'Muhme'

Grüße, Wächter der Sprache!
Kann mir jemand erklären, was eine „Muhme“ ist?
In Faust bezeichnet Mephisto zB die Schlange aus dem Paradies als solche und in einem mittelalterlichen Roman, den ich gerade lese, werden auch desöfteren Leute als Muhme tituliert.
In vorrausschauender Dankbarkeit
Diogenes

Moin,
mein Wörterbuch sagt dazu:

Muhme
Wortklasse: Femininum
sprachliche Erläuterung: ahd. muoma, moma, mhd. muome, mnd. mome, mone, mueme, muene und weitere Varianten.
vgl. Moie.

Muhme (I)
Erklärung: meist Schwester der 1Mutter (I), auch 2Mutter, Schwester des Vaters sowie Bez. für andere weibliche Verwandte.
Sachhinweis: Jones,KinshipTerms 27ff. u. 131ff.

Gruß
Dirk m.

Hallo !!

„Muhme“ war früher die Schwester der Mutter, also die Tante.

Stammwort ist muome oder muoma.
Dann später „weibliche Verwandte“.

Wahrscheinlich stammt das Wort „Mama“ daher.

Gruß Max

Älteres Verwandtschaftssystem
Hallo Diogenes,

hier machst Du ein interessantes Fass auf :wink:

Denn der Begriff Muhme ist nicht bloß ein anderer Ausdruck für Tante. Hinter der Muhme steckt ein Verwandtschaftssystem, das sich im Laufe der Jahre verändert/vereinfach hat.

Es gibt ja in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Arten, die Verwandtschaft zu benennen. Bei den Inuit beispielsweise werden alle Mitglieder meiner Generation als Geschwister, alle Älteren als Eltern und alle Jüngeren als Kinder bezeichnet. In anderen Kulturen gibt es sogar unterschiedliche Begriffe für die einzelnen Geschwister, je nachdem ob sie älter, jünger, männlich oder weiblich sind.

Früher gab es im deutschsprachigen Raum ein Verwandtschaftssystem, bei dem die Verwandten der weiblichen/mütterlichen Linie anders bezeichnet wurden als die der männlichen Linie. Eine Schwester der Mutter (heute wäre dies eine Tante) wurde als Muhme bezeichnet, die Schwester des Vaters hingegen war die Tante. Der Bruder der Mutter war der Ohm, der Bruder des Vaters der Onkel. Also Muhm und Ohm auf der mütterlichen Seite, Tante und Onkel väterlicherseits.

Interessant wäre noch zu wissen, warum sich die Bezeichnungen der männlichen Linie durchgesetzt haben, bzw. warum das System vereinfacht wurde. Außerdem weiß ich nicht, ob es Pendants bei den Begriffen Opa und Oma gibt, bzw. welche Begriffe noch verloren gegangen sind.

Mit freundlichen Grüßen
Burkhard

Wahrscheinlich stammt das Wort „Mama“ daher.

Wenn, dann eher andersrum. :smile:

  • André

Hallo, Burkhard, Diogenes und andere,

hier machst Du ein interessantes Fass auf :wink:

Aber ja doch!

Außerdem weiß ich nicht, ob es Pendants bei
den Begriffen Opa und Oma gibt

Mir ist noch der „Aa:hl“ und die „Äi:hl“ * bekannt, der „Ahne“ und die „Ahnin“, die Großvater und Großmutter, im erweiterten Gebrauch alle sehr viel älteren Leute der Familie und im weitesten Sinne alle sehr alten Leute meinen.

* der Doppelpunkt zeigt, dass da ein nicht mehr hörbareres aber ahnbares „n“ ist.

Beste Grüße Fritz

„Mama“ ist aus dem Französischen ins Deutsche eingewandert ist, hat also nicht direkt etwas mit „Muhme“ zu tun. Im Lateinischen bedeutet „mama“ „Brust“. Ich nehme an, dass das der Ursprung für das französische Wort ist.
Natürlich ist es dennoch möglich, dass das lateinische „mama“ mit „Muhme“ einen gemeinsamen indogermanischen Ursprung hat. Weiß da jemand was Abgesichertes drüber?

Mir ist noch der „Aa:hl“ und die „Äi:hl“ * bekannt, der „Ahne“
und die „Ahnin“, die Großvater und Großmutter, im erweiterten
Gebrauch alle sehr viel älteren Leute der Familie und im
weitesten Sinne alle sehr alten Leute meinen.

Hallo Fritz,
das ist ja interessant. Wo sagt man denn dieses „Aa:hl“ und „Äi:hl“? Klingt ein bißchen nach Rheinland („Mir schenke de Ahl en paar Blöhmcher…“) Aus Schwaben kenne ich Leute, die sagen „Ehne“ oder „Ähne“ zu ihrem Großvater.
Grüße
Burkhard

„Mama“ ist aus dem Französischen ins Deutsche eingewandert
ist, hat also nicht direkt etwas mit „Muhme“ zu tun.

Was meinst Du denn mit „direkt“?

Im
Lateinischen bedeutet „mama“ „Brust“. Ich nehme an, dass das
der Ursprung für das französische Wort ist.

Da nimmst Du richtig an.

Natürlich ist es dennoch möglich, dass das lateinische „mama“
mit „Muhme“ einen gemeinsamen indogermanischen Ursprung hat.
Weiß da jemand was Abgesichertes drüber?

Pfeifer sagt dazu unter Mama : „[…]Vorauszusetzen sind als kindersprachliche Lallwörter ie. *māmā, *mammā, wozu auch Memme und Muhme (s. d.) gehören.“

Bei Muhme wird auf diese Erklärung zurückverwiesen.

Gruß Kubi

Hallo, Burkhard,

das ist ja interessant. Wo sagt man denn dieses „Aa:hl“ und
„Äi:hl“? Klingt ein bißchen nach Rheinland.

Neenee, ist aus dem Ostmittelbairischen.

Und deine schwäbische Variante kann ich bestätigen.
Das Gode und Gedde z. B. den Namen „Goethe“ zeitigten, ist dir bekannt.

Base und Vetter hatten auch eine weitere Bedeutung als Cousin und Kusine.
Wie Tante und Onkel konnte dies für alle bekannten Erwachsenen angewandt werden.

Wir sagten zur Kindergärtnerin: "Tante Gertrud!.

Mein Opa wurde von nicht verwandten Bekannten als „Ritter-Veida“, meine Oma als „Ritter-Basl“ angesprochen.

Fritz

da tun sich abgründe auf…
hallo fritz,

Das Gode und Gedde z. B. den Namen „Goethe“ zeitigten, ist dir
bekannt.

war mir bis dato nicht bekannt. nehme es aber gerne in meinen wissensschatz auf. (was ist gode und gedde?)

Base und Vetter hatten auch eine weitere Bedeutung als Cousin
und Kusine.

gab es für basen und vettern der anderen seite (väterlich oder mütterlich) nochmal einen begriff?

Wir sagten zur Kindergärtnerin: "Tante Gertrud!.

meine hieß anders, kann mich aber nicht mehr an den richtigen namen erinnern. aber mit vornamen hieß sie auch tante!

Mein Opa wurde von nicht verwandten Bekannten als
„Ritter-Veida“, meine Oma als „Ritter-Basl“ angesprochen.

ist ja interessant. wurden die namen vetter (so interpretiere ich veida) und base (so interpretiere ich basl) denn von leuten der gleichen altersklasse/generation gebraucht?

vielen dank für deine ausführungen
burkhard

naja: abgründe
Hallo, Burkard,

erst Johann Wolfgangs Vater hat den Namen in der Form „Goethe“ verwendet und nicht immer.

was ist gode und gedde

Pate, Taufpate, Dot, Got, Göt, Göti;
Patin, Taufpatin, Dote, Gote, Göte, Göle

in den verschiedenen Regionen. Der Godfather hat es bis in die USA geschafft und wurde dort zum Patron der Casa nostra.

gab es für basen und vettern der anderen seite (väterlich oder
mütterlich) nochmal einen begriff?

Ist mir nicht bekannt.

ist ja interessant. wurden die namen vetter (so interpretiere
ich veida) und base (so interpretiere ich basl) denn von
leuten der gleichen altersklasse/generation gebraucht?

Ja! Wenn man zum Vornamen-Sagen nicht vertraut genug war - und das war fast nur in der Familie üblich -, sagte man YX-Vetter/XYBase.

Sogar wenn meine Großmutter im Unwillen mit meiner Mutter über meinen Vater sprach, hieß er „da Ruppricht“.

Als ich in die Schule kam, hat man die meisten mit den Nachnamen angeredet; ich war „s´Rupprichtle“; nur enge Freunde sprach man mit Vornamen an.

Fritz

„Mama“ ist aus dem Französischen ins Deutsche eingewandert
ist, hat also nicht direkt etwas mit „Muhme“ zu tun.

Was meinst Du denn mit „direkt“?

Damit meinte ich einen möglichen gemeinsamen (indogermanischen) Ursprung, auf den ich weiter unten verwiesen habe.

Gruß

Volker

Hallo Fritz, hallo, Burkard,

was ist gode und gedde

Pate, Taufpate, Dot, Got, Göt, Göti;
Patin, Taufpatin, Dote, Gote, Göte, Göle

Im Odenwald gibt’s auch 'die Goot" fuer Patin. Maennlicher Pate weiss ich aber nicht.

ist ja interessant. wurden die namen vetter (so interpretiere
ich veida) und base (so interpretiere ich basl) denn von
leuten der gleichen altersklasse/generation gebraucht?

Sogar wenn meine Großmutter im Unwillen mit meiner Mutter über
meinen Vater sprach, hieß er „da Ruppricht“.

Das auf jeden Fall. In der Nachbarschaft: de Erhard und der Sohn dazu: de Erharde Karl! Und dass man das eigene Gesponst mit Nachnamen anredete bei entsprechender Stimmung, das kenn ich auch: de Mangold is heit dehaom!

Als ich in die Schule kam, hat man die meisten mit den
Nachnamen angeredet; ich war „s´Rupprichtle“; nur enge Freunde
sprach man mit Vornamen an.

Auch das kenne ich, allerdings - nur bei den Jungs. Bei uns war das eigentlich immer so, dass die Jungen mit Nachnamen angeredet wurden, von den Lehrern und von den anderen Schuelern. Bis wir in die Oberschule kamen, da war es dann ploetzlich statt Elke Fraeulein Meierhoefer, dafuer mutierte der „Freudenberg“ ploetzlich zum Tobias, aber mit Sie. Seltsam!

Und, das gehoert eigentlich ins Fremdsprachenbrett, im Afrikaansen in Suedafrika ist es heute noch ueblich, jede aeltere unbekannte Frau als Tannie bzw. Mann als Oom, also auch die 18jaehrige zur 22jaehrigen (da fuehlt man sich gleich richtig jung und entspannt, wenn das passiert :wink:. Und wird natuerlich geduzt.
Gesiezt wird nur die Respektperson, der Arzt, der hohe Chef usw. Und natuerlich Gott. Das hab ich immer als sehr interessant gefunden: im Deutschen siezen wir jeden, wenn’s nicht ausdruecklich anders ausgemacht ist, aber mit mit Gott sind wir per Du, und auf Afrikaans wird Gott gesiezt und der Herr Pfarrer und der Herr Oberlehrer auch, aber sonst duzt man wirklich jeden. Was sagt das ueber ein Volk aus?

Gruesse, ELke
PS: meine war uebrigens die Tante Annerose, die war klein und dick und unheimlich anschmiegsam :smile: *in Erinnerung schwelg*