Hallo,
Ich liste meine Fragen einfach mal auf:
- Was ist die syntaktische Funktion von diesem Wort im Satz?
a)Fast jeder SECHSTE Proband war positiv.
Das ist ein Attribut. Hier wird einfach Proband näher bestimmt. Ob es nun jeder sechste, jeder weibliche oder jeder befragte war, sei dahingestellt.
b)SELBST eine Lese-Rechtschreib-Schwäche sei diagnostiziert
worden.
Es ist schon mal kein Satzglied (keine Konstituente), sonst käme danach gleich das finite Verb. Ich würde es als Adverbiale sehen.
Ich muss aber dazu sagen, dass ich mit Syntax in Linguistik schon immer auf Kriegsfuß stand.
c)Welches Tempus hat: „sei diagnostiziert worden“
ich habe getippt: 1 Pers., Sg., Konj. 1, Passiv,
Plusquamperfekt
Sg., Konj. 1 stimmt schon mal. Aber 1. Person? Warum denn? Wer sei denn diagnostiziert worden? Und Plusquamperfekt, naja, das wäre „war diagnostiziert worden“. Hier handelt es sich nur um Perfekt („ist diagnostiziert worden“). Der Konjunktiv macht dann aus dem „ist“ ein „sei“.
- Morphemanalyse:
a) Wie analysiere ich das Wort „talentspezifisch“?
Zuerst habe ich {Talent} abgetrennt (= Substantiv, freies
lexikalische Basismorphen) und dann bleibt noch „spezifisch“.
Hier ist mein Problem: Teile ich das Wort weiter auf oder
nicht? Ich würde es weiter teilen. Aber {spezi-} und {fisch}
geht ja nicht, weil „fisch“ ja der Wasserfisch wäre
oder
würde ich dann {spezif-} und {-isch} machen?
Ah, eine Fangfrage. Ja, da hast du gut gedacht. {spezifisch} lässt sich nicht weiter aufteilen, auch wenn -isch ein adjektivbildendes Derivationssuffix ist. Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder du trennst es nicht und begründest das, oder du trennst es auf in {spezif-} und {-isch}, und sagst, dass der erste Teil eben kein freies Morphem ist, sondern nur gebunden vorkommt, z.B. in „spezifisch“, „spezifizieren“, „Spezifikation“.
Ich denke, dass die 1. Analyse (ein Morphem) mehr Sinn macht. Vielleicht fällt jemandem noch eine bessere Lösung ein.
b)„auszubilden“ teile ich das Wort gleich in: {aus} {zu} und
{bilden}?
{bilden} kannst du noch in den Stamm {bild-} und in die Infinitivendung {-en} abtrennen. Sonst stimmt’s.
c)„regnerisch“ teile ich das Wort so: {regn-} und {-erisch}?
Praktisch ja, allerdings ist {regn-} eine Art phonetisch reduzierte Form von {Regen}, das könntest du mit angeben. Das passiert in vielen Sprachen, das ein unbetonter Vokal schwindet. Ich denke nicht, dass man {-erisch} sinnvoller aufteilen kann, obwohl hier wieder das adjektivbildende Suffix {-isch} vorkommt. Aber was {-er-} hier drin bedeuten würde, tja…
3.Welche Wortbedeutung hat „Hauptgeschäft“? Ist das ein Nomen
qualitatis?
Leider kann ich mit dem Begriff „Nomen qualitatis“ nichts anfangen.
- Was für eine Wortart ist „keine“ in dem Beispiel: keine
Chance haben. Ich habe auf ein Negationspartikel getippt, weil
sich „keine“ auf „Chance“ bezieht und nicht satzgliedfähig
ist. Ich war mir aber nicht sicher, ob das wirklich stimmt,
weil ich unter Negationspartikel im Duden nur „nicht“ gefunden
haben und bei Negationsadverb fand ich das Wort „keine“ auch
nicht.
Achtung, ein e Negationspartikel (Partikel ist in der Linguist weiblich!). „Keine“ kann allerdings auch keine Partikel sein, da Partikel nicht flektierbar sind, „kein“ kann man aber gut flektieren… kein, keine, keiner, keines, keinem usw.
Du kannst im Duden auch einfach nachgucken, was es für eine Wortart ist, und siehe da:
http://www.duden.de/rechtschreibung/kein
Mit diesem Wissen kannst du nun versuchen, eine Begründung zu finden, wenn du das musst.
- „Die Stimme fiel so stark aus dem Rahmen, dass sie zu einem
Stimmarzt geschickt werden mussten.“
Welche Art von Satzglied ist „so stark aus dem Rahmen“? Ich
würde auf eine modale Adverbangabe tippen, bin mir aber nicht
sicher.
Das würde ich auch sagen. Satzgliedstatus hat es. Aber auch „aus dem Rahmen“ und „so stark“ haben Satzgliedstatus, beide kannst du ins Vorfeld verschieben. Ich denke, dass es sich hier um zwei verschiedene Konstituenten handelt… hier muss ich wieder passen. Syntax! Herrje… (bin mehr Phonetiker, Sprachtypologe und historischer Linguist)
6.Ist das Wort „Verehrer“ eine explizite Suffixderivation oder
eine Zusammenbildung? Leider habe ich keine genaue
Unterscheidung beider Begriffe gefunden. Vielleicht kann einer
mir den Unterschied erklären? Wäre super!
Da kann ich dir auch nicht helfen, der Begriff „Zusammenbildung“ ist mir nicht bekannt. Aber ich sähe nicht, warum es keine Suffixderivation sein sollte, es leitet sich vom Stamm verehr- ab, durch das Derivationssuffix -er, das Nomina Agentia bildet.
Tut mir Leid, dass ich dir nur halb helfen konnte. Aber ich denke, wenn mehr Leute beitragen, dürfte das zur Erhellung und zum besseren Verständnis führen. Es ist ja auch relativ eindeutig, dass es sich hier nicht um eine plumpe Hausaufgabenerledigungsanfrage (hah, segmentier das mal in Morpheme!
) handelt.
Liebe Grüße von
- André, dem Nichtsyntaktiker