Hola.
Einige Gedanken zu Deiner Schilderung.
Was mich an einigen zentralisierten Abitursystemen stört ist,
dass es keine Möglichkeit zur Spezialisierung gibt, und die
ist wichtig!
Was bringt es tonnen von 08/15 Abiturienten zu haben?
Abitur:
* höchster allgemeinbildender Abschluß in Deutschland
* Studienerlaubnis für sämtliche Studiengänge
* Nachweis über eine in jedem Fach vertiefte Allgemeinbildung
Spezialisierung ist hier geradezu grotesk; inzwischen wird von der KMK schon wieder zurückgerudert und die Oberstufe soll wieder in Richtung des klassischen Abiturs gehen.
Spezialisierung ist ebenso kein Synonym für „Schwächen durch Abwahl eliminieren“ und „Stärken durch Vertiefung hervorheben“.
Spezialiserung kann deshalb konstruktiv nur bedeuten, in ALLEN Fächern ein entsprechend hohes Niveau zu leisten UND in seinen Neigungen nochmals eine Schippe draufzulegen.
Ich konnte zu meinem Abi zwei LKs frei wählen (von dem was
angeboten wurde) und nur der erste LK musste ein Hauptfach
sein (M/E/D/Spanisch) und auch das 3. (schriftl.) und 4.
(mündl.) Fach konnte ich frei wählen.
In Sachsen ist es nach Fachbereichen strukturiert; mathematisch-naturwissenschaftlich-technisch, sprachlich-künsterlisch, gesellschaftwissenschaftlich.
Nun gilt: mindestens eine Prüfung aus jedem Aufgabenfeld.
Somit ergeben sich aus der Kurswahl direkt Einschränkungen.
Das im einzelnen aufzuschlüsseln, ist sinnlos, weil dieses Wirrwarr kaum auf die Schnelle ordentlich zu entflechten ist.
Jedenfalls gibt und gab es keine uneingeschränkte „Wahlfreiheit“.
Hätte ich Mathe im Abi gehabt, hätt ichs heute nicht, und
wofür?
Wenn ich ehrlich bin, hast Du damit das Abitur nicht wirklich verdient (positiv anzurechnen ist, daß Du es wenigstens als Kurs belegen mußtest, also nicht abwählen konntest).
Wer ein Abitur haben will, MUSS in ALLEN Fächern ordentliche Leistungen zeigen, was eine pflichtmäßige Abprüfung gewisser Grundlagen (Muttersprache, Mathematik, Fremdsprache, eine Naturwissenschaft, Geschichte, …) miteinschließt.
Fehlt irgendwo etwas, darf derjenige auch keine Allgemeine Hochschulreife erhalten - als Ausgleich müßte das System natürlich entsprechende Möglichkeiten für spezifischere Studienzulassungen vorsehen.
Die Grundrechenarten und alles was ich brauche (Zinsrechnung
etc.) kann ich, wurde in der Unterstufe gelehrt.
Wenn Du destruktiv so an die Sache herangehst: Wieso hast Du überhaupt das Abitur gemacht, wenn Dir die Unterstufenmathematik ausreicht??
aber Sprachlich talentierte o.ä. Leute dazu
zwingen Mathe ins Abi zu nehmen?
Selbstverständlich!
Siehe oben: Überdurchschnittliche Leistungen in einem bestimmten Aufgabenfeld sind KEINE Rechtfertigung für Schwächen auf anderen Gebieten. Wird das hohe allgemeinbildende (also universell ausbildende) Niveau nicht erreicht, dann raus mit solchen Leuten aus der Oberstufe.
Wer gewisse Vorlieben hat, anderes jedoch nicht kann, soll auf entsprechende Fachschulen zurückgreifen, die einen (Hochschul-)Abschluß im entsprechenden Profil anbieten.
Stärken vertiefen, währenddessen man Schwächen umschifft, ist nicht Sinn und Zweck des Abiturs. Punkt. Solche Leute haben in der Oberstufe eines Regelgymnasiums nichts zu suchen.
Oder umgekehrt mathematisch-naturwissenschaftlich orientierte
zur Literaturwissenschaft zwingen?
Selbstverständlich, siehe eben.
Eine absolute Standardisierung des Abiturs
und damit auch des Abiturienten halte ich jedoch für
kontraproduktiv, wenn man sich den Arbeitsmarkt anschaut.
Und hier liegt der nächste Denkfehler.
Die Begriffe ABITUR und ARBEITSMARKT gehören nicht in ein und denselben Satz. Normalerweise fehlt im gesamten deutschen System ein weiterer Zwang, nämlich das unumgehbare Studium, wenn man sich für den Weg des Abiturs entscheidet. Wer also Abitur ablegen wöllte, MÜSSTE auch studieren.
Es gibt wesentliche bessere Pfade zu einem höherqualifizierenden Abschluß und einer anschließenden Berufsausbildung, als die Allgemeine Hochschulreife.
Diese Einschätzung des Abiturs muß unbedingt wieder aus den Köpfen heraus. Wer sich in irgendeiner Weise spezialisieren möchte, der soll bitte die darauf zugeschnittenen Wege einschlagen.
Was solche Verflechtungen angeht, ist das deutsche System in jeder Hinsicht mangelhaft. Dinge wie „Abitur mit Berufsausbildung“, „Berufsausbildung mit Abitur“ oder regulär frequentierte Möglichkeiten eines Fachschulstudiums nach einer Berufsausbildung et cetera fehlen auf weiter Flur oder werden gerade wieder neu erfunden…
Letztgenannter Weg ist besonders tragisch, weil diese Möglichkeit über Realschulabschluß-Lehre-Hochschulstudium ein Lückenbüßerdasein fristet.
Jedenfalls ist das Kurssystem in seiner ganzen Konzeption schon einige Jährchen tot. Viele Studiengänge ließen sich auf ganz primitive Weise beschleunigen, indem das Abitur in einen höchstgradig vereinheitlichten und transparent Abschluß überführt würde.
Mit einem förderalen System ist dies freilich überhaupt nicht realisierbar.
MfG