Mit Grund traurig oder depressiv?

grüßt euch,

um ein Trauer auslösendes Ereignis zu verarbeiten, braucht es mehr oder weniger Zeit. Wenn man mehrere solcher Ereignisse zu verarbeiten hat, die einen so kurz hintereinander ereilen, dass man das eine noch nicht ansatzweise verarbeiten konnte bevor das nächste kommt, braucht man seine Zeit zum Verarbeiten. Und schon heißt es: du hast Despressionen, geh’ zum Psychotherapeuten.

Ich meine, dass es ein Unterschied ist, ob man einen Grund hat, traurig zu sein und sich die Zeit nimmt, seine Trauer auszuleben/zu verarbeiten oder ob man ohne ersichtlichen Grund traurig ist, man also von einer Depression reden kann. Sehe ich das falsch?

Danke,
Hannelore

Ich meine, dass es ein Unterschied ist, ob man einen Grund
hat, traurig zu sein und sich die Zeit nimmt, seine Trauer
auszuleben/zu verarbeiten oder ob man ohne ersichtlichen Grund
traurig ist, man also von einer Depression reden kann. Sehe
ich das falsch?

Weder falsch noch richtig, sondern anders…

Trauer und Depression sind grundsätzlich zwei verschiedene Geschichten. Der Unterschied liegt nicht darin, dass dem einen, der Trauer, ein entsprechendes Ereignis vorangeht und der Depression nicht. Eine Depression ist sogar sehr häufig re-aktiv, d.h. sie wird durch ein Ereignis ausgelöst, mit dessen Verarbeitung der Betroffene nicht zurecht kommt.

Auf der anderen Seite stimmt natürlich, dass es völlig normal ist, dass Trauer und die Verarbeitung einer oder gar mehrerer solcher Ereignisse Zeit brauchen. Zeit, die in einer schnelllebigen, auf „Funktion“ ausgerichteten Umwelt oft nicht so ohne weiteres gegeben wird. Wobei nicht einmal bös gemeint ist, wenn das Umfeld auf das Leid des Trauernden dadurch reagiert, dass professionelle Hilfe in Erwägung gezogen wird.

Trauer kann, gerade bei Häufung solch belastender Ereignisse, in Depression umschlagen, wenn Betroffene aus der Trauer nicht mehr rausfinden. Wann das der Fall ist, dafür gibt es keinen eindeutigen Zeitpunkt, es gibt keine Festlegung, wie lange ein solcher Trauerprozess dauern darf. Wobei deine Formulierungen „sich Zeit nehmen“, „auszuleben“, „verarbeiten“ drauf hindeuten, dass diese Phase der Trauer eine aktive, bewusste ist, was nicht unbedingt dem Muster eine Depression entspricht.

Gerade, wenn die Belastung durch Häufung sehr hoch ist, kann es allerdings nicht schaden, jemand Professionellen flankierend hinzuziehen, der auf den Trauerprozess ein Auge hat und einschätzen kann, ob und wann Trauer in Depression umschlägt. Das kann der langjährige Hausarzt sein, ein Seelsorger, ein Trauerbegleiter oder ein Psychotherapeut, den man zunächst kontaktiert, um den eigenen Stand zu reflektieren, ohne gleich eine Therapie anzufangen.

Hallo Hannelörken,

um ein Trauer auslösendes Ereignis zu verarbeiten, braucht es
mehr oder weniger Zeit.

und auch die aktive Bereitschaft, sich ihr zu stellen.

Wenn man mehrere solcher Ereignisse zu
verarbeiten hat, die einen so kurz hintereinander ereilen,
dass man das eine noch nicht ansatzweise verarbeiten konnte
bevor das nächste kommt, braucht man seine Zeit zum
Verarbeiten.

Da du von „Verarbeiten“ sprichst, hast du das verstanden.

Und schon heißt es: du hast Despressionen, geh’ zum Psychotherapeuten.

Ich meine, dass es ein Unterschied ist, ob man einen Grund
hat, traurig zu sein und sich die Zeit nimmt, seine Trauer
auszuleben/zu verarbeiten oder ob man ohne ersichtlichen Grund
traurig ist, man also von einer Depression reden kann. Sehe
ich das falsch?

Prinzipiell siehst du das richtig, und Trauern und traurig sein sind nicht nur sprachlich dasselbe. Vielleicht ist dein Umfeld überbesorgt.

Du solltest nur ganz hinten im Kopf haben, dass andere manchmal den schärferen Blick haben, und ehrlich dir gegenüber sein. Und vor allem dann, wenn sie unrecht haben, aber in Zukunft Recht bekommen sollten, auf diese zuzugehen.

Gruß, Zoelomat

Achtsamkeit
grüßt euch,

wie ich gelesen habe, denkt ihr wie ich. Ich ärgere mich darüber, daß immer gleich von Depressionen geredet wird und immer gleich nach einem Therapeuten gerufen wird. Selbstverständlich ist Hilfe notwendig, wenn man „in dem schwarzen Loch“ stecken bleibt.

Wenn man körperliche Beschwerden hat, wird gefragt und diagnostiziert (ich spreche von Laien) und man bekommt Ratschläge über Ratschläge, Beispiele, wie es bei anderen war und was da gemacht wurde etc. Aber kaum geht es um die Psyche …Ich verstehe das, denn jeder empfindet anders und es ist anstregend, sich in die Gefühlswelt eines anderen einzufühlen.

Innerhalb von 3 Jahren sind meine 3 besten Freundinnen gestorben und meine 3 Katzen, die nicht einfach nur irgendwelche Haustiere für mich waren. Während dieser 3 schwarzen Jahre ist noch mehr passiert, was für mich genau so schlimm war oder noch schlimmer - aber das wird zu umfangreich. Das Leid war groß. Die seelischen Wunden heilen nur langsam, aber ich empfinde das als normal. Wer hätte helfen können? Ein Therapeut kann keine Trauerarbeit für einen anderen machen, die muß jeder für sich selbst machen. Außerdem habe ich vor vielen Jahren mit Therapeuten nur schlechte Erfahrungen gemacht. Unterstützung holen, wenn man solche Vorbehalte hat? Ich bin wieder rausgeklettert aus meinem schwarzen Loch, habe wieder 2 Schmusekatzen bei mir und suche auch wieder Ersatz für mein verlorenes Zuhause. Ersatz für meine Freundinnen und was ich sonst noch verloren habe?

Für das Wort „Ersatz“ muß ich noch ein anderes Wort finden - versteht ihr, was ich damit meine? Wie heißt dieses Zauberwort? Sich vorbehaltlos auf den Ersatz einlassen? Damit bin ich wieder bei der Zeit, die bekanntlich alle Wunden heilen soll. Aber Narben bleiben und erinnern an Erlebtes - ich nenne sie „Lebenserfahrungen“.

Danke für eure Anteilnahme,
Hannelore

Hallo Hannelore

ich bin kein Experte, kann aber aus eigenen Erfahrungen sehr gut nachempfinden, was Du meinst.

Ich habe in den letzten fünf Jahren im Zwei-Jahres-Abstand meinen Vater, meinen Stiefopa und im letzten Jahr meinen Mann (ganz unerwartet/plötzlich wegen Krebs) zu „Grabe tragen“ müssen.

Da kommt man so schnell nicht aus seiner Trauerzeit raus, wenn dann schon wieder die nächste anfängt.

Ich beschriebe mich auch nicht als depressiv (ein Freund von mir leidet unter diagnostizierter Depression), ich nehme mir auch die Zeit und erwarte nicht, dass alles wieder gleich „perfekt“ in meinem Leben läuft, ich mich auch an manchen Tagen einfach nur gelähmt fühle, da ich mal wieder nicht schlafen konnte.

Natürlich bekomme ich auch immer wieder zu hören, ich müsste, sollte, könnte doch…aber diese Menschen aus meinem Umfeld machen sich eben auch Sorgen - und diese stehen ihnen genauso zu wie mir meine Trauer.

Aber kaum geht es um die Psyche
…Ich verstehe das, denn jeder empfindet anders und es ist
anstregend, sich in die Gefühlswelt eines anderen einzufühlen.

Glaub mir - solche Verluste/Erfahrungen (mein Mann und mein Vater hatten Krebs mit einem ganz schrecklichen Sterbensprozess) kann niemand nachempfinden, der es nicht ansatzweise mal selbst erlebt hat.

Wer hätte
helfen können? Ein Therapeut kann keine Trauerarbeit für einen
anderen machen, die muß jeder für sich selbst machen.

Das sehe ich auch so, aber es gibt auch Menschen, die ähnliche Verluste erlitten haben - und der Austausch hilft schon.

Unterstützung holen, wenn man solche
Vorbehalte hat?

Das fällt mir auch schwer, aber meine Vernunft sagt mir, wenn ich in spätestens einem Jahr immer noch Schlafstörungen habe, zu wenig esse, mich in meine Arbeit stürze, ist es definitiv Zeit, so eine Unterstützung eben auch anzunehmen.

Ich bin wieder rausgeklettert aus meinem
schwarzen Loch, habe wieder 2 Schmusekatzen bei mir und suche
auch wieder Ersatz für mein verlorenes Zuhause. Ersatz für
meine Freundinnen und was ich sonst noch verloren habe?

Ich bin auch am „Klettern“. Tageweise gelingt es mir sehr gut, aber es gibt auch Tage, an denen dieses „schwarze Loch“ eben auch wieder unendlich tief ist.

Für das Wort „Ersatz“ muß ich noch ein anderes Wort finden -
versteht ihr, was ich damit meine? Wie heißt dieses
Zauberwort?

Ich denke, es ist in so einer Situation einfach nur verständlich, bestimmte Menschen/Tiere als „Ersatz“ zu betiteln. Aber man missbraucht sie ja nicht, sondern gibt ihnen und sich selbst die Möglichkeit, dass aus dem „Ersatz“ auch mal mehr werden könnte.

Sich vorbehaltlos auf den Ersatz einlassen?

Ja, denn sonst lässt man durch den starken Verlust letztlich dem „Ersatzobjekt“ ja keinen Raum, sich als (fast gleichwertiger) „Nachfolger“ zu erweisen.

Damit
bin ich wieder bei der Zeit, die bekanntlich alle Wunden
heilen soll. Aber Narben bleiben und erinnern an Erlebtes -
ich nenne sie „Lebenserfahrungen“.

Diese Narben werden definitiv bleiben - da kann mir sonst jemand etwas erzählen. Aber mit der Zeit wird es wirklich erträglicher.

Liebe Grüße

Kathleen

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