Mittelalter stadt

Hallo,
ich habe im Sommer einige italienische Altstädte besucht, dabei kam mir eine Frage:
Bei der Enge der Gassen, wie kam man ohne Einbahnstraßen aus? Klar, es gab natürlich viel weniger Verkehr, aber es wird doch zumindest ab und an vorgekommen sein, daß sich zwei Pferdefuhrwerke entgegengekommen sind. Und so ein Fuhrwerk kann man ja nun sehr schwer rückwärts wieder aus der Gasse herausfahren…
Oder gab es doch schon Einbahnstraßen?

Vielen Dank schonmal,
Lennard

Hallo Lennhard, ich beschäftige mich mit dem Leben im Mittelalter. Dazu gehört der Mensch. Von Verkersproblemen weiss ich nichts. Sorry!
Gruß
Dieter

Hallo Lennard
Eine sehr interessante Frage!
Solche „Altstädte“ gibt es nicht nur in Italien, sondern auch in Frankreich, Spanien,Österreich und in der Schweiz.
Als diese Städte oder Dörfer wurden hauptsächlich so gebaut, dass man sich verteidigen konnte, gegen Angriffe anderer Städte oder Mächte! Damals war der Besitz eines Pferdes ein Luxus (wie heute ein Mercedes),denn sich die Bewohner nicht leisten konnten. Sämtliche Waren wurden durch die Gassen getragen oder mit Handkarren transportiert. Meistens befanden sich (resp. befinden sich immer noch) „Betriebe“ wie Weinbauern, Olivenbauern, Schmiede und Küffer (machen Fässer) vor den Toren einer Ortschaft.
Ich hoffe, dir deine Frage einigemassen beantwortet zu haben.
Gruss Jean Roggenmoser

Super,
vielen Dank für die Antwort!
Heißtdenn das auch, das, daß Bauern, die ihre Waren angeboten haben, ihre Fuhrwerke vor den Stadttoren stehenließen, wenn bspw Markt oder ähnliches war? Ich rede jetzt nicht von den kleinen Bergdörfchen, sondern von Städten wie Siena.
Ich finde es so schwer vorstellbar, daß eine Stadt der Größe nur durch Tragen von Verbrauchsgütern versorgt wurde. Aber vielleicht ist das auch nur aus heutigem Blickwinkel so…

Hallo Lennard,

das ist eine sehr originelle Frage, ich musste schon ein wenig schmunzeln, als ich sie las. Ich finde es immer wieder erstaunlich, welche Gedanken sich die Leute machen. Aber eine wirklich gute Frage. Also, Einbahnstraßenregelungen hat es meines Wissens nach im Mittelalter nicht gegeben. Nun waren wirklich schwere Fuhrwerke innerhalb einer Stadt auch eher die Ausnahme. Goldgräber ( die entleerten die Abort-Gruben der Häuser), Brauer und Weinhändler waren so ziemlich die einzigen, die wirklich große Fuhrwerke durch eine Stadt bewegten. Nur die Goldgräber hatten die wirklich engen Gassen zu befahren, um ihre Arbeit erledigen zu können. Die anderen belieferten die Gasthäuser und Klöster, die an den großen Durchgangsstraßen gelegen waren, sodass sie die engen Gässchen nicht befahren mussten. Personenkutschen hat es damals nicht gegeben, man ließ sich in Sänften tragen, diese waren eher schmal. Die restlichen Kaufleute und Handwerker besaßen Handkarren, mit denen sie ihre Waren transportierten. Aber es stimmt schon, es war sehr eng in den mittelalterlichen Gassen, es ist mit Sicherheit auch zu Unfällen gekommen, weil sich zwei Karren verkeilt hatten, oder zu Streitigkeiten, weil eben zwei Leute mit Fuhrwerken nicht aneinander vorbeikamen.
Aber das wird wohl eher die Ausnahme gewesen sein, denn die meisten Menschen waren doch zu Fuß unterwegs.

Ich hoffe, ich konnte weiterhelfen.

Viele Grüße

Brigitte

Halli Lennard
Soviel ich weiss, mussten sich die Leute halt verständigen, aber selten kam ein Eselgespann in die Städtchen. Die Waren wurden im MA in Körben oder mit Schubkarren transportiert. Für Grössere Märkte gab es ja in jeder Stadt schon einen entsprechend grossen Marktplatz mit Zufahrt.
Viele Grüsse
loschi

Hallo Lennard
Siena hat heute ca. 54000 Einwohner!
Früher fanden aber die Märkte der Bauern und Händler tatsächlich vor den Toren der „Stadt“ statt, resp. im Mittelalter hatte Siena vielleicht knapp 2000 Einwohner. Als die Stadt wuchs wurde auch der Zugang in die Stadt (für Bauern und Händler) kontrolliert.
Ausserdem gab es keine Supermercatos, somit eigentlich ein tagtäglicher Markt stattfand.
Die Waren wurden somit Kiloweise in die Stadt gebracht und verkauft.
Solche Städte wurden erst in den letzten hundert Jahren „zugebaut“, da jeder möglichst im Zentrum wohnen sollte, was einen gewissen Schutz brachte und den Reichtum der Hausbesitzer anzeigte.
Man kann wirklich nicht von den heutigen Gegebenheiten auf damals schliessen.
Wenn du in Siena warst hast du sicher auch die Dreiradmotoräder mit Ladeflächen (auch Vespacar genannt) gesehen, welche in der Stadt herumflitzen und Waren aller Art bringen. Früher waren es eben Handkarren und die Menschen arbeiteten härter als heute.
Aber auch heute gibt es keine grossen Warenhäuser und Supermärkte in der Innenstadt, sondern am Stadtrand, damit die Anlieferung durch Lastwagen stattfinden kann.

Gruss Jean Roggenmoser

Hi Lennard,

ich bin ja - wie angegeben - kein Mittelalter-Experte, kann aber trotzdem auf eine sehr große Zahl an gelesener Fachliteratur und gut recherchierter Mittelalter-Romane zurückblicken. Dort wird sehr oft über genau jene Situation berichtet, wie du beschrieben hast; enge Gassen, viel Gedränge, keine Verkehrsregeln. Dabei fällt wenig überraschen auf, dass auch hier - genau wie in den meisten Fällen im Mittelalter - immer der Stärkere gewann. Derjenige, der das größere Fuhrwerk hatte bzw. den höher rangigen Beruf oder das größere Ansehen, hatte auch Vorrang. Sprich: Ritter, Pferdekutschen, angesehene Personen, große Lastkarren wichtiger Berufe, dann weniger angesehene, später die flexibler handhabbaren Handkarren und zu guter letzt die Fußgänger in der Rangordnung. Oft wird auch beschrieben, dass die Fuhrleute mit den Peitschen in die Menge schlugen, um sich Platz zu verschaffen und alles relativ grob, laut, vulgär und rücksichtslos ablief. Was bei gleichrangigen oder -starken Gefährten passierte, ist mir nicht bekannt. Ich glaube aber, dass auch hier der Lautere oder der mit den stärksten Nerven „gewann“.

Hoffe, ich hab dir zumindest ein wenig weiter helfen können! Lg, Wulfric