Als Betroffene…
Hallo Enno,
ich bin keine Psychologin, aber eine Betroffene mit weiblich-narzistischer Persönlichkeitsstörung und Depressionen. Seit knapp zwei Monaten werde ich mit Antidepressiva (Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) behandelt. Kann natürlich nur von meinen Erfahrungen berichten und auch hier wieder die Vorwarnung: Kurzfassen ist ein Fremdwort für mich.
Ich würde sagen, dass mir die Antidepressiva nicht so helfen, wie sie gedacht sind. Die Depressionen (die ich aufgrund der NP habe) sind zwar nicht mehr so quälend, die Gedanken darüber nicht mehr so verzweifelt, vielmehr kehrt in mein Hirn ein gewisser Sarkasmus über meine psychische Störung ein. Ein gleichbleibender Level im Denken, relativ sachlich, aber nach wie vor negativ. Die Gefühle und Bedürfnisse werden unterdrückt, so zumindest fühle ich mich, seit ich die AD’s nehme. Es entsteht eine Art Lethargie, ein Sch…-Egal-Gefühl. Ein hinnehmen.
Die Überbewertung negativer Erlebnisse werden also insofern beeinflusst, dass sie nicht mehr so gefühlsgeladen sind. Statt zu denken „o nein, ich hab mist gebaut, hilfe, was passiert jetzt, ich will in mein schneckenhaus, jetzt halten mich doch alle für blöd“ änderte sich das Denken in „war doch mal wieder klar, blöde Kuh, du baust mist, brauchst dich jetzt gar nicht über die anderen aufregen, hast du dir selber eingebrockt, ist so. Punkt.“
Das ursprüngliche Problem bleibt aber erhalten.
Ergänzung:
Die weiblich-narzistische Pers.störung ist etwas anders als „normale“ NP. Hängt nicht mit dem Geschlecht zusammen, wobei schon meist Frauen mit der weib-narz- Pers.stö zu kämpfen haben, vielfach die essgestörten Frauen. Bei dieser Störung ist sich der Patient sozusagen darüber bewusst, dass er zwischen Arroganz/Selbstverherrlichung/Größenwahn und Minderwertigkeit/Selbstzerfleischung hin und herspringt, kann aber erstmal nicht beeinflussen, wann welche der beiden Extreme zutage tritt. Das Denken besteht in Auf- und Abwerten sich selbst und anderen gegenüber.
Versuch einer Erklärung:
Trifft der Patient einen Menschen, den er persönlich abwertet (z.B. Chef=Patient trifft auf Praktikant=minderwertiger), so fühlt er sich arrogant und verhält sich oftmals so.
Trifft der gleiche Patient eine Minute später einen Menschen, den er persönlich aufwertet (z.B. Chef trifft obersten Geschäftsführer), so fühlt er sich minderwertig, unterlegen.
Schreibt der Patient einen Text von z.B. 10 Seiten und entdeckt, dass er einen einzigen Rechtschreibfehler gemacht hat - zerfleischt er sich selbst für seine Dummheit und bezeichnet die kompletten 10 Seiten als schlecht, nichts wert - fühlt sich selbst als Versager, Selbsthass, „blöde Kuh, reiß Dich doch mal zusammen, Du schaffst es ja nichtmal, nen Text fehlerfrei zu schreiben“.
Kocht der Patient ein 3-Gänge-Menue, dass all seinen Gästen zwar super schmeckt, ihm selbst aber die Soße nicht sämig genug und die Fleischkruste nicht knusprig genug ist, dann war das ganze Menue für die Katz und die Gäste sagen nur aus Höflichkeit, dass es geschmeckt hätte.
Gelingt das 3-Gänge-Menue in den Augen des Patienten perfekt, ohne eigenen Tadel, dann geht er davon aus, dass er auch locker 5 Michelin-Sterne bekommen würde, wäre er Koch. Hat das „perfekte“ Menue seinen Gästen nicht geschmeckt, dann sind das alles Banausen und haben keine Ahnung.
Schwarz oder weiß, kalt oder heiss, was dazwischen existiert nicht.
Der Verstand ist sich darüber bewusst, dass dieses Fühlen, Denken, Verhalten völlig krank und bescheuert ist, kann aber in den jeweiligen Situationen nichts daran ändern. Sieht man auch daran, dass ich relativ neutral beschreiben kann, wie sie diese Störung äußert - sollte ich aber heute abend z.B. kochen und es würde mir was daneben gehen, könnte ich meine Gedanken und Gefühle nicht beeinflussen, so sehr ich mir auch darüber bewusst wäre.
Das ist gerade das Anstrengende daran, was dann eben zur Depression führte. Warum bin ich mir über all das bewusst, kann es aber nicht ändern? Noch dazu weiß ich dann auch, warum ich es nicht ändern kann und das macht mich dann wiederum fertig. Ein Grübelzwang, der sich ständig im Kreise dreht. Die Katze, die sich ständig in den Schwanz beisst. Der Narzist in mir verbietet jede Veränderung, die Minderwertigkeit hat Angst vor jeder Veränderung, traut mir nicht zu, überhaupt irgendwas zu schaffen. Und der Verstand sitzt in der Vogelperspektive und kann nicht einschreiten, wird untergebuttert.
In der Depression haben sich Narzist und Minderwertigkeit dann vereint, indem sie jetzt eine neue Masche ausprobieren und damit sogar mal zusammenarbeiten. Die positiven Erfolgserlebnisse werden nicht anerkannt, gar nicht bemerkt. Die gibt es ganz einfach nicht. Also schafft man etwas völlig verqueres:
Man sieht es plötzlich als „positiv“ an, noch negativer zu werden. Soll heißen, mittlerweile arbeitet meine Störung so, dass ich alles dafür tue, dass es mir noch schlechter geht, dass ich mir Essen meistens verweigere, dass ich noch mehr rauche, noch mehr trinke, mir Albträume und Selbst-verletzendes Verhalten wünsche. Und je schlechter ich mir selber gegenüber verhalte, desto mehr sehen das Narzist und Minderwertigkeit als Sieger an. Ein Zusammenspiel.
Nachdem der Narzist es nie schaffen wird, in allen Bereichen positiv gesehen die BESTE (und nur die BESTE) zu sein, ist es eben leichter, in allem die SCHLECHTESTE zu sein und dies als „Erfolgserlebnis“ zu sehen. Der MInderwertigkeit ist das nur recht so, da sie sich noch minderwertiger dadurch fühlen kann und ihr Ziel so erreicht.
Ziemlich verquer und bescheuert, oder?? Das Hirn zwingt mich nahezu 24 Stunden am Tag, zu grübeln über diese und andere verquere Dinge. Ohne Ergebnis, es gibt kein ziel, wo man hingrübelt, aber das Grübeln kann man nicht abschalten, es existiert nur noch das eigene Hirn, kein Platz mehr für anderes oder andere.
Über all dem stehen dann die Schuldgefühle, dass man mit diesem Verhalten andere Menschen verurteilt, ausnutzt oder ähnliches. Der Verstand meldet immer wieder „Spinnst Du, Du kannst nicht einfach so nen anderen Menschen abwerten, nur weil Du Dich diesmal für besser hälst, sag mal, tickst Du noch richtig? Du kennst den Menschen doch gar nicht, nur weil er kleiner/dicker/langsamer/whatever als Du ist, darfst Du in doch wohl nicht abwerten!! Und hör gefälligst mal den anderen zu, merk Dir endlich mal, was man Dir erzählt, interessier Dich dafür, warum kriegst Du das nicht hin? Hör endlich auf zu denken!!!“ Diese Schuldgefühle untermauern dann wieder die Depression.
Ups, ist lang geworden, weiß auch nicht, ob es wirklich Deine Frage beantwortet. Aber es erklärt vielleicht ansatzweise so manches Problem innerhalb der NP.
Grüße
Alexa