viele Grüsse

Tom

Moin
Also, ab in Runde Zwei.
Leider muss ich sagen, dass ich bei einigen Details auch nur mit den Schultern zucken kann. Z.B. die Höhe des Soldes und was das im Vergleich zu heutiger Kaufkraft wert war, keine Ahnung!
Aber weiter. Die Werbetrupps wurden meist von einem jungen Offizier oder einem alten Veteran, Feldwebel oder so angeführt. Ein Trommler, vielleicht ein Fahnenträger und ein paar herausgeputzte Vorzeigesoldaten. Dann wurde auf Marktplätzen oder in Tavernen ein paar heroische Reden gehalten und um die Hemmschwelle zu senken, wurde reichlich Rum oder Gin spendiert. Wer dann unterschrieb, wurde meist gleich mitgenommen.
Und das mit mindestens 21 kannst du vergessen. Bestes Beispiel ist Admiral Horatio Nelson. Der heuerte als Midshipman (Seekadett) im zarten Alter von 12 (in Worten ZWÖLF)Jahren auf seinem ersten Schiff an.
Auf Kriegsschiffen gab es auch die sogenannten „Pulveräffchen“. Jungs von ca 10 Jahren rannten während eines Gefechts von der Pulverkammer zu den Kanonen und schleppten die Beutel mit Schießpulver dorthin. Auch im Heer waren Kinder als Trommler oder Meldegänger völlig normal.
Und da sind wir bei deiner Frage mit dem Tross. Soweit ich weiss, zogen die Frauen und Familien mit der kämpfenden Truppe herum und teilten das selbe Lager.
Natürlich auch Prostituierte aber auch Marketender, die mit allem möglichen handelten, was man so brauchte. Und nach einer Schlacht „säuberten“ diese Frauen auch das Schlachtfeld. Also kümmerten sich um Verletzte, bestatteten z.T. die Toten und sammelten ein, was noch zu gebrauchen war, um es einzutauschen.
Aber um es klar zu sagen. Es war eine Zwei-Klassen-Gesellschaft:
Offiziere (Adel)- Truppe (Bürger).
Für den Adel war es eine Ehrensache, in der Armee zu dienen (und auf Bällen seine schicke Uniform zu präsentieren). Einige Wohlhabende stellten sogar eigne Truppen auf und rüsteten sie aus, um sie dem König zur Verfügung zu stellen. Das war für sie eine Lebensaufgabe, und nur mangelnde Gesundheit zwang sie zum Ruhestand. (General Blücher war bei Waterloo glaube ich ca 70 Jahre alt). Beim Adel war der Sold meist Nebensache. Sie verdienten genug mit ihren Ländereien oder im Krieg an ihren Beuteanteilen.
Das einfache Volk musste zusehen, wo es blieb. Entschädigung für die Familien gab es nicht. Und wenn eine Mutter nicht wusste, wie sie ihre Kinder satt kriegen sollte, Überleg mal: die Armee braucht Trommler und Pulveräffchen…
Und so manches Mal ist es wohl vorgekommen, dass eine Frau ihren Mann an die Armee „verlor“, einen anderen kennenlernte und der älteste Sohn darüber nicht glücklich war. dann wurde der Sohn halt mit einem Auftrag in eine Hafenstadt geschickt. Keine Bange, Junge. Das mit den Presskommandos sind nur Gruselgeschichten. Und grüß deinen Vater!
In den Städten gab es auch viele Invaliden, die im Krieg Arme oder Beine verloren hatten und deshalb ausgemustert worden waren. Deren Zukunft hieß Bettelei um nicht zu verhungern. Erst gegen Ende der Napoleonischen Kriege fing England an, Heime für Veteranen zu bauen. Einige sind noch heute in Betrieb, meist ehemalige Kasernen. Die gab es auch damals schon. Oft regelrechte Festungen. In England Sandhurst oder in Amerika Westpoint waren gute Beispiele. Dort wird heute noch die Elite des Miltärs geschult.
Milizen sind übrigens Truppen, die von einer Stadt im Notfall aus ihren Bürgern einberufen werden und mit Waffen aus einem städtischen Depot versorgt werden. Ähnlich den amerikanischen Nationalgarden heute noch.
Nochmal zum Adel. Auch dort konnten unliebsame Zöglinge schon mal in einer Truppe landen, die in Indien Fiebermücken und Aufständische zum Zeitvertreib hatten. Wer gute Beziehungen hatte, war auf Bällen mit dem Herzog von Wellington oder so. Genug Stoff für Hunderte Romane.
Kleiner Tipp. die Romane von Forrester oder Kent über die britische Flotte vermitteln ein lebhaftes Bild der damaligen Zeit. Auch die Filmserie „Die Scharfschützen“ mit Sean Bean wäre da sehr zu empfehlen.
So, ich hoffe ich habe dich nicht zu sehr mit diesem Text gelangweilt und wünsche auch dir ein schönes Wochenende. Für weitere Fragen stehe ich gern zur Verfügung, auch wenn ich nur ein interessierter Laie bin, der sich mehr mit der Marine dieser Zeit beschäftigt hat, als mit dem Landkrieg.
Have a nice day
Orakel-Jones

Liebe Sina,

deine Anfrage ist sehr umfangreich und beinhaltet Themenbereiche über die schon ganze Bücher geschrieben wurde.
Ich denke aber, in diesem ausführlichen Artikel über die Grande Armee sind die meisten Antworten enthalten.

http://de.wikipedia.org/wiki/Grande_Arm%C3%A9e

Gruß
Thomas

Hallo,
im Normalfall gab es mindestens eine Kurzausbildung.
Die Wehrpflicht wurde während der napoleonischen Kriege in Preussen mit den Reformen von Scharnhorst, Gneisenau und Boyen eingeführt. Im gewissen Sinn war das eine Antwort auf die Einführung der Wehrpflicht im revolutionären Frankreich(nach 1789).
Zu den anderen Fragen könnte ich antworten, aber meine Bücher dazu sind nicht an meinem Hauptwohnsitz.
Gruss
Rainer

Liebe Sina!
Ich bin eigentlich als Experte für Seekriegsführung eingetragen, da ich mich aber auch mit allgemeiner Geschichte und Militärgeschichte befasse, kann ich die Fragen beantworten:

Eine Wehrpflicht, im modernen Sinne, gab es bis zu den Napoleonischen Kriegen eigentlich nicht (in Preußen noch am ehesten seit Friedrich Wilhelm dem I. -der „Soldatenkönig“ - ), die Heere waren stehende Heere, also Söldner („Landsknechte“). Gerade weil Napoleon nach seinem Sieg über Preußen, ihnen eine Beschränkung der Präsenzstärke des Heeres aufzwang, kamen die beiden Generale, Neidelhart von Gneisenau und Gerhard Johann Davud Scharnhorst (beide nicht nur gute Freunde, sondern auch Brüder Freimaurer) auf die grandiose Idee das „Krümpersystem“ einzuführen: Die jungen Leute wurden einberufen, ausgebildet und dann in die Reserve entlassen. Dadurch hatte Preußen zur Zeit der Befreiungskriege wesentlich mehr ausgebildete Soldaten zur Verfügung als Napoleon ihnen zugestanden hatte.
Von einem offiziellen Freikaufen von der Dienstpflicht ist mir nichts bekannt, inofffiziell gab es dies sicher. Der Adel bekam nicht automatisch höhere Dienstränge, aber da gerade in Preußen der Adel im Dienst des Heeres eine besondere Ehre sah und daher das Gros des Offizierskorps stellte, waren die Adeligen natürlich meistens die höheren Offiziere.
Auch in Großbritannien war es ähnlich, nur daß dort man mehr Interesse am Dienst in der Royal Navy als in der British Army hatte.
Grundausbildung: Rekruten wurden nicht unausgebildet in den Kampf geschickt, wenn auch in Kriegszeiten die Ausbildung manchmal nur sehr kurz war. Über Urlaube bin ich nicht informiert.Rekruten wurden auf Zeit angeworben, aber wenn die Zeit gerade während eines Krieges um war, mußten sie bis Ende des Feldzugs weiter dienen.
Beste Grüße, Peter F.Michael Gewitsch, Haifa, Israel