Mitleidsfrage

Hallo,
ich wüßte da gerne mal was: Parsival versäumt es ja, als er das erste mal auf den König (Name vergessen) mit dem Leistenbruch trifft, ihm die „Mitleidsfrage“ zu stellen.
Welche Bedeutung hat diese Frage? Da steckt ja doch einiges mehr hinter als „Na, Alter, wie isset?“. Ich kann das nicht einordnen als Motiv. Worum geht es da? Tut mir leid, genauer kann ich mein Problem nicht umreißen. Würde mich aber trotzdem freuen über einige inspirierende Gedankengänge!!
Vielen Dank,
Charlotte

Wer viel fragt, bekommt viel Antwort

Ich wüßte da gerne mal was: Parsival versäumt es ja, als er das erste mal auf den König (Name vergessen) mit dem Leistenbruch trifft, ihm die „Mitleidsfrage“ zu stellen. … Worum geht es da? Charlotte.


Gute Frage. War für mich Anlaß, mal wieder meinen „Parzival“ (Text des Wolfram von Eschenbach, ca. 1220; gedruckt in der Dietrichschen Verlagsbuchhandlung Leipzig, DDR, 1986) hervorzukramen.

Also: Parzival wird durch seine Mutter bewußt vom Rittertum ferngehalten. Als er dann doch mit der Außenwelt in Kontakt kommt, benimmt er sich einfältig, beraubt aus Torheit eine Frau (Jeschute) und tötet einen Verwandten (Ither von Gaheviez), um dessen Rüstung zu erhalten. Dann wird er standesgemäß ausgebildet, versteht aber die Anweisung seines Lehrers, nicht zuviel zu fragen, wörtlich.

Die unterlassene „Mitleidsfrage“ ist der Gipfel von Parzivals Torheiten. Der Oberste der Gralsritter (Anfortas lautet der vergessene Name) hat keinen Leistenbruch, sondern eine unheilbare Wunde von einem Lanzenstich; da er aber täglich den Gral sieht (und man an dem Tag, wo man den Gral gesehen hat, nicht sterben kann), lebt er mit den Schmerzen einer tödlichen Verwundung weiter. Helfen kann nur, wenn jemand, der nach seiner Herkunft berufen ist, die Gralsritter zu befehligen, zur Gralsburg kommt und dort fragt, was dem König Anfortas fehlt. Im fünften Buch des „Parzival“ erreicht P. die Gralsburg, sieht alles, aber eingedenk der Lehre „Fragt nicht zuviel!“ schweigt er. Daraufhin wird er aus der Gralburg gewiesen und hat bis zum 16. Buch massig zu tun, um seine Fehlleistung wieder zu korrigieren.

Der „Parzival“ den Wolfram von Eschenbach enthält mehrere Ideen. Hinter der „Mitleidsfrage“ verbirgt sich letztlich das Gebot der Nächstenliebe, das über Standesregeln und Ritualen steht.

  • Django -

Fraglos eine hilfreiche Antwort!!
Tausend Dank, Du hast mir wirklich weitergeholfen!!
Liebe Grüße,
Charlotte

Soweit absolut ok!

Anzumerken ist aber auch, dass diese Frage Parzival als den legitimen Nachfolger Anfortas’ idendifiziert. Hier sei auch nur auf die Szene am Artus-Hof hingewiesen, als Cunneware lacht (denn, so wird es erzaehlt, sie lacht nur, wenn denn endlich der Heilsbringer auftaucht. Das ihr Lachen scheinbar primaer von Parzivals Narrenkleidung ausgeloest wird- in die seine Mutter ihn gekleidet hat - ist wieder mal ein Beweis fuer Wolframs erzaehlerische Qualitaeten [Mag aber auch sein, dass schon Chestien dieses Motiv brachte]). Die Frage lautet uebrigens (laut Trevrizent, dem Einsiedler, bei dem Parzival einkehrt):„herre, wie stet iuwer not?“ (also: Herr, was fehlt Euch?). Spaeter, als Parzival dann soz. eine zweite Chance erhaelt, fragt er: „oeheim, was wirret dir?“, also „Onkel, was fehlt Dir“ oder „… was ist mit Dir los“? Hier ist Wolfram also durchaus ein bisschen unkonsequent.

Gruss

Henriette

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