Moralische Wertungen

Warum verstehen sich Menschen oft schlecht?

Sie nehmen WERTUNGEN vor ---- und noch wichtiger, es sind

MORALISCHE Wertungen…

Nicht objektiv, aber subjektiv bzw. aus der jew. Erziehung, Bildung, KULTUR resultierend!

Das ist sicher nicht neu, wird aber fast nie beruecksichtigt, weder untereinander noch in Medien oder sonst wo, wo es die Leute mal ausfuehrlicher im Diskurs verfolgen koennten.

Das Thema wird unterm Teppich gehalten,

Was denkt Ihr dazu?

Mike

Nietsche meinte:

„Urteile, Werturteile über das Leben, für oder wider, können zuletzt niemals wahr sein: sie haben nur Wert als Symptome, sie kommen nur als Symptome in Betracht – an sich sind solche Urteile Dummheiten.“

Nun ja, obwohl man von N. viel lernen kann, halte ich sein WERTURTEIL in diesem Falle nicht für richtig. Da hat der Herr Professor halt nicht ganz durchgeblickt, denn er benützt ja selber ein generalisiertes, pauschaliertes URTEIL - er weiß nur scheinbar selber nicht, mein Gutester!

URTEILE dienen: Erstens zum Überleben, wie N. ja bis zu seinem tragischen Ende mit seiner philosophischen Schreibkunst praktisch beweist. Und zweitens zur qualitativen Identitäts- und Bewusstseinsbildung. Daran war ja gerade N. als „Meister“ besonders interessiert, lebenslang, interessiert an der grundlegenden Frage: Wer bin ich? Über die schicksalhafte oder zufällige Prägung der Kultur hinaus.

CJW

Fundament des Rechts enthält Irrationales
Hallo MultiVista,

ich stimme zu. Darum ist auch das moralische Urteil kein rechtliches Urteil. Recht bedarf somit einer tieferen Grundlage.

Recht auf der Grundlage von Moral muss sich immer anhören:
„Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein.“
Recht muss somit ein Stückweit irrational begründet werden, im guten Fall ist das religiös.

Gruss,
Mike

Guten Tag,
Da gebe ich Dir Recht. Man urteilt oft, ohne es zuerst zu bemerken. Dies schwingt auch in der Stimme mit. Die Ohren hören nun das „Schlechte“ eher raus.
Da hat man schnell eine schlechte Wertung bestätigt, leider. Schwer damit umzugehen.

Ja gut, moralische Wertungen koennen wohl nie empirisch hergeleitet werden, sondern entstehen durch (Vor-) Urteile.

By the way:

Auseinandersetzung zwischen Max Weber, der den Standpunkt vertrat, die Wirtschaftswissenschaft sei eine empirische Wissenschaft und dürfte als solche keine Werturteile fällen (Wertfreiheitspostulat), und Gustav Schmoller sowie weiteren Vertretern der historischen Schule, welche die Gegenposition einnahmen. In der Gegenwart neigt man ganz überwiegend der Auffassung Webers zu. Es ist freilich zu beachten, dass die Position, Wissenschaft habe sich auf positive Zusammenhänge — also auf die Feststellung dessen, was ist — zu beschränken, selbst auf einem Werturteil beruht, nämlich auf der vorwissenschaftlichen Festlegung dessen, was Erfahrungswissenschaft sein soll. http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/werturteilsstr…

Zur Soziologie von Professor Max Weber und seinem Hauptwerk „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“, will ich noch anmerken, was der Österreich-Amerikaner Professor Peter F. Drucker, der 50 Jahre lang alle die maßgeblichen Managementtrends in den USA bestimmte, die auch mit einiger Zeitverzögerung in Europa übernommen wurden, sagte (unten). Professor Peter F. Drucker war Berater der größten Wirtschaftskonzerne der Welt sowie Berater mehrerer US-Regierungen. Ich zitiere aus seinem Werk „Die postkapitalistische Gesellschaft“:

„Die bekannteste Theorie besagte, dass der Kapitalismus das Kind der ‚protestantischen Ethik‘ sei. Der deutsche Soziologe Max Weber (1818-1920) vertrat diese These zu Beginn unseres Jahrhunderts. Sie wird heute als wenig glaubwürdig zurückgewiesen, da es einfach nicht genügend Beweise dafür gibt.“

Ich halte die Argumentation des „Management-Papstes“, Herrn Professor Peter F. Drucker, für eine mögliche Schutzbehauptung seiner eigenen (unbewussten) religiösen Überzeugungen. Die Historie der religiösen Siedler aus Europa unterstützten meines Erachtens den amerikanischen Kapitalismus. Ohne Luther und Calvin wäre meines Erachtens der US-Kapitalismus nicht schlüssig erklärbar. Auch die Managementlehren und Erfolgstheorien aus den USA bezeugen die lutherische und calvinistische ETHIK.

Noch etwas fällt mir auf, als Widerspruch zu dem Link-Zitat, in dem die Wirtschaftstheorie von Max Weber angeblich „wertneutral“ sei. Dieser Anspruch der „Wertneutralität“ ist psychologisch sehr zu bezweifeln, vor allem deshalb, weil der Soziologieprofessor ja selber den Nachweis erbringt, wie sehr Menschen nach (Vor-) Urteilen handeln. Es ist meines Erachtens ein Widerspruch, einerseits diesen Nachweis zu erbringen, andererseits aber sich selbst 100% sicher von allen (Vor-) Urteilen aus-zunehmen.

CJW

»Wahrheit beginnt zu zweit«

Von Jürgen Nielsen-Sikora

Einst errichtete Platon seinem Lehrer Sokrates ein literarisches Denkmal, als er dessen Dialoge, die er im fünften vorchristlichen Jahrhundert in Athen führte, zu Papier brachte. Die Gespräche waren als Sinn-und Geltungsprüfung unterschiedlicher Meinungen angelegt. Elenktik und Mäeutik nannte man damals die Methoden: Die Kunst des Widerlegens und der Gesprächsführung.

Sokrates´ Kontrahenten erweckten in diesen Dialogen den Eindruck, fähig und willens zu sein, ihre Behauptungen einer strengen Prüfung zu unterziehen. Sie verstanden sich als Partner im Dialog, die die Prüfung ihrer Überzeugungen gemeinsam und in kritischer Absicht durchführten.

Wo sind Sokrates und seine Mitstreiter nur hin? Auf den Ruinen ihrer Diskurse gedeihen heute Verschwörungstheorien, Hasskommentare, Lügen, Fake News, Propaganda, Pseudonachrichten, Desinformation und Manipulation.

Eine fehlende Wertschätzung und die Abwertung anderer Standpunkt greifen mehr und mehr um sich, eine erschreckende Diskursunfähigkeit in verschiedenen Selbstbestätigungsmilieus macht sich breit.

Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen und der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun fragen sich: Was befördert diese Vergiftung öffentlicher Debatten und privater Kommunikation? Wie sieht demgegenüber ein echter Dialog aus, der eine „Schule der Demokratie“ wiederbeleben könnte? Auf der Suche nach Antworten versuchen sie, den kommunikativen Klimawandel der Gegenwart zu verstehen und zeigen Möglichkeiten auf, wie der Austausch von Meinungen und Argumenten gelingen kann.

Aus dem ursprünglich mehr als 800 Seiten umfassenden Transkript zahlreicher Gespräche über mehrere Jahre ist ein rund 200 Seiten langer, hochkonzentrierter Gedankenaustausch entstanden, der an die gute alte Tradition des vernunftgeleiteten Diskurses anknüpft und Meinungsverschiedenheiten als Auslöser konstruktiver Debatten wieder ernst nimmt.

„Die Kunst des Miteinander-Redens“ beschreibt (erstens) „die Dynamik und Mechanik polarisierender Kommunikation“ und verweist auf die immer wiederkehrende Verwechslung zweier Welten:

Da ist einerseits die Welt der Fakten, so schwer sie auch zu erkennen sind, und da gibt es andererseits die Welt der Bedeutungen und Bewertungen (der persönlichen Meinung, des individuellen Standpunktes etc.), die mit der ersten immer wieder verwechselt wird. Es gilt heute mehr denn je, sich zu fragen: In welcher Welt befinden wir uns gerade? Auf welcher Ebene diskutieren wir momentan?

Das Buch fragt (zweitens), ob man mit jedem reden kann und soll. Selbstverständlich sollte man die Position des Gegenübers zu verstehen versuchen und kritisch würdigen. Aber es gibt auch Grenzen des Miteinander-Redens: „Wenn ihr Verschwörungstheoretikern ein Mikrofon gebt oder einen Schriftsteller sprechen lasst, der auf dem Marktplatz in Dresden bedauert, dass die Konzentrationslager leider außer Betrieb sind, dann gibt es keinen Dialog.“ Auch nicht mit denen, die für solch menschenverachtende Aussagen auch noch Beifall klatschen.

Pörksen und Schulz von Thun wollen (drittens) wissen, wie man am besten mit der Tatsache umgeht, dass alles jederzeit dokumentiert werden kann. Der permanente Kampf um Aufmerksamkeit, wie ihn zuletzt Tim Wu ( The Attention Merchants ) und Michiko Kakutani ( Der Tod der Wahrheit ) herausgearbeitet haben, führt zu einem Konzentrationsdilemma: Wem und was schenke ich wieviel Aufmerksamkeit?

Und (viertens) erläutern die Autoren, wie Meinungen in einer „vernetzten, hochgradig nervösen Welt entstehen.“

Am Ende präsentieren sie eine Heuristik der Kommunikation – den Versuch, deutlich zu machen, wie ein vernünftiges Gespräch, ein echter Dialog aussehen kann.

Lässt sich aus dem Studium menschlicher Kommunikation etwas für die Bewältigung der Konflikte im Sinne einer „Entgiftung“ lernen? Wie entwickelt man ein Gefühl für Angemessenheit, Augenmaß und die Fähigkeit, andere Perspektiven einzunehmen? Pluralismus sei das Gesetz der Erde, betonte Hannah Arendt einst – „Wahrheit beginnt zu zweit“, lautet das Credo bei Pörksen und Schulz von Thun, und sie braucht Zeit: Wir müssen wieder lernen, zu zögern, abzuwarten, vorsichtig (er) zu bewerten.

Das Buch ist als Dialog verfasst und geht den Ursachen der „großen Gereiztheit“, neuen Formen der Aggression, dem Hass und der enthemmten Wut auf den Grund, weil sie „das Kommunikationsklima der Gegenwart zu ruinieren drohen.“

In dieser toxischen Situation des Debattensystems droht die Verlässlichkeit von Nachrichten problematisch zu werden: Journalismus und Wissenschaft büßen ihre Autorität ein, Kritik wird als Vernichtungsstrategie eingesetzt, eine Empörungsdemokratie ist die Folge. Der Shitstorm nach dem „Omalied“ des WDR brachte dies jüngst sehr anschaulich zum Ausdruck.

Man könne, schrieb Robert Anson Heinlein ( Revolte im Jahr 2100 ) vor langer Zeit, „tausend Menschen leichter umschwenken lassen, wenn man an ihre Vorurteile appelliert“, als jemanden „durch Logik zu überzeugen.“ Der Populismus kennt halt nur die eine Wahrheit, zu der andere bekehrt werden sollen. (Anm. Genau wie die Religionen!!) Dagegen wehren sich die Autoren vehement mit der treffenden Bemerkung: „Es gibt nun mal kein Menschenrecht auf Beifall für populistische Vereinfachungen“, die am Ende nicht selten in einen „Tunnel der Selbstradikalisierung“ münden.

Das Problem: Im digitalen Zeitalter können differente Positionen permanent transparent gemacht werden. Das verleitet manche Beobachter zu der Feststellung, eine Spaltung der Gesellschaft sei allerorten erkennbar. Pörksen und Schulz von Thun gestehen:

Je größer die eigene Betroffenheit, desto stärker sinkt die Kommunikationsfähigkeit.

Neue Hypersensibilitäten bilden sich heraus, die sich in Form von Informations-, Kommunikations- und Sprachkontrollinstanzen in einen „Schutzbunker des Geistes“ flüchten.

Diesen gilt es, aufzubrechen und – wie ehemals Sokrates – wieder ernsthaft und auf Augenhöhe über die relevanten Themen mit dem Anderen zu streiten.

Für den Erhalt unserer Demokratie ist dies ein eminent wichtiger Faktor, und das Buch liefert hierzu einen fundamentalen Beitrag!

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