Hallo Michael,
am Cargolifter waren zu wenig Menschen beschäftigt, um für die Politik interessant zu sein. Bei staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft ist mir kein Fall in Erinnerung, wo Zukunftsfähigkeit der Grund für das Handeln war. Schiere Größe reichte und dann spielte es bisher keine Rolle, wie abgewirtschaftet und perspektivlos der gestützte Riese auch immer war.
Der Zeitpunkt der Insolvenz ist ganz sicher entscheidend. Kurz vor der Wahl kann der Kanzler bei den Mobilcom-Mitarbeitern und in der Öffentlichkeit Punkte sammeln.
Der Cargolifter ist einfach das falsche Sachgebiet mit uninteressantem Zeithorizont, um auf Unterstützung hoffen zu können. Ein Haufen Technik und langfristig angelegte Entwicklung mit erheblichen Risiken sind nicht der Stoff, der die Leute von den Stühlen reißt. Ich bin lange genug in der Szene, um zu wissen, daß man genau 3 Wege zur Realisierung eines Vorhabens hat:
- Der beste Weg: Unabhängig und aus eigener Kraft, am besten ohne Bankmittel und staatliche Stellen.
- Die Resignation: Man vergißt das Vorhaben.
- Der skrupellose Weg: Man nagelt einen Geschäftsplan zusammen, dessen Zahlenwerk nicht dick genug aufgetragen sein kann, z. B.: Erforderliche Mittel 10, 20 oder mehr Mio. Start aus dem Nichts heraus mit dem Börsengang nach 3, spätestens 4 Jahren und einem Umsatz nicht unter 100 Mio. Das Ziel ist natürlich nicht realistisch erreichbar, aber groß genug und überschaubar kurzfristig angestrebt, dann hören Bürgschaftsbanker und Beteiligungsgesellschaften zu. Das Wissen, daß der Aufbau einer Struktur mit geeignetem Personal, brauchbarer Unternehmensausstattung und Organisation, Technik, Vertrieb etc. viele Jahre dauert, ignoriert man am besten. Schließlich geht es bei dieser Variante nur darum, Gier zu wecken und Geld abzugreifen. Eine ansprechende Hochglanz-Präsentation unterstützt das Ganze. Bloß keine Probleme und keine Unwägbarkeiten schildern und nicht zu sehr ins technische Detail gehen. Was das Unternehmen ganz genau macht, interessiert niemanden wirklich. Es ist keine Satire! Mit dieser Methode sind auch heute noch 7 bis 8stellige Beträge zum Seifenblasenaufbau einwerbbar. Braucht man politische Unterstützung, erzählt man etwas von kurzfristigem Wachstum auf 1.000 Mitarbeiter. Das wird geglaubt, das kommt an. Es war auch immer wieder zu beobachten, daß im Zuge der Einführung neuer Produkte einzelne Unternehmen tatsächlich wie wild wuchsen. Der kühle Rechner erkennt zwar die Grenzen spätestens bei der Marktsättigung, aber mit einmal erwachter Gier ist ohne weiteres immerwährendes Wachstum von jährlich mindestens 100% glaubhaft vermittelbar.
Das ist der Stoff, aus dem die Mobilcom gestrickt ist. Ohne eigenes Produkt an den Neuen Markt gegangen und auf einer Euphoriewelle mit explodierendem Kurs im Geld schwimmend hochgespült. Inzwischen ist jeder einzelne Arbeitsplatz bei Mobilcom mit Schulden von reichlich je 1 Mio Euro belastet. Um diese Verbindlichkeiten abzutragen, muß also an jedem Mobilcom-Arbeitsplatz im Schnitt 1 Mio Gewinn zuzüglich anfallender Zinsen erwirtschaftet werden. Ohne jedes Zahlenwerk ist sofort die Blödsinnigkeit zu erkennen. Das Unternehmen ist schlicht am Ende. Wenn man solcher Firma trotzdem noch 80 T€ pro Arbeitsplatz aus Steuermitteln gibt, läßt das nur den Schluß zu, daß die Entscheidung mit wirtschaftlichen Begründungen nichts zu tun hat. Die unumgängliche Insolvenz muß verschoben werden, weil sie im Moment in der politischen Landschaft keine Zierde wäre.
Gruß
Wolfgang