Moskau - Fehlverhalten des Bundespräsidenten

Hallo Politikversessene,

wenn ich mir so anschaue, daß die russischen Einsatzkräfte und die Regierung durch ihre menschenverachtende Politik möglicherweise über hundert Menschenleben unnötig vernichtet haben, indem sie irgendwelche veralteten Gase eingesetzt und dann nicht mal die Behandlung sichergestellt haben, wundert es mich doch, daß der Bundespräsident es wagen konnte, Rußland am Tag der „Befreiung“ (des Mordes an Zivilisten, u.a. aus Deutschland?) zur Rettung von 700 Geiseln zu gratulieren. Es sind schon Politiker wegen Geringerem zurückgetreten.

Ein hartes Durchgreifen ist sicher notwendig (wenn auch etwas Intelligenz nicht geschadet hätte), aber die Reaktion und die Glückwünsche von Rau kamen viel zu früh. Im Gegenteil, es wäre angebracht gewesen, laute Kritik am russischen Vorgehen zu üben. Was ja jetzt im Nachhinein auch getan wird.

Ein Bundespräsident, der derart vorschnell handelt und Meinungen kundtut, ohne sich vorher genau zu informieren (zumal schon klar war, daß 100 und mehr Menschen auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen sind), ist meines Erachtens seines Amtes nicht wert.

Oder bin ich da überempfindlich?

ciao
erik

Hi!

Oder bin ich da überempfindlich?

Ja.
Gruß
freak

Sehe ich nicht so.
Der Einsatz an sich war so mit Sicherheit das einzig richtige, wenn in der Botschaft geschossen wurde, wie behauptet wird.
Da in einem solchen Fall die ohnehin eine uneinschätzbare Gefährdung von Menschenleben vorliegt musste ein sogenannter Notzugriff erfolgen.
Einen solchen Gaseinsatz mit dem Ziel fast 1000 Menschen möglichst schlagartig und gleichzeitig zu betäuben hat es bis jetzt noch nie gegeben, es war daher wohl schwer möglich die Folgen vorher zu sehen.
Kritik würde ich lediglich daran üben, das man, soweit bekannt ist 1000de, von Sicherheitskräften aufgefahren hat, abér anscheinend nicht an eine sofortige medizinische Versorgung vor Ort gedacht hat - oder einfach mit dieser zu diesem Zeitpunkt, also beim Notzugriff, noch nicht einsatzbereit war.
Abgesehen davon kennt, so denke ich, kennt keiner die Kapazitäten auf diesem Sektor in Moskau/Russland, also was hier überhaut machbar ist. das sieht wohl eher schlecht aus.
Ich schätze auch in D hätten wir ernsthafte Probleme 1000 Menschen auf einen Schlag gleichzeitig zu versorgen.

Aus meiner Sicht, die sich ja auch nur auf das stützt was man bis jetzt weiß, hat man in Moskau das menschenmögliche getan.
Man wird daraus überall auf der Welt lernen.

M.

…beim jetzigen Stand der Dinge wurde versäumt, die medizinische Versorgung, die Krankenhäuser und die
„geschädigten“ Patienten ordnungsgemäß an Ort und Stelle
zu versorgen.

Ansonsten war es eine eindeutige Antwort auf terroristische
Übergriffe. Dem darf man nicht nachgeben, sonst wird alles
noch viel extremer.

(auch wenn es den Hinterbliebenen und Toten nicht hilft und
mir es um diese Menschen unendlich leid tut).

d.

nun ja, kann ich mich nicht anschliessen. das was in den möglichleiten und anschauungen der russen lag, haben sie getan. und das ganz ordentlich. hier westliche 8 zumal deutsche9 masstäbe anlegen zu wollen…drücke mich mal vorsichtig aus: " ich weiss nicht, ob das so gut ist." rau hat richtig reagiert.
denke ich.

Ich schätze auch in D hätten wir ernsthafte Probleme 1000
Menschen auf einen Schlag gleichzeitig zu versorgen.

,… wir hatten hier schon ernsthafte probleme, als 1999 zur sonnenfinsternis alles in richtung karlsruhe als kernschattengebiet aufbrach, und auf den autobahnen nixxxx mehr ging, in ganz deutschland. dann sollten wir mal hoffen, das uns sowas erspart bleibt, wie den russen, den amerikanern oder sonstwo auf der welt.

tom

Hallo erik,

was sollte den Rau zu dem Zeitpunkt tun? Da wurde das ganze noch als riesiger Erfolg verkauft… und dass es später ein Erfolg mit Fehlern wurde, dafür kann er nichts.

Es ist nicht die Aufgabe des Bundespräsidenten mit seinen Glückwünschen zu warten, bis nach Tagen herauskommt, dass nicht alles so perfekt war. Schon gar nicht beim guten deutsch-russischen Verhältnis.

Er hat völlig richtig reagiert.

Gruß Ivo

Einen solchen Gaseinsatz mit dem Ziel fast 1000 Menschen
möglichst schlagartig und gleichzeitig zu betäuben hat es bis
jetzt noch nie gegeben

Sowas gab es schon. Am 4.12.1997 haben französische Spezialisten beim Sturmangriff auf die von Rebellen besetze Großen Moschee von Mekka ebenfalls Gas eingesetzt. Damals gab es 153 Tote und 560 Verletzte. Richtig ist allerdings, daß eine sichere Vorgersage der Gaswirkung so gut wie unmöglich ist. In Moskau kam erschwerend hinzu, daß bei zu hoher Konzentration viele Geiseln sterben - bei einer zu geringeren Konzentration dagegen alle.

Hallo Erik,

bitte beachte, wann das Telegramm des Bundespräsidenten abgeschickt worden ist: Nämlich zu einem Zeitpunkt kurz nach Bekanntwerden der Beendigung des Geiseldramas.

Wann aber wusstest Du Näheres darüber???

Jana

OK akzeptiert
Hi,

nachdem ich hier anscheinend auf keinerlei Zustimmung treffe, akzeptiere ich mal einfach Eure Meinung :wink:

Ich habe mich nur ständig gefragt, ob es WIRKLICH in Zeiten, wo man zum Mond fliegen und Schafe klonen kann, keine Möglichkeit gibt, Geiseln zu befreien, ohne 20% von ihnen umzulegen??? Wenn ja, soll mir das Verhalten der Russen recht sein (nicht, daß mich einer fragen würde…) Es scheint wohl wirklich nicht anders möglich zu sein!

Bei einem Punkt bleibe ich allerdings dabei: Ein zu schnelles Gratulieren von Seiten des Bundespräsidenten ist unangebracht. Daß 100 Menschen umgekommen waren, war bereits bekannt. Ein guter Staatsmann mit den repräsentativen Funktionen eines deutschen Bundespräsidenten hat daher erst abzuwägen. Demnächst begrüßt er aus Versehen einen Terroranschlag?

Also: Auch wenn die Aktion letztlich richtig war, konnte Rau das zum Zeitpunkt der Gratulation noch nicht wissen. Daher hätte er mit der Gratulation noch abwarten müssen.

ciao,
erik

Hallo Erik,

Ich habe mich nur ständig gefragt, ob es WIRKLICH in Zeiten,
wo man zum Mond fliegen und Schafe klonen kann, keine
Möglichkeit gibt, Geiseln zu befreien, ohne 20% von ihnen
umzulegen?!?!?

Wenn das soooo alltäglich wäre, würde sich niemand darüber aufregen. Keine Frage, sowohl die Geiselnahme als auch das Ende waren außergewöhnlich.

Bei einem Punkt bleibe ich allerdings dabei: Ein zu schnelles
Gratulieren von Seiten des Bundespräsidenten ist unangebracht.

In Zeiten, in denen ein Eintreffen einer Kondolenz des Bundeskanzlers vor der Kondolenz des Bundespräsidenten schon zu leichten bilateralen Verstimmungen führen kann, würde ich derlei Protokollaria nicht überbewerten.

Die operative Tagespolitik spiegelt sich (und hat es auch noch nie) in Formalien wider!

Daß 100 Menschen umgekommen waren, war bereits bekannt. Ein
guter Staatsmann mit den repräsentativen Funktionen eines
deutschen Bundespräsidenten hat daher erst abzuwägen.

Abzuwiegen zwischen was? Welche Alternativen gäbe es denn? Deiner Meinung nach…

Viele Grüße
Jana

Hi Jana,

Abzuwiegen zwischen was? Welche Alternativen gäbe es denn?
Deiner Meinung nach…

also - klar, Rau kann es sich nicht leisten, nicht zu gratulieren oder so (was ich als Privatmann so gemacht hätte). Aber ein guter Politiker muß es doch schaffen, in seine Worte auch eine Wertung zu legen. Es ist ein Unterschied, ob ich ein Telegramm mit dem Tenor „gut gemacht, Jungs, die 100 Geiseln sind nun mal durchschnittlicher Verschleiß“ verfasse oder ob ich schreibe „schade, daß 100 Geiseln tot sind - aber gut, daß Ihr 700 gerettet habt“. Ich weiß nicht genau, wie, ich bin ja auch kein Politiker, aber das geht schon irgendwie.

Finde ich…
ciao,
erik