Hallo,
ich arbeite an der Uni Hamburg in einer Dolmetscherausbildung und arbeite auch selbst als Dolmetscherin, hauptsächlich zwar als Gebärdensprachdolmetscherin, aber Englisch ist meine dritte Arbeitssprache.
In Ihrer Anfrage geht es um zwei Probleme, die man etwas getrennt voneinander sehen muss.
Einmal die Frage, wie „beweise“ ich, dass ich Muttersprachler bin und
zweitens, wie bekomme ich eine Anstellung als Dolmetscher.
Im „normalen Sprachgebrauch“ ist jemand Muttersprachler, der z.B. eine englische Mutter und einen französischen Vater hat und in dessen Familie diese beiden Sprachen zur Alltagskommunikation benutzt werden. Das ist auch soweit OK.
Wenn man sich jetzt ansieht, wie in den großen Dolmetschverbänden, wie z.B. der AIIC Muttersprache definiert wird, dann sieht das etwas anders aus.
Muttersprachler unter Dolmetschern ist nur derjenige, der auch zumindest einen Teil seiner Bildung in dieser Sprache erworben hat und der Zugang zu Medien (Zeitung, Fernsehen usw.) in dieser Sprache hatte.
Der Grund ist relativ nachvollziehbar. Beim Dolmetschen geht es so gut wie nie um alltagssprachliche Kommunikation. Wer also Familienkommunikation in einer Sprache beherrscht, muss noch lange nicht einen Fachvortrag verstehen, bzw. diesen adäquat in eine Sprache übertragen können.
Für die englische und die französische Sprache ist es kein Problem, Zugang zu Medien nachzuweisen, das würde auch niemand ernsthaft verlangen. Es gibt in beiden Sprachen Zeitungen, Fernsehprogramme usw. Für seltenere Sprachen ist das schwieriger.Zum Beiweis ihrer Muttersprachlichkeit würde es demnach m.E. genügen, wenn Sie nachweisen könnten, dass Sie eine Französische, Englische oder internationale Schule hier in Deutschland besucht haben, bzw. in England oder Frankreich die Schule besucht haben. Zumindest für eine gewisse Zeit. Das könnte helfen.
Sprachkurse müssen Sie mit Sicherheit nicht besuchen, notfalls würde die Teilnahme an einer Sprachprüfung eventuell weiterhelfen. Am besten wenden Sie sich an Spracheninstitute, die so ewtas anbieten, nehmen Sie gleich die „beste“ oder „schwierigste“ Prüfung und dann haben Sie etwas, das Sie vorweisen können. Man muss dafür eine Gebühr bezahlen, aber die hält sich in vertretbarem Rahmen.
Damit ist aber noch nicht das Problem „Dolmetschen“ gelöst. Dolmetschen ist ein Beruf, den man erlernen muss. Die Tatsache, dass man zwei oder mehr Sprachen spricht, macht einen nicht automatisch zum Dolmetscher. Das reicht, um hin und wieder ein wenig Gesprächsdolmetschen zu betreiben, aber mehr auch nicht. Für alles andere, z.B. Konsekutiv und Simultandolmetschen braucht man bestimmte Arbeitstechniken, die man erlernen muss und auch erlernen sollte. Hierbei wären Ihre Sprachkenntnisse sicherlich mehr als hilfreich, es ist aber bei weitem nicht so, dass Muttersprachler immer und auf jeden Fall die besseren Dolmetscher sind. In den letzten 20 Jahren Ausbildungstätigkeit habe ich mehr und mehr festgestellt, dass man einfach auch Talent mitbringen muss. Es ist gerade für die beliebten Sprachen Englisch und Französisch nahezu unmöglich ohne jegliche Qualifikation einen Job zu bekommen. Berechtigter Weise ziehen die meisten Betriebe oder Organisationen Dolmetscher vor, die nachweisen können, dass sie ihren Job auch beherrschen.
Sollte Sie der Ansicht sein, dass Sie dolmetschen können, würde ich Ihnen empfehlen, sich zur staatlichen Prüfung in Darmstadt anzumelden und dort eine Prüfung abzulegen. Dort müssen Sie nicht nachweisen, dass Sie eine Ausbildung gemacht haben, müssen aber Berufserfahrung nachweisen.
Das Prüfungsamt in Darmstadt prüft alle möglichen Sprachen und verzichtet bei begründeten Ausnahmen auf den Nachweis einer Ausbildung, weil durch die Prüfung dort sehr gut sichergestellt wird, dass jemand, der nicht dolmetschen kann, sie auch nicht besteht.
Danach wären Sie Staatlich geprüfter Dolmetscher (oder Dolmetscherin) und hätten somit einen Abschluss, mit dem man sich auch bewerben kann. Die Prüfung kostet etwa 500 Euro.
Eine weitere Möglichkeit wäre eine Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer in Düsseldorf. IHK-geprüfte Dolmetscher haben allerdings nur Berufschancen in der Wirtschaft, d.h. bei Betrieben, die viel Auslandskontakte schriftlicher Art haben und Übersetzungen benötigen und die hin und wieder ausländische Gäste haben, für die bei Gesprächen konsekutiv gedolmetscht werden muss. Arbeit oder gar eine Anstellung als Simultan- oder Konferenzdolmetscher bekommen Sie mit dieser Prüfung nicht.
Firmen, denen es auf das Beherrschen von Wirtschaftsenglisch und Wirtschaftsfranzösisch ankommt, nehmen allerdings sehr gerne IHK-Dolmetscher.
Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte. Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Simone Scholl