Hallo,
der Fall Jägerstätter ist dem Forum zwar nicht neu, interessant und blamabel ist dennoch die Aussage des Militärgeistlichen Hw. Siegfried Lochner bzgl. des Seligsprechungsverfahrens Jägerstätters.
http://www.kreuz.net/article.5302.html
Im o.g. Artikel bemerkt er: „So gesehen sei Jägerstätter „ganz sicher“ kein Märtyrer der Kirche. Er sei vielmehr ein „bedauernswertes Opfer seines irrenden Gewissens“ und der äußeren Umstände seiner Zeit gewesen. Hw. Lochner glaubt, daß Jägerstätter heute – zum Teil in peinlich berührender Weise – politisch instrumentalisiert werde. Der Priester hält fest, daß Millionen katholischer Männer – darunter auch sein Vater oder der damalige Militärbischof Alfred Kostelecky († 1994), der Hw. Lochner geweiht hat – guten Gewissens der Not der Stunde gefolgt seien und ihren Dienst in der Wehrmacht geleistet hätten. Dieses gute Gewissen habe sehr wohl zwischen einem verbrecherischen Regime und dem Vaterland unterscheiden können. Unbeschadet der negativen Beurteilung des Nationalsozialismus durch die kirchliche Hierarchie hätten die damaligen Bischöfe nicht zur Wehrdienstverweigerung oder gar zur Fahnenflucht aufgerufen.“
Was hält das Forum von seiner Meinung?
Gruß, Robin.
Moin Robin,
daß Lochner die Kirche blamiert habe, kann ich nicht sehen. Zuerst einmal hat er sich - wenn überhaupt jemanden - selber blamiert.
Die Aussage und das Urteil, Jägerstätter sei einem „irrenden Gewissen“ gefolgt, ist eine Unverschämtheit, eine menschliche und eine theologische. Es mag sein, daß J. kein Märtyrer der kath. Kirche im Sinne von Benedikt XVI. ist, weil er nicht aus Haß gegen die Kirche getötet wurde, aber es scheint mir außer Frage zu stehen, daß sein Gewissen ein katholisch geprägtes und gebildetes war.
Es ist das Gewissen ja nicht nur geprägt, nicht nur das Über-Ich, sondern der Mensch kann sein Gewissen auch bewußt an selbstgewählten Maßstäben bilden.
Daß Millionen anderer katholischer Männer den Kriegsdienst geleistet haben, kann den nicht desavouieren, der das verweigert hat. Ich fürchte, da unterliegt Lochner - ob unbewußt, weiß ich nicht - dem berühmten „gesunden Volksempfinden“.
Und daß die katholische Geistlichkeit den Nationalsozialismus abgelehnt, negativ beurteilt oder was immer habe (ich habe die genaue Formulierung jetzt nicht im Gedächtnis), sollte er nicht so laut heraustönen. Dazu gibt es inzwischen sehr schöne Untersuchungen, die etwas anderes belegen.
Gruß - Rolf
Das, was Herr Lochner da von sich gibt, erinnert mich an gewisse Menschen Ende der 60er Jahre, die meinten, Willy Brandt dürfe nicht Kanzler werden, weil er während des 3. Reichs Deutschland verlassen hatte. Und ein anständiger Deutscher tue so etwas nicht.
Aber vielleicht ist eine solche Haltung ja die kanonische Voraussetzung für die Eignung als Militärpfarrer.
War nicht Kurt Waldheim auch Österreicher?
Gruß - Rolf
PS: Ich weiß, daß ich mit der letzten Bemerkung zum Punkt „Unsachliches“ übergegangen bin.
Hallo,
daß Lochner die Kirche blamiert habe, kann ich nicht sehen.
Lochner ist getaufter Katholik und zudem katholischer Geistlicher - ein Lehrer. Er trägt die Verantwortung, Menschen über Gottes Gebote aufzuklären und den Frieden zu fördern. Durch seine enge Verbindung zu der Familie zu der er gehört (getaufter Katholik und Angestellter der katholischen Kirche) und vor allem durch seine Aufgabe die er dort übernommen hat, werfen seine Handlungen ein direktes schlechtes Licht auf die katholische Kirche. Deshalb wählte ich diese Überschrift. Wie ich sehen kann, gehst Du mit seiner Aussage auch nicht einig.
Gruß, Robin.
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werfen seine Handlungen ein direktes schlechtes Licht auf die
katholische Kirche. Deshalb wählte ich diese Überschrift. Wie
ich sehen kann, gehst Du mit seiner Aussage auch nicht einig.
Lieber Robin,
zuerst einmal ist doch jeder für sich selbst verantwortlich und deswegen fallen die Folgen seiner Handlungen auch zuerst auf ihn selbst zurück.
Der katholischen Kirche (wem da genau? Dem Papst direkt oder dem Wiener Kardinal oder dem für Lochner zuständigen Regionalbischof oder bloß dem Dechanten, der ihn nicht zur Ruhe ermahnt hat?) kannst Du das nicht anlasten. Oder willst Du jede Organisation dafür verantwortlich machen, wenn eines ihrer Mitglieder etwas verlautbart, was Dir nicht gefällt?
Daß etwas Dir nicht gefällt, heißt ja nicht, daß es falsch ist. Und daß wir beide in diesem Fall der gleichen Meinung sind, bedeutet auch nicht, daß wir Recht haben. Ich halte das zwar für sehr wahrscheinlich und wir können auch gute Gründe für unsere Überzeugung anführen. Aber ausgemacht ist das noch nicht.
Im Übrigen bewegen wir uns hier auf einem Feld, auf dem es objektiv Richtiges oder Falsches kaum geben wird. Es gibt Haltungen, die von der Mehrheit akzeptiert und für gut befunden werden, abweichende Meinungen, die toleriert werden,und abartige Überzeugungen, die allenfalls ein Kopfschütteln oder - schlimmstenfalls - ein angewidertes Abwenden des Kopfes zur Folge haben.
Also darfst Du gern auf Lochner einschlagen (dies ist ein Bild und keine Aufforderung zur Körperverletzung!), aber um der intellektuellen Redlichkeit willen im Gedächtnis behalten, daß Lochner nur für sich gesprochen hat und nicht den Eindruck erweckt oder den Anspruch erhoben hat, für mehr als für sich zu sprechen. Oder hat er im Namen „der katholischen Kirche“ gesprochen?
Das hat er doch offenbar nicht.
Gruß - Rolf
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Lieber Robin,
Also darfst Du gern auf Lochner einschlagen (dies ist ein Bild
und keine Aufforderung zur Körperverletzung!), aber um der
intellektuellen Redlichkeit willen im Gedächtnis behalten, daß
Lochner nur für sich gesprochen hat und nicht den Eindruck
erweckt oder den Anspruch erhoben hat, für mehr als für sich
zu sprechen. Oder hat er im Namen „der katholischen Kirche“
gesprochen?
Das hat er doch offenbar nicht.
genau so ist es!
Und er hat das auch bestätigt:
http://www.kath.net/detail.php?id=16931
„Wir haben in Österreich noch immer Meinungsfreiheit, das gilt auch in der österreichischen Kirche.“ Man habe ihn nur um seine persönliche Meinung gefragt.
Gruss Harald
Du hast recht, aber …
Hallo,
zuerst einmal ist doch jeder für sich selbst verantwortlich
und deswegen fallen die Folgen seiner Handlungen auch zuerst
auf ihn selbst zurück.
Völlig richtig.
daß Lochner nur für sich gesprochen hat und nicht den Eindruck
erweckt oder den Anspruch erhoben hat, für mehr als für sich
zu sprechen. Oder hat er im Namen „der katholischen Kirche“
gesprochen?
Das hat er doch offenbar nicht.
Ich habe die Kirche mit einer Familie verglichen. Benimmt sich ein Familienmitglied in der Öffentlichkeit daneben, hat dies eine direkte Auswirkung auf den Ruf der Familie. Natürlich kann die Familie nichts für das Verhalten eines einzelnen Familienmitgliedes, es sei denn es hat es falsch erzogen. Sicherlich wird sich das Familienoberhaupt für seinen missratenen Nachwuchs schämen. Noch schlimmer wäre es, ihn gewähren zu lassen. Die Aussage des Schuldigen und seiner Verteidiger, er habe sich nicht im Namen der Familie, sondern ausschließlich in seinem eigenen Namen daneben benommen, ist schlechthin - Blödsinn. Der Ruf der Familie nimmt trotzdem Schaden.
Ich gebe jedoch zu, daß das, was an dieser Darstellung nicht stimmt, der Vergleich der Familie mit der katholischen Kirche ist, denn sie ist es nicht. Manche erkennen einfach nicht, dass die Geistlichkeit der Kirche unterstehen sollte und die Kirche Gott, d.h. sein inspiriertes Wort die Grundlage sein sollte. Manch einer möchte sich dennoch hervortun, die eigene Meinung zählt mehr. Ein Verständnisproblem in einer derart fundamentalen und einfach zu verstehenden Moralfrage zu haben deutet darauf hin, daß sich Lochner noch keiner moralischen Selbstprüfung anhand des Wortes Gottes unterzogen hat. Sicher ist er nicht der Einzige und auch nicht allein schuld an dieser Situation.
Beschäftigt man sich mit der Kriminalgeschichte des Christentums von K.-H. Deschner muß man zwangsweise erkennen, dass der Nachwuchs deshalb missraten ist, weil die Oberhäupter der Kirchen sich selbst nicht nach der Bibel ausrichten. Der Fisch fängt eben am Kopf an zu stinken - oder wie Christus sagte: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Und Lochner beteiligt sich daran - ohne es zu merken. Aber was will man schon von einem Militärgeistlichen erwarten und von Kirchen, die den Militärdienst als „Dienst am Vaterland“ ansehen und nicht als ein Verstoß gegen Gottes Gesetz „Du sollst nicht töten“.
Gruß, Robin.