Nachhilfe geben als freiberuflicher Ingenieur

Hallo,

ich bin seit ein paar Monaten als selbstständiger Ingenieur (Elektrotechnik) unterwegs, aber die Aufträge stapeln sich nicht gerade. Deshalb überlege ich, nebenher Nachhilfe für Oberstufenschüler und Studenten der unteren Semester zu geben (Mathe, Physik, Chemie, Grundlagen Elektrotechnik und Informatik).

Weiß jemand, wie das steuerlich damit aussehen würde? Ich bin beim Finanzamt als Freiberufler angemeldet. Nun ist „Lehrtätigkeit“ nach Einkommenssteuergesetz ja auch eine freiberufliche Tätigkeit, wenn es auf dem Studium beruht. Aber müsste man das extra nochmal anmelden, und dann für die Einnahmen noch eine eigene Buchführung machen, oder kann ich das einfach in die selbe Einnahmen-Überschussrechnung mit reinnehmen, die ich eh schon für die eigentliche Ingenieurtätigkeit mache?

Danke schonmal für alle Tips!

De jure könnte man streiten, ob Nachhilfeunterricht freiberuflich ist, de facto ist es egal, integrier das einfach in deine freiberufliche Gewinnermittlung.

Vollkommen oT, aber vielleicht ein Ansatz zu einer Lösung: Gibt es bei Dir ganz besondere Lebensumstände, die Dich in eine solche Situation zwingen? Willst Du unbedingt zu 100% selbständig sein? Wie kommst Du in eine Situation, dass Du als Ingenieur Elektrotechnik in der aktuellen Lage am Arbeitsmarkt nicht zu einem ordentlich bezahlten Job kommst, in dem Du Dir nicht die Frage stellen musst, ob Du nebenbei noch Nachhilfe geben musst?

Die Übertragungsnetzbetreiber suchen händeringend nach allem, was irgendein „E“ im Abschluss stehen hat, oder weiß was eine Phase ist, um die ganzen Energiewende-Projekte umzusetzen. Alleine der ÜNB, für den ich aktuell arbeite, will rund 500 Leute dieses Jahr einstellen. Bei den anderen sieht es auch nicht anders aus. Man wirbt sich momentan reihenweise gegenseitig die Leute ab/teilweise passiert die Abwerbung sogar hausintern zwischen den Projekten.

Die Automobil-Industrie giert auch nach allem, was „E“ ist, um die E-Mobilität voran zu bringen. , Und wenn einem Tarif-Arbeitsplätze nicht interessant genug sind und man mehr Abwechslung mag, dann geht man mit etwas mehr Hintergrund über einen der unzähligen Sklavenhändler, die ebenfalls massiv suchen, um ihre Kunden mit interessanten Projekten bedienen zu können.

Die „Situation am Arbeitsmarkt“ ist gerade das Problem. Ich habe nur einen Bachelor und keine relevante Berufserfahrung. Die Firmen werben sich eben deshalb die Leute gegenseitig ab, weil sie keinen Bock haben, jemanden einzuarbeiten. Und beim Sklavenhändler F. hatte ich letztes Jahr schon ein Vorstellungsgespräch (ging um SPS-Programmierung), aber dann nie wieder was davon gehört.

Die Sache mit der Einarbeitung kann ich zumindest bei dem ÜNB, für den ich aktuell arbeite, nicht bestätigen. Es gibt Werkstudenten (die man dann gerne nach Abschluss wiedersieht), ein Trainee-Programm und mehr als genug Quereinsteiger, Berufsanfänger, die auf „harmlosen“ Positionen in den Projekten anfangen, sich dort beweisen können, und dann gerne Verantwortung übernehmen dürfen.

Und nur weil es bei einem der Sklavenhändler nicht geklappt hat, sollte man auch keinen Fall davon ausgehen, dass man bei denen überhaupt keine Chancen hätte. Neben Fichtner, um nur einen mit F. zu nennen, gibt es zig weitere, die alle in den Projekten, für die ich zuständig bin und in der Vergangenheit war, jede Menge Leute platziert haben.

BTW: Ich bin auch kein Eigengewächs der Energiebranche, sondern habe bis vor zweieinhalb Jahren noch in der IT gearbeitet (mal gemäß Studienabschluss als Jurist, mal als Consultant, Projektmanager, …). Mein aktueller Sklavenhändler hatte einerseits über Jahre immer wieder versucht mich abzuwerben, andererseits scheiterte es immer an meinen Forderungen, bis irgendwann die Not beim Kunden offenbar so groß war, dass man sich hierauf eingelassen hat, obwohl ich branchenfremd war.

Und was deinen „nur“ Bachelor" angeht: Sieh halt zu, dass Du Dir zusätzliche Qualifikationen schaffst, die Dich aus der Masse heben: Angefangen von Sprachkenntnissen über Projektmanagement-Skills, agile Methoden in der Software-Entwicklung (da Du SPS ansprachst), IT-Service-Management nach ITIL bis hin zu ganz konkreten Technologien hin, kann man auch vom heimischen Schreibtisch aus so viel machen. Man muss nicht für jeden Sch… ein teures Zertifikat erwerben. Es reicht oft schon, dass man im Vorstellungsgespräch erkennbare Kenntnisse präsentieren kann, wenn man hierauf angesprochen wird.

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Danke für die Tips. Ich hab mich allerdings im Lauf des letzten Jahres auf alles mögliche Beworben, was mit meiner Qualifikation theoretisch erreichbar wäre (auch Energieunternehmen und Stadtwerke), ohne Resultat.
Als „zusätzliche Qualifikation“ hab ich eine Fortbildung zum Energieberater gemacht, aber selbständig läuft eben nicht viel und es gibt wenige Firmen, die da jemanden suchen.
Sprachkenntnisse: Englisch gut genug, alles andere interessiert eh keinen (ich glaube nicht, daß jemand mein Latinum und mein Graecum sehen will).
Als Jurist öffnen sich einem wohl viele Türen, ich glaube nicht daß man das vergleichen kann.

Da klingt viel Frust aus deinen Worten. Kann ich durchaus verstehen, wenn man schon länger versucht, beruflich Fuß zu fassen, und das nicht klappen will. Aber es hilft ja nichts, „Aufstehen, Krönchen richten, weiter machen!“ Ist natürlich leichter gesagt, als getan, und irgendwann kommt der Punkt, an dem es schwer fällt noch Motivation aufzubringen, aber Spreu und Weizen trennen sich eben genau da, wo sich die einen dann hängen lassen, und die anderen es doch immer wieder schaffen, Gas zu geben.

Deine Zusatzqualifikation „Energieberater“ ist natürlich für die Geschichte mit der Selbständigkeit eine gute Sache, auch wenn die viel zu viele Leute gemacht haben, und dadurch der Markt für den Einzelnen je nach Region eher klein ist. Aber um längerfristig zu einem sicheren Arbeitsplatz und konstant gutem Einkommen zu kommen, ist das eher nicht geeignet.

Es gibt aber mehr als genug Dinge, die man machen kann, um sich interessanter zu machen. Und wenn Du meinst, dass sich einem als Jurist viele Türen öffnen, kann ich dir nur sagen, dass ich meine Jobs, die dafür gesorgt haben, dass ich heute über die Top-Durchschnittsgehälter in gewissen Berufen und Branchen und angebliche Spitzenpositionen recht milde lächeln kann, immer nur höchstens teilweise etwas mit der juristischen Qualifikation zu tun gehabt haben, und entscheidend immer die ohne jegliche nachgewiesene Ausbildung und jegliches Zeugnis/Zertifikat erworbenen technischen Kenntnisse und kaufmännischen Fähigkeiten als auch Projektmanagement-Skills, … und die Bereitschaft waren, sich über vorhandenes Basiswissen hinaus in neue Themen einzuarbeiten (was man eben nach ein oder zwei „unkonventionellen“ Tätigkeiten gut belegen kann).

Insoweit: SPS können viele, aber mit ITSM nach ITIL, Hostbetrieb und Programmierung mit Cobol und Fortran, Echtzeitbetriebssysteme, Shopfloor, CAx… um mal nur so einige Themen der letzten Jahre zu nennen, in denen wir bei meinem letzten Arbeitgeber immer Probleme hatten, Leute zu finden, sieht es schon anders aus. Und es ist eine gewisse Ironie, dass bis kurz vor meinem Einstieg in das letzte Unternehmen da bis zur Teamassistenz runter jeder zumindest ITIL Foundation machen musste, und ich einer der ersten/wenigen war, der da rum gekommen ist, gleichzeitig aber recht schnell als der große ITIL-Versteher galt, der an den Servicearchitekturen für große DAX-Unternehmen mitarbeitete, obwohl er ja eigentlich nur für die entsprechenden Verträge eingekauft worden war. Den ganzen ITIL-Kram habe ich mir nebenbei angelesen, aus den Kundenprojekten und von den Kollegen mitgenommen, und mir mit gesundem Menschenverstand erarbeiten können. Für ein paar Bankenprojekte habe ich mir auch mal Grundkenntnisse von Basel II, KWG und dem ganzen BaFin-Geschichten drauf geschafft, noch während des Studiums habe ich mir für einen Studentenjob mal VMX und DCL gegönnt, ich habe mich in Autoversicherung, Touristik, … als fachlicher Projektleiter getummelt, … Macht alles nicht dümmer.

Und was die Sprachen angeht, irrst Du Dich ganz gewaltig. Natürlich sind es Nischen, in denen man mit bestimmten Sprachen einen echten Mehrwert hat, aber von denen gibt es in Summe nicht so wenig, wie Du denkst. Latein und Altgriechisch (kann man natürlich für Neugriechisch nutzen) sind natürlich kein Bringer, aber es drängen so viele ausländische Firmen auf den deutschen Markt, die ein massives Problem haben, zweisprachliches Personal zu finden, das oft unabdingbar ist. Z.B. bei meiner aktuellen Firma sind alle osteuropäischen Sprachkenntnisse immer sehr gerne gesehen. Hausintern ist holländisch die Sprache Nr. 1. (hätte ich auch Lust drauf, wenn es zeitlich mal passen würde, da ich gerade eine holländische Chefin habe). Und neulich präsentierte ein Unternehmen aus Südeuropa bei uns ein wirklich gutes Angebot (ging um deutlich mehr als € 100 Mio.), bekam aber den Zuschlag nicht, weil es an zweisprachigem Personal (E-Technik/Bau) für die Ausführung fehlte, und wir daher dem Personalkonzept nicht trauten. Die suchen händeringend, und finden weder zuhause noch in Deutschland dieses Personal, weil diese Kombination keine klassische schulische Kombination ist, und selbst die Gastarbeiterenkel inzwischen vielfach der Heimatsprache nicht mehr mächtig sind.

Ganz viele Leute mit besonders hohen Ambitionen lernen inzwischen neben dem Studium Chinesisch, und sind damit für viele Firmen interessant, die in China produzieren lassen, oder dort selbst vor Ort Projekte machen wollen. Deutschland ist nach wie vor ein Land, aus dem Ingenieure in aller Welt begehrt sind, und ich kenne massenhaft Leute, die mehr oder weniger lang im Ausland waren, und dafür/dabei Sprachkenntnisse abseits von D/E aufgebaut und genutzt haben. Die muss man ja nicht gleich verhandlungssicher aufbauen, aber wenn es für eine fachliche Unterhaltung knapp reicht, ist das auf jeden Fall etwas für die Bewerbungsmappe.

Ich würde da nichts weiter „anmelden“. Im Prinzip reicht eine Angabe der Tätigkeit für eine Selbständigkeit.
Sollte sich jemand daran stören, dass Du keine pädagogische Ausbildung hast, dann nenn Dich doch einfach nur „Coach“. Der ist nämlich nicht geschützt.
ich finde es auch irgendwie schade, dass so viele, wirklich fähige Leute zuhause rumlungern müssen.
ich drück Dir mal die Daumen, dass es bald bergauf weiter geht.