Mittelalter: Warum Pause in der Entwicklung?

Hallo Ralf,

sorry, aber wenn ich so etwas lese

Burgen und Klöster waren im Mittelalter einfach nur
aufgeschichtete Steinhaufen - dafür war keine besondere
Technik erforderlich.

fällt es mir schwer, das zu kommentieren ohne gegen die
Netiquette zu verstoßen.

Warum die Zurückhaltung? Äußere Dich wie Du bist oder glaubst etwas sagen zu müssen :wink:) Natürlich waren „aufgeschichtete Steinhaufen“ ein grober Klotz.

Es ist mir zu viel, kostet mich einfach zu viel Zeit, auf jeden Punkt einzugehen. Zusammenfassend nur das:
Praktischt alle Deine Aussagen betreffen Dinge, die von woanders her kamen - Papier, Kompass, Brille, Eisen-Pflug usw. - und erst am Ausgang des Mittelalters Eingang in Europa fanden. Oder es betrifft Personen - Thomas von Aquin, Ockham usw. -, die schon (fast) am Ende des Mittelalters gelebt und gewirkt haben. Vielleicht googelst Du das einfach mal.
So gesehen war es natürlich kein „bleiernes Jahrtausend“, kein tausendjähriger Stillstand, es waren nur 700 - 800 Jahre.

Ach ja, Du erwähnst das Pantheon. Googel auch das mal, wann es gebaut wurde und wie lange es der größte Kuppelbau der Welt war. Bruneleschi hätte wohl gerne Beton benutzt. Aber das Wissen darüber war schon 1000 Jahre verloren (Quelle: Phoenix-TV mit einer Sendung über die Medici und Florenz vor ein paar Tagen).

Gruss
Laika

Hallo Laika,

Es ist mir zu viel, kostet mich einfach zu viel Zeit, auf
jeden Punkt einzugehen.

Ach komm …

Zusammenfassend nur das:
Praktischt alle Deine Aussagen betreffen Dinge, die von
woanders her kamen

Grundsätzlich - bei technischem Fortschritt geht es nicht unbedingt darum, woher die Ideen kommen, was im Nachhinein ohnehin schwierig festzustellen ist. Es geht um Innovationsfähigkeit, die Du diesem Zeitabschnitt ja absprechen willst. Dazu gehört auch die Entwicklung von Ideen zur Praxisreife. Erst das ergibt einen technische Fortschritt mit ensprechenden zivilisatorischen und sozialen Auswirkungen.

Papier

Ist genau so ein Fall. Erst im Europa des 13. Jahrhunderts wurde Papier zu einem preiswerten Massenprodukt entwickelt; zusammen mit dem Buchdruck die entscheidende Voraussetzung für eine umfassende Verbreitung von Schriften.

Kompass

Unabhängig von den Chinesen erfunden. Eine Übermittlung aus China ist sehr unwahrscheinlich, da der Kompass bei den Arabern (die einzig als Übermittler in Frage kämen) erst später auftaucht. Ermöglichte zusammen mit dem technischen Fortschritt im Schiffbau zunächst einen intensiven Fernhandel (damit verbunden Entwicklung des Bürgertums und der Städte) und in der frühen Neuzeit die außereuropäische Expansion. Die fiel ja nicht im 15. Jahrhundert plötzlich einfach vom Himmel.

Brille

Eine italienische Erfindung des 13. Jahrhunderts. Die Antike und auch die Araber kannten lediglich Vergrößerungsgläser (‚Lesesteine’), aber keine Korrektionsbrillen. Auch, wenn die optischen Gesetze in der Antike und bei den Arabern bekannt waren - einen praktischen Nutzen zogen zuerst Europäer daraus. Einmal davon abgesehen, dass eben diese praktische Ausnutzung ihre Voraussetzungen hatte - z.B. eine entwickelte Schleiftechnik.

Eisen-Pflug usw.

Der entscheidende Punkt war nicht das Material Eisen, sondern die Verbesserung des Pfluges mit Schar, Sech und Streichbrett in Verbindung mit dem Kummet sowie (im 15. Jahrhundert) die Erweiterung zum Kehrpflug. Erst damit wurde der Pflug zu einem wirklich effektiven Instrument der Bodenbearbeitung. Das – wie auch der Pflug überhaupt – kam nicht „woanders her“ und das Kummet wurde bereits im 8. Jahrhundert erfunden, die Dreifelderwirtschaft kaum später – da war es bis zum „Ausgang des Mittelalters“ (eine etwas vage Angabe – Du scheinst das gesamte Spätmittelalter, immerhin ein Vierteljahrtausend, dazu zu rechnen) noch etwas hin.

Oder es betrifft Personen - Thomas von Aquin, Ockham
usw. -, die schon (fast) am Ende des Mittelalters gelebt und
gewirkt haben.

  1. Jahrhundert (mal abgesehen davon, dass ich mit meiner kleinen Aufzählung im 11. Jahrhundert angefangen habe) ist für Dich „am Ende des Mittelalters“? Ernsthaft?

Vielleicht googelst Du das einfach mal.

Danke, gleichfalls. Am besten fängst Du mit „Mittelalter“ an.

So gesehen war es natürlich kein „bleiernes Jahrtausend“, kein
tausendjähriger Stillstand, es waren nur 700 - 800 Jahre.

Die „aetas obscura“ ist ein in der Renaissance (die ist auch schon ein Weilchen her und war sooo aufgeklärt nun auch wieder nicht) aufgekommener polemischer Begriff und wird von der Geschichtswissenschaft längst auch nur noch als solcher aufgefasst. Bahnbrechend hier übrigens vor allem der Mediävist Jaques Le Goff seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts.

Ach ja, Du erwähnst das Pantheon. Googel auch das mal, wann es
gebaut wurde

Das brauche ich nicht. Ich weiss auch so, dass es im Auftrag Hadrians gebaut wurde und habe damit kein Problem, es aus dem Gedächtnis in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts zu datieren. Gerade weil es seit über einem Jahrtausend in Rom herumstand, ist Deine Behauptung, Brunelleschis Kuppelprojekt hätte als „unmöglich“ gegolten, absurd.

Bruneleschi hätte wohl gerne Beton benutzt. Aber das
Wissen darüber war schon 1000 Jahre verloren (Quelle:
Phoenix-TV mit einer Sendung über die Medici und Florenz vor
ein paar Tagen).

Zunächst einmal - das römische opus caementitium ist kein „Beton“. Sodann - für opus caementitium braucht man als Zuschlagstoff Puzzolane; die Römer haben dafür Vulkanasche vom Vesuv oder vom Santorin benutzt. Dass als Zuschlagsstoff ersatzweise auch Trass (vor allem aus der Osteifel) verwendet werden konnte, hatten die Römer nördlich der Alpen herausgefunden (Beispiel ist das Ubiermonument in Köln) - dies geriet in der Völkerwanderungszeit in Vergessenheit, es stand eben nicht im Vitruv, den man durchaus kannte. Die Eigenschaft des Trass als Zuschlagsstoff wurde in der Tat wohl erst im 15. oder frühen 16. Jahrhundert von den Niederländern wiederentdeckt. Mit Renaissance oder Humanismus hat das freilich eher weniger zu tun.

Entscheidend für Bruneleschis Kuppel war übrigens die Technik des opus spicatum (von Brunelleschi spinapesce genannt) - eine antike Mauertechnik, die auch im Mittelalter nicht verloren ging.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo!
Ein paar Anmerkungen
[statt des Zitats aus Schillers Wallenstein: „Das sagst du nur aus Lust des Widerspruchs“:]

Die meisten Bauten wurden durch Versuch und Irrtum gebaut, im
Gegensatz zu den Römern, die alles bis ins kleinste geplant
hatten.

Auch die Römer konnten die Statik von Gebäuden nicht berechnen. Deshalb steht ja heute noch fast alles, was die Bauphase überstanden hat, wenn es nicht später zerstört wurde: weil es mit erheblichen Sicherheitszuschlägen errichtet wurde. (Beschreiben konnten sie ihre Verfahren aber, und ihre Architekturhandbücher las man im Mittelalter.) Das gilt ebenso für die Architekturleistungen des Mittelalters. Wenn man liest, was beim Bau der gotischen Kathedralen alles eingestürzt ist, dann versteht man, warum die Gebäude heute noch stehen: weil man dann vorsichtshalber so gebaut hat, dass sie bestimmt stehenblieben.
Vielleicht zerbröseln ja unsere Brücken und Betonbauten auch deshalb, weil sie nicht nach dem Gefühl der Handwerker, sondern nach den Berechnungen der Techniker gebaut sind.:smile:

Was von den alten Klassikern übrig war, wurde in den Klöstern
aufbewahrt und abgeschrieben. Es wurde aber nicht allgemein
vermittelt.

Nichts wurde entwickelt. Einige Klassiker wurden von den
Kirchenvätern zurechtgestutzt, der Rest verworfen und kam erst
wieder durch arabische Vermittlung wieder ans Licht.

Du sprichst von der Karolingischen Renaissance. Was wir an lateinischen Texten haben, haben wir, weil sie im 9. Jahrhundert von der antiken Maiuskel in die karolingische Minuskel umgeschrieben wurde, und das ist nicht wenig. Das war ein Filter, den nicht alle Texte überstanden. Aber immerhin delektierten sich die mittelalterlichen Mönche und ihre Schulen auch an Juvenal, Persius, Ovid etc. Woher hätten sie denn ihr meist doch recht ordentliches Latein bezogen, wenn nicht von guten Autoren wie Cicero, Quintilian und den davon Geprägten.
(Dass die respublica des Cicero erst in der Neuzeit wiederentdeckt wurde, hat vor allem damit zu tun, dass sie nach Augustinus’ Gottesstaat als überholt galt. Aber aus dem gleichen Grund sind in der Antike auch schon die Geschichtswerke aus der Zeit der Republik verlorengegangen, weil man das Wissenswerte eben bei z. B. Livius finden konnte.)

Die lateinischen Werke über Ackerbau, Hortikultur, Weinbau usw. waren auch die Lehrbücher für die Benediktinermönche, die ja mit ihren Klöstern die alte Struktur der sich selbst versorgenden römischen villa übernahmen. Ich meine, man sollte nicht unterschätzen, was an Wissen, Kulturtechnik und auch Wissenschaft aus solchen Zentren ausstrahlte in die bäuerliche Umwelt und die mittelalterliche Rodungslandschaft.

Es gibt eben Epochen, in denen es nicht in erster Linie um Entwicklung geht, sondern zunächst einmal um Bewahren und Weitergeben. Kann das nicht auch, in einer Zeit eines allgemeinen Niedergangs, eine Leistung sein? Ich sehe die lateinische Kultur des Mittelalters nicht als so finster an.

Die Kultur der romanischen Völker in der frühen Neuzeit ist doch ohne die lateinische Literatur und ihre Überlieferung im Mittelalter nicht denkbar. Die dramatische Literatur in spanischer und französischer Sprache, beginnt sie nicht mit mit der Koninuität der Stoffe der Werke von Seneca, Terenz und Plautus?

Etwas an der Fragestellung vorbei, Pit, ja, aber vielleicht doch nicht ganz den dem von dir Intendierten.

Freundliche Grüße!
H.

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Danke an Euch, …
… die geantwortet haben, Diskussionsbeiträge geliefert haben. auch wenn meine Äußerungen manchmal "banausenhaft " oder „Blödsinn“ waren.
Ich wollte nur mal ein paar Gedanken, Argumente, Ideen hören, die das angeblich so finstere Mittelalter beschreiben.
Ob es nun wirklich „finster“ war … lassen wir es offen, mögen sich die Historiker darüber streiten.

Gruss
Laika

Och, die Historiker streiten sich da schon lange nicht mehr drum :smile:

LG
Mike

Tach Billi,

Gegenthese:
http://diepresse.com/home/kultur/news/378506/Rmi-Bra…

Strubbel
3:open_mouth:)

Hallo Strubbel,

Gegenthese:
http://diepresse.com/home/kultur/news/378506/Rmi-Bra…

abgesehen, dass der gute Mann eine absolute Mindermeinung vertritt, sollte man jemanden, der von einem „islamischen Volk“ spricht, nicht unbedingt ernst nehmen.

Grüße

Billi