Mischfrage Biologie/Chemie/Physik Mikrowelle

Hallo liebe Experten.

Ich hätte gern gewusst in welchem Maße und unter welchen Voraussetzungen Mikrowellen Organismen in Wasser zerstören.

Ist es möglich Wasser durch MW Bestrahlung keimfrei zu bekommen?

Wie wirken sich Salze und Schwebstoffe auf die Wirkung aus?

Hoffe auf einige Denkanstöße und bedanke mich in Voraus.

L.G. Ralf

Hallo Ralf

Mikrowellen liegen im Wellenlängenbereich zwischen 0,5m und 1mm und sind damit relativ langwellig. Die Strahlung allein dürfte nicht ausreichen, nennenswerten Schaden an (trockenen) Keimen alleine zu erreichen. Organismen in wässrigen Lösungen haben da schon eher ein Problem - durch die hohe Temperatur des Mediums. Dabei ist es wichtig, das die Wärme nicht abgeführt wird, also die Lösung z.B. in einem Gefäß erwärmt wird. Durch das Kochen von Wasser denaturieren die Eiweiße der Organismen. Dabei gehen einem aber hizeresistente Bakterien-Sporen durch die Lappen. Diese werden unter hohem Wasserdampfdruck (bei bis 140°C) abgetötet, ein Vorgang den man Autoklavieren nennt.

Mikrowellen sind dabei lediglich eine Metode der Wassererwärmung, die aber meineswissens bei Autoklaven keine Rolle spielen.

Bestimmte Salze können den Vorgang beschleunigen, beispielsweise, indem sie Zellwände aufbrechen, aber da gebe ich lieber ab an die Mikrobiologen…

Gruß
Andreas

Hallo Ralf,

es gibt von Meteka Geräte, die per Mikrowellenbestrahlung klinische Abfälle so desinfizieren, daß sie als hausmüllähnlicher Abfall entsorgt werden dürfen. Google einfach mal mit Abfalldesinfektion Mikrowelle. Trockene Abfälle wie z.B. Injektionsnadeln müssen aber in geeigneten Behältern mit Wasser versetzt werden. Bei ausreichend feuchtem Abfall reicht anscheinend das enthaltene Wasser zur Desinfektion.
Viele Grüße

Claudia

Hallo Andreas.

Man könnte mit der Wellenlänge schon weiter runter gehen bei einer Frequenz von 5,8Ghz z.B ergibt eine Wellenlänge von ca 50µm. Allerdings neigt Wasser dazu MW zu absorbieren. Dastellt sich die Frage: Wieviel Energie ist nötig um eine gewisse Eindringtiefe zu erreichen? Wie beeinflussen gelöste und schwebende Mineralien das Ganze? Kochen geht nicht da das Wasser nur durch eine MW Kammer fließen würde mit einem Volumenstrom von ca 1000m³/h.

LG
Ralf

Hallo Claudia.

Das hört sich auch sehr nach kochen an. Für diesen Anwendungsfall ist das nicht einsetzbar. Das wasser würde mit einem Violumenstrom von ca 1000m³/h durch eine Bestrahlungskammer fließen. Mir ist auch durchausklar das man mit der MW nicht alles kaputt kriegt. Ich denke da an eine Kombination aus Filter UV Licht und MW. Ich würde nur gern wissen, welchen Anteil die MW erledigen kann. Hintergrund ist, das Wasser das aus dem Meer an einem Ort (sagen wir mal Bombay) an Bord eines schiffes gebracht wird, an einem anderen Ort, (sagen wir mal Hamburg)ohne das Ökosystem mit Fremdorganismen zu belasten, wieder abgepumpt werden kann.

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Hallo Ralf,

ich habe von dem System selbst keine Ahnung, habe das nur als Entsorgungsalternative angeboten bekommen. Die haben auch einen Durchflußsterilisator, wenn mich nicht alles täuscht. Weiß aber nicht, mit welchen Volumenströmen der klarkommt.
Ich vermute aber, daß die Desinfektionswirkung von Mikrowellen im Endeffekt immer auf Kochen rausläuft. Kakerlaken überleben z.B. ganz fabelhaft innerhalb des „Mikrowellenbereiches“ (also nicht außerhalb der Kapselung) eines Mikrowellenherdes. Ein Freund hatte da mal ein nettes Erlebnis bei der Wartung eines Mikrowellenherdes eines Flughafen-Cateringbetriebes…
Also finden sich sicher auch Bakterien, die von Mikrowellen unbeeindruckt bleiben. Wenns um Ballastwasserreinigung geht wegen Verschleppung von Mikroorganismen, dann müssen ja auch noch Sporen in Betracht gezogen werden, und dann wirds, glaube ich, richtig kompliziert…
Gruß

Claudia

Hallo Claudia.

Ja genau darum geht es.

Gruß Ralf

Mist verdamter! Umrechnungsfehler 50mm Wellenlänge.

Klappt nicht.
Ahoi!

Die Kurzversion: Klappt nicht.

Die lange Version:
Wir haben gerade umfangreiche Versuchsreihen hinter uns, um die Mikrowellentechnik als Pasteurisations/Sterilisationstechnik in der Lebensmittelproduktion zu etablieren.

Die urspüngliche Idde dabei war, das Mikrowellen auf Wasermoleküle wirken. Da Bakterien als einzellige Lebewesen natürlich auch zu einem großen Teil aus Wasser bestehen, lag die Vermutung nahe, das man mit Mikrowellenbestrahlung zumindest die Bakterien auf der Oberfläche von relativ trockenen Produkten zemlich schnell „abkochen“ können sollte.

Ich persönlich hab das (also nur Mikrowelle) von Anfang an für keine besonders gute Idee gehalten, da die Bakterien leider i.A. auch mittendrin stecken - und da kommt die Mikrowelle aufgrund der recht geringen Eindricngtiefe in wasserhaltigen Stoffen nun mal nicht wirklich hin.

Wie auch immer, es hat sich gezeigt, das sich die Bakterien von der Mikrowelle nicht in dem Maße beieindruckt zeigten, wie man sich das gewünscht hätte. Eine Abtötung in nennenswerten Mengen trat erst auf, als das Gesamtprodukt Temperaturen erreicht hatte, bei denen auch mit den herkömmlichen Techniken ein Abtötungseffekt auftritt. Und da sind die herkömmlichen Methoden von der Energieeffizenz her einfach besser.

Was nicht bedeuten soll, das die Mikrowellentechnologie grundsätzlich verkehrt wäre: Es bleibt ja noch das Problem der Wärmeübertragung. Bei Produkten in einer isolierenden Verpackung (Beutel mit Luft drin) ist die Mikrowelle erheblich schneller, weil sie direkt auf die Wassermoleküle im Produkt wirkt. Aber bei Produkten in einer gut wärmeleitenden Verpackung (Klassich: eingelegtes Obst/Gemüse) ist die Wärmeübertragung durch heißes Wasser/Dampf energetisch effizienter.

Abgesehen von radioaktiver Bestrahlung (damit ist harte Gammastrahlung gemeint) oder der chemischen Keule bekommt man Mikroorganismen derzeit nur mit Hitze zuverlässig kaput. Mikrowelle als Hitzeüberträger ist dabei nur in eher seltenen Fällen sinnvoll, i.A. und besonders in wässiger Lösung dürfte konventionelle Hitzeübertragung (Heißdampfinjektion oder Plattenwärmetauscher in dünner Schicht) sinnvoller sein.

Noch zwei Gundlagen, damit wir auf dem gleichen Level reden:

1.) Bakterien/Sporen bzw. Pasteurisation/Sterilisation:
Viele Bakterienarten können Sporen bilden. Das ist sozusagen die Winterschlafform. Sporen sind bedeutend zäher und können wieder „aufwachen“, wenn sich die Bedingungen verbessern.
Im Lebensmittelbereich tötet man mit einer Pasteurisation (so um die 85°C) nur die Bakterien ab, die Sporen überleben. Das ist bei Produkten, die ein Auskeimen der Sporen verhindern (speziell bei sauren Produkten wie eingelegten Gurken etc.) ausreichend. Bei anderen Produkten (beispielsweise Suppen) muss man sterilisieren (~121°C), um auch die Sporen zu knacken.
Die genauen Temperaturen und Zeiten sind von Keim zu Keim verschieden!
In der Lebensmittelindustrie wird i.A. Clostridium perfringens als klassischer Verderbnisserreger als Leitkeim benutzt.

2.) Abtötungsrate
Das alles ist leider nicht ganz so einfach, wie man sich das wünschen würde. Es gibt nicht „120°C erreicht - peng, alles Tod“.
Es gibt nur eine Abtötungsrate. Eine Erhöhung um 10°C verzehnfacht die Abtötungsrate, eine Verlängerung der Haltezeit um eine Minute verzehnfacht die Abtötungsrate. Man kann auf 99% Abtötungsrate gehen, auf 99,99% oder auf 99,9999999% - aber 100% gibt es nicht. Es bleibt immer ein Restrisiko.
Die FDA (Federal Drugs and Food Administration, amerikanische Lebensmittelbehörde) definiert komerzielle Sterilität als 10^-12 Restrisiko, d.h eine Packung von einer Milliarde darf unsteril bleiben.

Das Blöde an der Sache ist, das man für eine höhere Sicherheit teuer bezahlt: Wenn ich heisser oder länger sterilisiere, brauche ich mehr Energie, vor allem aber gehe ich auf die Qualität des Produktes. Die meisten Lebensmittel werden nun mal leider matschig, wenn man zu lange drauf rumkocht. Und Vitamine etc. finden zu hohe Temperaturen auch nicht so toll.

Also nicht gleich über die Lebensmittelproduzenten schimpfen, wenn mal eine schlechte Packung dabei ist: die versuchen nur einen fast unmöglichen Spagat zwischen Sicherheit, Qualität und Preis zu finden.

Hoffe, erhellend geleuchtet zu haben :wink:
mabuse