Mobilcom staubt ab -Cargolifter stürzt ab

Komisch, es geht also doch: das verkrachte Telekommunikations-Unternehmen Mobilcom erhält 400 Millionen Euro, damit es kurz vor der Wahl nicht noch einen spektakulären Konkurs gibt und 5000 Leute auf der Strasse stehen. Nichts gegen Rettung von Arbeitsplätzen. Aber haben wir es hier nicht mit einem ganz natürlichen Konsolidierungsprozess in dieser einst hypermässig gefeierten und jetzt kriselnden und UTMS-Lizenz-gebeutelten Branche zu tun? In meinen Augen eine natürlich Entwicklung.

Was hat das ganze nun mit Luft- und Raumfahrt zu tun? Ach ja, wir erinnern uns: Cargolifter fehlten genau 420 Millionen Euro, um das Unternehmen (etwas abgespeckt) fortführen zu können. Für diese einmalige Zukunftstechnologie war seltsamerweise kein Euro locker zu machen, weder vom Land noch vom Bund. Wieviel Arbeitsplätze Cargolifter in 10 oder 20 Jahren mit Exportaufträgen geschaffen hätte, darüber mag man spekulieren. Ohne Zweifel wäre bei Cargolifter langer Atem gefragt gewesen, es hätte sicher weitere technische Rückschläge gegeben. Aber wie sollte dies bei solch einem innovativen und gewaltigen Projekt anders sein? Vermutlich hatte Cargolifter einfach nur das Pech, zum falschen Zeitpunkt vor die Wand zu fahren. Die Wahl war noch zu weit weg.

Und Cargolifter war auch nicht das gehätschelte Lieblingskind eines Politikers, wie etwa der Metrorapid. Clement boxt seine Magnet-Strassenbahn bis zur WM 2006 gegen alle Widerstände durch, und wahrscheinlich schafft er das, weil er sich damit offensichtlich ein Denkmal setzen will. Unseren Politkern fehlt es an visionärem Gespür, und das nicht nur vor der Wahl. Schade eigentlich.

Hallo Michael,

am Cargolifter waren zu wenig Menschen beschäftigt, um für die Politik interessant zu sein. Bei staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft ist mir kein Fall in Erinnerung, wo Zukunftsfähigkeit der Grund für das Handeln war. Schiere Größe reichte und dann spielte es bisher keine Rolle, wie abgewirtschaftet und perspektivlos der gestützte Riese auch immer war.

Der Zeitpunkt der Insolvenz ist ganz sicher entscheidend. Kurz vor der Wahl kann der Kanzler bei den Mobilcom-Mitarbeitern und in der Öffentlichkeit Punkte sammeln.

Der Cargolifter ist einfach das falsche Sachgebiet mit uninteressantem Zeithorizont, um auf Unterstützung hoffen zu können. Ein Haufen Technik und langfristig angelegte Entwicklung mit erheblichen Risiken sind nicht der Stoff, der die Leute von den Stühlen reißt. Ich bin lange genug in der Szene, um zu wissen, daß man genau 3 Wege zur Realisierung eines Vorhabens hat:

  1. Der beste Weg: Unabhängig und aus eigener Kraft, am besten ohne Bankmittel und staatliche Stellen.
  2. Die Resignation: Man vergißt das Vorhaben.
  3. Der skrupellose Weg: Man nagelt einen Geschäftsplan zusammen, dessen Zahlenwerk nicht dick genug aufgetragen sein kann, z. B.: Erforderliche Mittel 10, 20 oder mehr Mio. Start aus dem Nichts heraus mit dem Börsengang nach 3, spätestens 4 Jahren und einem Umsatz nicht unter 100 Mio. Das Ziel ist natürlich nicht realistisch erreichbar, aber groß genug und überschaubar kurzfristig angestrebt, dann hören Bürgschaftsbanker und Beteiligungsgesellschaften zu. Das Wissen, daß der Aufbau einer Struktur mit geeignetem Personal, brauchbarer Unternehmensausstattung und Organisation, Technik, Vertrieb etc. viele Jahre dauert, ignoriert man am besten. Schließlich geht es bei dieser Variante nur darum, Gier zu wecken und Geld abzugreifen. Eine ansprechende Hochglanz-Präsentation unterstützt das Ganze. Bloß keine Probleme und keine Unwägbarkeiten schildern und nicht zu sehr ins technische Detail gehen. Was das Unternehmen ganz genau macht, interessiert niemanden wirklich. Es ist keine Satire! Mit dieser Methode sind auch heute noch 7 bis 8stellige Beträge zum Seifenblasenaufbau einwerbbar. Braucht man politische Unterstützung, erzählt man etwas von kurzfristigem Wachstum auf 1.000 Mitarbeiter. Das wird geglaubt, das kommt an. Es war auch immer wieder zu beobachten, daß im Zuge der Einführung neuer Produkte einzelne Unternehmen tatsächlich wie wild wuchsen. Der kühle Rechner erkennt zwar die Grenzen spätestens bei der Marktsättigung, aber mit einmal erwachter Gier ist ohne weiteres immerwährendes Wachstum von jährlich mindestens 100% glaubhaft vermittelbar.

Das ist der Stoff, aus dem die Mobilcom gestrickt ist. Ohne eigenes Produkt an den Neuen Markt gegangen und auf einer Euphoriewelle mit explodierendem Kurs im Geld schwimmend hochgespült. Inzwischen ist jeder einzelne Arbeitsplatz bei Mobilcom mit Schulden von reichlich je 1 Mio Euro belastet. Um diese Verbindlichkeiten abzutragen, muß also an jedem Mobilcom-Arbeitsplatz im Schnitt 1 Mio Gewinn zuzüglich anfallender Zinsen erwirtschaftet werden. Ohne jedes Zahlenwerk ist sofort die Blödsinnigkeit zu erkennen. Das Unternehmen ist schlicht am Ende. Wenn man solcher Firma trotzdem noch 80 T€ pro Arbeitsplatz aus Steuermitteln gibt, läßt das nur den Schluß zu, daß die Entscheidung mit wirtschaftlichen Begründungen nichts zu tun hat. Die unumgängliche Insolvenz muß verschoben werden, weil sie im Moment in der politischen Landschaft keine Zierde wäre.

Gruß
Wolfgang

Mod: wär das nicht eher was…
…für die diversen Politik-Bretter?

Liebe Grüße

Petzi

Hallo Wolfgang,

hmm, der MOD mag ja recht haben, dass wir hier nicht ganz im richtigen Brett sind.

Ich fand Deinen Beitrag aber sehr interessant und in vielen Punkten treffend, und die Frage der Finanzierung ist ja gerade auch im Bereich der Luft- und Raumfahrt ein heisses Eisen.

Gilt nicht nur für Cargolifter; man denke da nur an den A 300 M oder den Eurofighter. Hier ging es zwar direkt um Steuergelder, aber aus Angst vor einer späteren Abstrafung durch den Wähler und der allseits bekannten Kaffekränzchen-Argumentation („wieviel Kindergärten könnte man damit bauen!“) gehen auch solche Projekte erst durch, kurz bevor die letzte verrostete Schraube aus der Transall oder der Phantom gefallen ist.

(Ich habe gerade mal interessehalber bei Google gecheckt: Die letzte Phantom soll bei der Luftwaffe planmässig im Jahr 2012 ausrangiert werden. Ach ja, den Erstflug hatte die Krachbüchse übrigens im Jahr 1958 . . . )

Gruss
Michael