Mißverständnisse beim Führen von Chören

Hallo,

inzwischen singe in seit über 20 Jahren in Laienchören und habe schon einige Chorleiter erlebt. Dabei habe ich schon häufig festgestellt, daß Chorleiter ihre Musik von einem anderen Blickwinkel aus sehen als die SängerInnen im Chor. Die meisten Mißverständnisse entfallen einem aber angesichts der konzentrierten Atmosphäre während der Probe gleich wieder. Ich möchte diese Mißverständnisse - in Zusammenarbeit mit euch - in einer Aufstellung auflisten und evtl. (abhängig von seiner Laune) meinem aktuellen Chorleiter übergeben.

Zum Einstieg gleich mal ein paar Ideen von mir:

  1. Chorleiter picken sich oft ein beliebige Stelle heraus und erwarten, daß der Chor mit der gewünschten Note sofort voll einsetzt. Aber für Chorsänger sind Stücke keine Aneinanderreihung von Tönen, sondern Sätze, die nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden sollen. Darum brauchen wir einen vernünftigen Einstieg.

  2. „Da singt der Alt eine Terz höher“. Erstens weiß ich nicht was der Alt singt und zweitens weiß ich zwar, was eine Terz in der Theorie ist, aber eine Terz von einem bestimmten Ton aus nach oben oder unten überfordert mich trotzdem völlig.

  3. „Da hat der Baß eine Stimmkreuzung mit dem Tenor“. Erstens weiß ich nicht was der Tenor singt und es interessiert mich auch nicht - schließlich habe ich genug mit meinen Noten zu tun. Und zweitens ist es mir völlig wurscht ob er über oder unter mir singt.

  4. „Das ist f-Dur“. Aaaha!

Bestimmt fallen euch auch ein paar Sachen ein.

Viele Grüße
Martin

PS: Vielleicht liest der eine oder andere Chorleiter dies und weiß jetzt endlich mal die verständnislosen Blicke seiner Sängerinnen und Sänger richtig zu deuten! :wink:)

Hallo

  1. Chorleiter picken sich oft ein beliebige Stelle heraus und
    erwarten, daß der Chor mit der gewünschten Note sofort voll
    einsetzt. Aber für Chorsänger sind Stücke keine
    Aneinanderreihung von Tönen, sondern Sätze, die nicht aus dem
    Zusammenhang gerissen werden sollen. Darum brauchen wir einen
    vernünftigen Einstieg.

Interessanterweise haben das wohl viele Musiker, unabhängig vom Instrument. Meine Klavierlehrerin forderte auch immer, mitten im „Satz“ mit einem Stück weiterzumachen. Meistens ging es mir besser von der Hand, wenn ich vom Anfang der Zeile bzw. ganz vom Anfang angefangen habe.
Das „mittendrin“ Anfangen kann jedoch einen ausgesprochen guten Lerneffekt haben:

  1. Man braucht nicht immer ewig, bis zu der Stelle, sondern kann diese kurze Stelle die geübt werden muss, öfter in kurzer Zeit wiederholen, bis es sitzt.
  2. Durch das „Herausreißen“ aus dem Kontext lernst du wirklich die Noten, den Klang dort besser, man konzentriert sich ganz anders darauf. Das ist schwierig, aber dadurch festigt man den ganzen Chor wie ich finde. Allerdings sollte der Chorleiter so ein bisschen ein Gespür dafür haben, wann er das mit dem Chor machen kann. Es nutzt nichts, wenn dabei nur Salat rauskommt :wink:
  1. „Da singt der Alt eine Terz höher“. Erstens weiß ich nicht
    was der Alt singt und zweitens weiß ich zwar, was eine Terz in
    der Theorie ist, aber eine Terz von einem bestimmten Ton aus
    nach oben oder unten überfordert mich trotzdem völlig.

Da soll er es vorsingen oder vorspielen. Das Problem beim Klavier ist, dass man sich so an den Klang mehrere Tasten gleichzeitig gewöhnt hat, dass man häufig nur den Leitton heraushört. Mit dem Ergebnis, dass sowohl Stimme A als auch Stimme B den gleichen Ton singen.
Da nun der Chorleiter selbst nur eine Stimme hat, muss man es halt nacheinander einüben, unter der Voraussetzung, dass wenigstens eine Stimmlage im Chor den für ihn bestimmten Ton trifft.

  1. „Da hat der Baß eine Stimmkreuzung mit dem Tenor“. Erstens
    weiß ich nicht was der Tenor singt und es interessiert mich
    auch nicht - schließlich habe ich genug mit meinen Noten zu
    tun. Und zweitens ist es mir völlig wurscht ob er über oder
    unter mir singt.

Auch für den einzelnen Sänger ist es von Vorteil, wenn man weiß, wie es sich im ganzen anhören soll - allein schon, um rückzukoppeln, ob man selbst richtig singt oder nicht.

Gerade die von dir benannten „Terz“-Stellen sind schwierig, weil man leicht in den anderen Ton abrutscht - dann singen alle das gleiche, das hört sich nicht „schief“ an, ist aber trotzdem nicth richtig.

  1. „Das ist f-Dur“. Aaaha!

:wink: Gut, zugegeben, das nutzt wenig, denn die Tonlage is für einen „einfachen Chorsänger“ piepsegal, hauptsache alle singen die gleiche

Bestimmt fallen euch auch ein paar Sachen ein.

Am besten gefiel mir in meiner Chorzeit, wenn der Chorleiter auf die Schwächen einer bestimmten Stimmlage hingewiesen hat, und mit denen dann die Stelle extra geübt hat. Beispiel: Der Tenor singt eine falsche Note. Dann hat der Rest des Chores ruhig zu sein und nur der Tenor singt, und zwar ein paarmal nacheinander. Danach setzt der Rest wieder ein.

Grüße

Laralinda

Hallo Martin,

im Normalfall wissen Chorleiter, warum sie das eine oder andere soundso proben, haben sich darüber im Vorfeld mindestens einen Abend lang gedanken gemacht.
Bei absoluten musikalischen Laien kann man gern noch vorsingen, aber ein „wohlerzogener“ Chor erwirbt automatisch die Grundlagen des Blattsingens, wenn der Chorleiter nicht immer darauf eingeht, dass alle ihre Stimme vorgesungen haben wollen. (Nun gut, man braucht im Chor einen Grundstock, der’s schon kann.)
Fallbeispiel dazu: In einen Chor, in dem ich sang, kam ein Student, der nicht einmal wusste, wie die Noten heißen, geschweige denn irgend etwas daraus entnehmen konnte. Nach fünf Proben hat er erstaunt festgestellt: „Ach, wenn die Noten weiter oben in der Zeile stehen, muss ich höher singen!“ Nach einem halben Jahr konnte er beinahe so gut blattsingen wie alle anderen.

  1. Chorleiter picken sich oft ein beliebige Stelle heraus und
    erwarten, daß der Chor mit der gewünschten Note sofort voll
    einsetzt. Aber für Chorsänger sind Stücke keine
    Aneinanderreihung von Tönen, sondern Sätze, die nicht aus dem
    Zusammenhang gerissen werden sollen. Darum brauchen wir einen
    vernünftigen Einstieg.

Hier hast Du ja schon eine fundierte Antwort erhalten: Der Übungseffekt ist größer, wenn der Chor das hinbekommt. Manche Chorleiter üben auch gern einzelne Akkorde, immer einen halten, dann auf Handzeichen zum nächsten u.s.w. - das schult die Intonation ungemein, wenn man sich als Sänger genau anhört, wie der Chor an dieser Stelle zusammenklingt.

  1. „Da singt der Alt eine Terz höher“. Erstens weiß ich nicht
    was der Alt singt und zweitens weiß ich zwar, was eine Terz in
    der Theorie ist, aber eine Terz von einem bestimmten Ton aus
    nach oben oder unten überfordert mich trotzdem völlig.

Üben, üben, üben. Es ist ein großes Problem unserer heutigen musikalischen Ausbildung, dass sie viel zu theoretisch ist. Wem nützt es denn irgendetwas, zu wissen, was eine Terz in der Theorie ist? Wichtig ist doch nur, wie eine Terz zusammenklingt.
Hast Du als Kind nie Volkslieder mit Deinen Eltern zusammen gesungen? Das übt nämlich das Gehör - insbesondere für Terzen. Einer erfindet halt spontan eine „zweite Stimme“, und das ist fast immer einfach eine Terz über oder unter der ersten. Dafür bekommt man dann im Laufe von 1, 2 Jahren ein Gefühl.
Such Dir doch jemanden zum Üben und singt einfach mal in unterschiedlichen Intervallen miteinander, z.B. startest Du auf dem C und singst eine Tonleiter, während Dein Partner beim E anfängt. Dann macht Ihr dasselbe mit einem anderen Intervall. Gute Chorleiter beziehen eine entsprechende Übung im Einsingen mit ein. So bekommst Du ein Gefühl dafür, wie sich die Terz anhört, und weißt auf Grund der Chorleiter-Information, dass Du falsch singst, wenn Du niemanden hörst, der mit Dir eine Terz singt.

Und schließlich: Warum weißt Du nicht, was der Alt singt? Du musst es ja nicht auswendig wissen, aber hör ihm doch mal zu. Chor funktioniert nur, wenn alle aufeinander hören. Beim Gospelchor unserer Gemeinde sitze ich am Klavier und wundere mich (nicht über die Maßen), dass keiner den Rhythmus mitsingen kann, den ich spiele - wundere mich noch viel mehr, dass die Sänger nicht einmal merken, dass da was klappert.

  1. „Da hat der Baß eine Stimmkreuzung mit dem Tenor“. Erstens
    weiß ich nicht was der Tenor singt und es interessiert mich
    auch nicht

Sehr schlechte Voraussetzung für Chorgesang, s.o.

schließlich habe ich genug mit meinen Noten zu tun.

Ja, warum denn? Weil das Stück so komponiert ist, dass es zusammen gut klingt, nicht, dass jede einzelne Stimme gut klingt. Wenn Du Dich also nur mit Deiner eigenen Stimme beschäftigst, dauert es viel länger, bis Du ein Gefühl für den Verlauf bekommst, als wenn Du Dich gleich mit der Stellung Deiner Stimme im Zusammenklang beschäftigst. Einem Chorsänger (nicht einem Solisten!) sollte es schwerer fallen, seine Stimme allein zu singen als sie im Chor zu singen.

Und zweitens ist es mir völlig wurscht ob er über oder unter mir singt.

Das kann ich nicht glauben. Als Bass ist man gewohnt, immer den tiefsten Ton zu singen. Wenn man dann einen tiefen Ton hört, singt man ihn fast unweigerlich mit, ohne damit zu rechnen, dass dies ausnahmsweise einmal nicht die Bassstimme ist. Ich habe noch keinen Chor erlebt, in dem Bass-Tenor- bzw. Sopran-Alt-Stimmkreuzungen unproblematisch wären.
(Alt-Tenor-Kreuzungen sind nicht so schlimm, die singen eh immer nur irgendeine Mittelstimme.)

  1. „Das ist f-Dur“. Aaaha!

Im Allgemeinen eine unnütze Information. Aaaber:
Es fällt den meisten Menschen nach höchstens 1/2 Stunde Üben ausgesprochen leicht, den Grundton, Terzton oder Quintton eines gegebenen Dreiklanges herauszuhören und nachzusingen. Eine weitere Woche Übung sorgt dann dafür, dass man jeden beliebigen Ton in einer gegebenen Tonart singen kann. (Z.B. hörst Du F-Dur, sollst ein e singen, was Dir problemlos gelingt, weil es der Leitton ist.) Die meisten Menschen können dies auch schon unbewusst - Du sicher auch, wenn Du nach dem orchestralen Vorspiel Deinen Einsatz findest. Man muss es nur vom Unbewusstsein ins Bewusstsein bekommen.
Die Information „Das ist F-Dur“ kann also zwei sinnvolle Anwendungen haben:
a) Du siehst ein C und singst den Grundton der Tonart, die Du gerade hörst. Was aber falsch ist, denn die Tonart ist F-Dur - Du solltest also den Quintton (bzw. die sog. „Auftakt-Quarte“) singen.
b) Du hast in Deinen Noten nur die Singstimmen, nicht den Orchesterpart notiert. Nun steht dort in den Noten ein C. Damit Du Deinen Ton findest, wenn der Chorleiter jetzt den Orchesterpart am Klavier intoniert, sagt er Dir Bescheid, dass dieser Teil in F-Dur steht. (Vielleicht ist F-Dur auch der Schlussakkord vom letzten Satz, und Du musst danach sofort einsetzen.) Nun weißt Du, dass Du den Quintton singen musst.

Jetzt siehst Du mal die Argumentation aus Chorleitersicht, bei der zum Vorschein kommt, dass Du ihn offenbar missverstehst. Es ist alles subjektiv.
Und: Blattsingen lernt man nur durch Blattsingen - am Ende haben’s die Blattsänger im Chor leichter.

Liebe Grüße
Immo

Hallo Immo,

im Normalfall wissen Chorleiter, warum sie das eine oder
andere soundso proben, haben sich darüber im Vorfeld
mindestens einen Abend lang gedanken gemacht.

Das ist bestimmt so. Aber ich denke eben, daß sie dabei von ihrer Sichtweise eines Musikprofis ausgehen.

Hier hast Du ja schon eine fundierte Antwort erhalten: Der
Übungseffekt ist größer, wenn der Chor das hinbekommt. Manche
Chorleiter üben auch gern einzelne Akkorde, immer einen
halten, dann auf Handzeichen zum nächsten u.s.w. - das schult
die Intonation ungemein, wenn man sich als Sänger genau
anhört, wie der Chor an dieser Stelle zusammenklingt.

Das habe ich auch schon erlebt. Aber es hängt alles ab von dem Stadium, in dem man sich als Chorsänger befindet: Nach den ersten paar Proben kann man das Stück noch gar nicht und man hat (wie beschrieben) genug mit sich selbst zu tun. Ab der Mitte des Probenzeitraumes tut man sich langsam leichter mit den Noten, man beginnt langsam, die Noten auswendig zu singen. In diesem Stadium lernt man auch den Gesamtklang des Stückes kennen.
Gerade bei unserer aktuell einstudierten Messe (Harmoniemesse von Haydn) habe ich dieses Mal mal ausprobiert, in einem sehr frühen Stadium mit der Originalaufnahme zu proben: Das bringt gar nix. Ich kenne weder meine Stimme noch den Gesamtklang. Ungefähr ab 6 Wochen vor der Aufführung macht mir das aber gar keine Probleme mehr.

Einer erfindet halt spontan eine „zweite Stimme“, und das ist
fast immer einfach eine Terz über oder unter der ersten. Dafür
bekommt man dann im Laufe von 1, 2 Jahren ein Gefühl.
Such Dir doch jemanden zum Üben und singt einfach mal in
unterschiedlichen Intervallen miteinander, z.B. startest Du
auf dem C und singst eine Tonleiter, während Dein Partner beim
E anfängt. Dann macht Ihr dasselbe mit einem anderen
Intervall.

Das ist eine gute Idee. Werde ich mal ausprobieren.

Und schließlich: Warum weißt Du nicht, was der Alt singt?

S.o.

Ja, warum denn? Weil das Stück so komponiert ist, dass es
zusammen gut klingt, nicht, dass jede einzelne
Stimme gut klingt. Wenn Du Dich also nur mit Deiner
eigenen Stimme beschäftigst, dauert es viel länger, bis Du ein
Gefühl für den Verlauf bekommst, als wenn Du Dich gleich mit
der Stellung Deiner Stimme im Zusammenklang beschäftigst.

Das mag vielleicht bei einem Berufsmusiker der Fall sein oder wenn man gut vom Blatt singen kann. Ich bin eher weniger gut darin, dafür kann ich die Stücke sehr schnell auswendig.

Einem Chorsänger (nicht einem Solisten!) sollte es schwerer
fallen, seine Stimme allein zu singen als sie im Chor zu
singen.

Das ist in der Tat so - aber wie gesagt nur wenn man das Stück schon kennt. Das wäre auch noch ein Punkt in meiner Liste, denn unser Chorleiter macht das bis kurz vor dem Konzert so daß er Einzelstimmen probt. Da habe dann selbst ich Probleme. Obwohl ich das Stück mit Begleitung schon längst auswendig kann.

Das kann ich nicht glauben. Als Bass ist man gewohnt, immer
den tiefsten Ton zu singen. Wenn man dann einen tiefen Ton
hört, singt man ihn fast unweigerlich mit, ohne damit zu
rechnen, dass dies ausnahmsweise einmal nicht die Bassstimme
ist. Ich habe noch keinen Chor erlebt, in dem Bass-Tenor- bzw.
Sopran-Alt-Stimmkreuzungen unproblematisch wären.

Finde ich ja lustig…

…Du sicher auch, wenn Du nach dem
orchestralen Vorspiel Deinen Einsatz findest. Man muss es nur
vom Unbewusstsein ins Bewusstsein bekommen.

Mag sein daß das das Problem ist…

Die Information „Das ist F-Dur“ kann also zwei sinnvolle
Anwendungen haben…

Äääh, ich hoffe Du erlaubst, daß ich mich hier ausklinke? Aber falls Du in der Nähe wohnst darfst Du mir gerne mal Unterricht geben.

Und: Blattsingen lernt man nur durch Blattsingen - am Ende
haben’s die Blattsänger im Chor leichter.

Nein: Am Anfang, nur am Anfang. Denn am Schluß singen sie’s immer noch vom Blatt und ich schon längst auswendig. Wobei das auswendig Singen 2 Nachteile hat: man sieht seine in die Noten geschriebenen Kommentare nicht und man weiß nachher nicht mehr, auf welcher Seite man sich befindet.

Viele Grüße
Martin

hallo auch!

inzwischen singe in seit über 20 Jahren in Laienchören und
habe schon einige Chorleiter erlebt.

wenn ich dieser information entnehmen darf, daß du es mit chorleitern zu tun hast, die ihre zeit unentgeltlich für euch opfern, frage ich mich, worauf du wirklich hinaus willst.

aus deinen ausführungen bekomme ich (offenbar nicht als einziger) den eindruck, daß du dich in den 20 jahren standhaft geweigert hast, dich mit den geheimnissen des chorsingens näher auseinanderzusetzen. man braucht ja nicht unbedingt musik studieren um in dieser langen zeit ein bißchen was aufzuschnappen.

das ganze klingt für mich einfach so wie „ich bin seit 20 jahren laie und möchte es auch bleiben, ich verstehe nicht wieso jemand mir helfen will, ein höheres level zu erreichen“. schade, finde ich.

Dabei habe ich schon
häufig festgestellt, daß Chorleiter ihre Musik von einem
anderen Blickwinkel aus sehen als die SängerInnen im Chor.

es wäre eher kontraproduktiv, wenn das anders wäre. und mit verlaub, ohne jemandem nahetreten zu wollen, ein durchschnittlicher chorsänger ist austauschbar, der durchschnittliche chorleiter weniger. falls natürlich der ganze chor irgendwelche schwierigkeiten mit dem leiter hat (auch schon erlebt, kann auch vorkommen), solltet ihr es ansprechen… aber ein bißchen anders als du es hier tust.

  1. Chorleiter picken sich oft ein beliebige Stelle heraus und
    erwarten, daß der Chor mit der gewünschten Note sofort voll
    einsetzt. Aber für Chorsänger sind Stücke keine
    Aneinanderreihung von Tönen, sondern Sätze, die nicht aus dem
    Zusammenhang gerissen werden sollen. Darum brauchen wir einen
    vernünftigen Einstieg.

der chorleiter erwartet einen gewissen lerneffekt, wenn er eine bestimmte stelle probt. natürlich könnte er all seine wünsche an euch zuerst lang und breit erklären, was immer noch keine garantie dafür wäre, daß ihr sie dann akzeptiert, also spart er sich die zeit. hast du so viel vertrauen zu deinem chorleiter, daß du annimst, es hätte hand und fuß, was er tut, oder nicht? wenn nicht, ist das eine denkbar schlechte voraussetzung für eine zusammenarbeit.

  1. „Da singt der Alt eine Terz höher“. Erstens weiß ich nicht
    was der Alt singt und zweitens weiß ich zwar, was eine Terz in
    der Theorie ist, aber eine Terz von einem bestimmten Ton aus
    nach oben oder unten überfordert mich trotzdem völlig.

nach 20 jahren chorsingen? dann solltest du den chorleiter bitten, gezielte gehörbildungsübungen ins einsingen einzubauen. gerade terzen kann man, wie schon von meinem vorredner gesagt, sehr leicht und effektiv üben.

  1. „Da hat der Baß eine Stimmkreuzung mit dem Tenor“. Erstens
    weiß ich nicht was der Tenor singt und es interessiert mich
    auch nicht - schließlich habe ich genug mit meinen Noten zu
    tun. Und zweitens ist es mir völlig wurscht ob er über oder
    unter mir singt.

auch das wurde schon ausreichend kommentiert. dazu noch ein denkanstoß: versuch mal davon auszugehen, daß der chorleiter nicht mit jeder seiner aussagen genau dir etwas mitteilen möchte, sondern auch deinen mitsängern. den tenor interessiert die info vielleicht doch. und einige der anderen bässe eventuell auch…

  1. „Das ist f-Dur“. Aaaha!

das mag jetzt für all diejenigen, die in 20 jahren schon mal den klang eines durdreiklangs verinnerlicht haben, eine interessante info sein - denn ob man einen sauberen dreiklang singt oder nicht, könnte man theoretisch hören.

Hi,
Du hast schon reichlich kompetente Antwort erhalten.
Nur noch ein paar Anmerkungen meinerseits:

Dabei habe ich schon
häufig festgestellt, daß Chorleiter ihre Musik von einem
anderen Blickwinkel aus sehen als die SängerInnen im Chor.

Wie könnte es anders sein? Das liegt in der Natur der Sache, ist sinnvoll und gut so.
Durchaus sollte der Chorleiter den Sängern musikalisch auch (weit) voraus sein, wie sollte er sonst lehren und leiten können?

  1. Chorleiter picken sich oft ein beliebige Stelle heraus

Mit Sicherheit ist die Auswahl der Stelle nicht beliebig.

und erwarten, daß der Chor mit der gewünschten Note sofort voll
einsetzt. … Darum brauchen wir einen
vernünftigen Einstieg.

Er wird Töne angeben, auch mitten in der Phrase, im Satz, sogar im Wort (kommt bei mir durchaus vor).
Wenn er keine Töne mehr angibt, sollte der Klang vorher gestanden haben, und sich im Sängerohr ein wenig gehalten haben, dieses überprüft er.
Oder aber - Möglichkeit zwei - es ist ein schlechter Chorleiter, der die Nöte seiner Sänger nicht bemerkt.

  1. …Erstens weiß ich nicht was der Alt singt
  2. …Erstens weiß ich nicht was der Tenor singt und
    es interessiert mich auch nicht - …
    Und zweitens ist es mir völlig wurscht

Mit dieser Einstellung hättest Du in keinem meiner Chöre eine Chance.

PS: Vielleicht liest der eine oder andere Chorleiter dies und
weiß jetzt endlich mal die verständnislosen Blicke seiner
Sängerinnen und Sänger richtig zu deuten! :wink:)

Die fragen mich dann einfach, und genau das bitte ich mir auch aus. Wenn jemand was nicht versteht, dann fragen, sofort zur nächsten Gelegenheit (natürlich nicht mitten während des Singens).
Meistens werden die Fragen sofort zur Zufriedenheit geklärt, unter bestimmten Voraussetzungen antworte ich nur kurz und greife das Thema ein anderes Mal auf.

Allgemein liest sich Deine Anfrage so, als wärst Du mit den Anweisungen dieses Chorleiters schlicht überfordert. Diese von Dir genannten vier Beispiele sind aber wirklich keinesfalls mehr als Laienniveau (ein gewisses Lebensalter und Interesse vorausgesetzt). Dieses Niveau solltest Du in 20 Jahren aktiven Chormusizierens aber eigentlich (mindestens) erreicht haben.
Die genannten Begriffe (Terz, Stimmkreuzung, F-Dur) sollte man nach 20 Jahren nicht nur kennen, sondern auch eine klangliche Vorstellung davon haben.
Selbstverständlich kann und sollte ein Chorleiter auch in Theoriefragen Information geben, die Wissbegierigen hören dann auch zu und lernen dadurch weiter.

Ich habe es ein einziges Mal als Chorsänger erlebt, dass ein Chor sich mehrheitlich gegen den Leiter aufgelehnt hat. Der Grund war ganz einfach, nach jahrelanger, sehr kompetenter Führung kam ein neuer Chorleiter, der mit dem Chor „Liedchen“ sang, keine eigene Vorstellung von den Stücken hatte, nicht am Klang arbeitete usw. Er hat den Chor unter fordert, es war stinklangweilig.
Eine Überforderung von Sängern durch die vier von Dir genannten Punkte lässt allerdings nicht zuerst auf Mängel beim Chor leiter schließen.

Gruß
H.

Hallo Martin,

inzwischen singe in seit über 20 Jahren in Laienchören und
habe schon einige Chorleiter erlebt.

Soviel hab ich noch nicht auf dem Buckel. Ich singe seit 5 Jahren in dem von mir quasi mitgegründeten Chor.

Dabei habe ich schon
häufig festgestellt, daß Chorleiter ihre Musik von einem
anderen Blickwinkel aus sehen als die SängerInnen im Chor.

Ich würde eher sagen, sie hören die Musik von einem anderen Standpunkt (wortwörtlich). Mitten im Chor kann man meiner Meinung nach nicht wirklich beurteilen, wie der Gesamtklang ist.

  1. Chorleiter picken sich oft ein beliebige Stelle heraus und
    erwarten, daß der Chor mit der gewünschten Note sofort voll
    einsetzt. Aber für Chorsänger sind Stücke keine
    Aneinanderreihung von Tönen, sondern Sätze, die nicht aus dem
    Zusammenhang gerissen werden sollen. Darum brauchen wir einen
    vernünftigen Einstieg.

Das hat mich anfangs auch häufig gestört. Mittlerweile kann ich das besser. Unser Chorleiter achtet aber auch meistens drauf, dass es keine allzu unmöglich Stelle ist.

  1. „Da singt der Alt eine Terz höher“. Erstens weiß ich nicht
    was der Alt singt und zweitens weiß ich zwar, was eine Terz in
    der Theorie ist, aber eine Terz von einem bestimmten Ton aus
    nach oben oder unten überfordert mich trotzdem völlig.

Wenn ich mit so einer Aussage nichts anfangen kann, dann denk ich mir als Optimist, dass es anderen vielleicht hilft.

  1. „Da hat der Baß eine Stimmkreuzung mit dem Tenor“. Erstens
    weiß ich nicht was der Tenor singt und es interessiert mich
    auch nicht - schließlich habe ich genug mit meinen Noten zu
    tun. Und zweitens ist es mir völlig wurscht ob er über oder
    unter mir singt.

Ich singe Sopran, von daher interessiert es mich auch kaum, was zwischen Bass und Tenor los ist. Aber dass es dich als Bass (?) nicht interessiert, wenn du über dem Tenor singen sollst, kann ich nicht so ganz verstehen.

  1. „Das ist f-Dur“. Aaaha!

Siehe Antwort bei Punkt 2.

Bisher hast du ja lauter „Chorleiterversteher-Antworten“ bekommen (eigentlich auch von mir), obwohl du nach ganz was anderem gefragt hast.

Bestimmt fallen euch auch ein paar Sachen ein.

Ja, mir fällt tatsächlich auch was ein, und auch wenn es sich oben vielleicht anders angehört hat, ich kann deine Punkte schon auch nachvollziehen. (Ich denke, sie waren nicht als ganz ernst zu nehmende Kritik gemeint.)

Mich stört manchmal, wenn unser Chorleiter uns von einem Stück zuerst einzelne Abschnitte beibringt, und dann anscheinend erwartet, dass jeder diese Abschnitte sofort fehlerfrei zusammenfügen kann. Ich sag dann auch öfter mal: „Können wir da bitte den Übergang kurz proben?“

Ich kann außerdem mit sich scheinbar widersprechenden Aussagen nicht viel anfangen. „Die Stelle mehr betonen, aber nicht so hart.“ Da weiß ich dann meist nicht so recht, wie ich das umsetzen soll. Aber unser Chorleiter macht das dann oft auch vor, so gehts dann wieder.

Mittlerweile bezieh ich auch nicht mehr alle Aussagen auf mich. „Da muss der Einsatz weicher sein.“ Wenn ich das Gefühl hab, ich hab so weich wie nur möglich eingesetzt, dann erlaube ich mir auch, den Hinweis zu ignorieren und die Schuld quasi auf die anderen zu schieben :wink:

Da fällt mir noch ein Punkt ein, der aber schwer zu erklären ist. Bei Stücken, wo nicht der ganze Chor auf einmal beginnt, sondern manche erst später einsetzen, gibt es manchmal das Problem, das die später Einsetzenden ihren Ton schwer finden. Ich persönlich lern sowas meist an besten im Zusammenhang mit dem was die anderen vorher singen. So als würde das auch zu meiner Stimme gehören ich sings halt nur nicht mit. (hoffentlich war das einigermaßen verständlich) Unser Chorleiter versteht das leider auch nicht immer, und meint, wenn er den Ton angibt, kann man sich den ja merken, bis man dran ist. Damit hab aber (nicht nur) ich Probleme.

PS: Vielleicht liest der eine oder andere Chorleiter dies und
weiß jetzt endlich mal die verständnislosen Blicke seiner
Sängerinnen und Sänger richtig zu deuten! :wink:)

Bei uns gehts insgesamt recht locker zu und die meisten sagen gleich, wenn sie was nicht verstehen. Von daher hab ich nicht das Bedürfnis, solche Sachen zu sammeln und ihm zu übergeben.

Gruß
Michaela

Hallo Martin!

Einer erfindet halt spontan eine „zweite Stimme“ …

Das ist eine gute Idee. Werde ich mal ausprobieren.

Freut mich, dass ich Dir eine Anregung geben konnte.

Äääh, ich hoffe Du erlaubst, daß ich mich hier ausklinke? Aber
falls Du in der Nähe wohnst darfst Du mir gerne mal Unterricht
geben.

Ist Berlin in der Nähe?

Und: Blattsingen lernt man nur durch Blattsingen - am Ende
haben’s die Blattsänger im Chor leichter.

Nein: Am Anfang, nur am Anfang. Denn am Schluß singen sie’s
immer noch vom Blatt und ich schon längst auswendig.

Das stimmt. Aber nicht, weil sie’s nicht könnten - sondern weil sie genauso wenig auf ihre Auswendigsinge-Fähigkeiten vertrauen wie die Auswendigsänger auf ihre Blattsinge-Fähigkeiten.
Wir hatten mal im Chor (ja, immer noch der Blattsänger-Chor) ein Stück mit dem Titel „Der schwarze Mond“, das war irre kompliziert: Der Bass hatte immer nur eine Figur auf „dum-dum-dum“, nur zwei-dreimal im Stück musste der Grundton dieser Figur länger ausgehalten werden. Die anderen Stimmen bildeten Dreiklänge, die nicht wirklich zur Tonart passten. Der Text bestand aus lauter ähnlichklingenden Zeilen. Überdies war das Stück im 7/8-Takt, also nicht einmal rhythmisch eingängig.
Wir hatten es schon ein-zweimal aufgeführt. (Wir haben nie etwas auswendig aufgeführt.) Irgendwann trafen wir uns zu einem Grillabend, wir sangen einige Stücke mit Noten, dann wurde es zu dunkel. Drei, vier volkstümliche Stücke konnten wir singen, dann schlug jemand den „schwarzen Mond“ vor. Die Soprane (die „schlimmsten“ Blattsinger!) meinten gleich nee, das klappt nie. Unser Dirigent meinte, er hat das Stück nicht im Kopf, er könne es nicht dirigieren.
Da meinte ich, okay, dirigier ich’s halt, ich glaube (!), ich kann’s auswendig.

… Am Ende war das die beste Darbietung dieses Werkes, die uns je gelungen ist. Trotzdem zweifeln die Blattsänger noch …

Man muss halt beides können, dann hat man die Vorteile am Anfang und am Ende.

Am schwersten haben’s übrigens Sänger mit absolutem Gehör, weil die schon durcheinander kommen, wenn das Klavier 1/4 Ton tiefer gestimmt ist. :smile:

Liebe Grüße
Immo