Guten Morgen Maldweister,
zuerst einmal vorweg der Hinweis, dass die allermeisten Familiennamen mehrere Ursachen haben können, von denen einige wahrscheinlicher, andere weniger wahrscheinlich sind. Dabei sind viele Einflussfaktoren zu berücksichtigen wie Endungen, Namensverteilung, Umlaute/Diphthonge, Buchstabenverschiebungen, Verkürzungen, Kontaminationen (Verdunkelungen durch Ähnlich-Klang mit einem völlig anderen Begriff Beispiel: heizen und heißen) etc.
Inhaltliche Bedeutung: Die meisten Personen, die „Schirmer“ heißen, werden wohl auf einen alten Beruf zurückzuführen sein. Es gibt mhd./nhd. schirmaere, was „Fechter“ meint. Der Beruf des Fechters gehört zu den Spielleuten und Gauklern, die die Obrigkeit unterhalten haben. Heute würde man diesen Beruf zum Entertainment zählen.
Formale Aspekte: Der Name ist eingliedrig. Er beinhaltet ausschließlich den sinntragenden Begriff zuzüglich einer unselbständigen Endung ("-er", eine der häufigsten Berufsendungen überhaupt: Müller, Schneider, Schuster, Maier etc.). Diese Endung ist aus lateinisch „-arius“ entstanden und kann etwa übersetzt werden mit „der Handelnde“. Da die Endung „-er“ für Berufe gleichzeitig die jüngste Berufsendung im Deutschen ist, gibt die Endung einen Anhaltspunkt zum Alter des Namens. Ältere Berufsendungen sind „-ner“ (Wagner, Hafner, Kürschner), noch älter „-ler“ (Tischler, Drexler), die älteste Endung für Berufe im deutschen Sprachgebiet ist „-el“ (Tischel, Fischel, Händl „Händler“). Mögliche Buchstabenverschiebungen müssten unter Umständen berücksichtigt werden: helle Vokale könnten untereinander vertauscht sein („i“ statt „e“; Schermer) Umlautungen könnten stattgefunden haben („i“ statt „ü“ Schürmer). Vielleicht kommt auch ein Wechsel von einem alten „s“ zu neuerem „sch“ in Betracht (dt. Schwester, engl. „sister“). Auch Verdunkelungen sind denkbar. So könnte aus einem ehemaligen „-mann“ ein modernes „-mer“ entstanden sein. Auch könnten Buchstaben entfallen sein und eine Betonungsveränderung stattgefunden haben: so könnte das „-er“ eine Verkürzung aus „-herr“ sein.
Geografische Herkunft: Da es sich um einen Begriff handelt, der sowohl im Mittelhochdeutschen als auch in Niederdeutschen vorhanden ist, lässt sich eine geografische Eingrenzung, wo der Name entstanden sein könnte, kaum treffen. Auch wenn man sich die Namensverteilungskarte anschaut
http://www.verwandt.de/karten/relativ/schirmer.html
so ergibt sich das ganz typische Bild für einen Familiennamen, welcher aus einem Beruf entstanden ist: er ist in ganz Deutschland mehr oder minder gleichmäßig verteilt - ähnlich wie der Beruf aus dem er entstanden ist. Dass sich in der Mitte Deutschlands eine gewisse Häufung ergibt, kann ich nicht recht erklären. Man müsste untersuchen, ob in einem Umkreis von ca. 100 km um Weimar (etwa die Mitte der Namenshäufungs-Gegend) herum es vielleicht besonders viele Burgen gab? Ein Indiz dafür wäre der ebenfalls in diesem Bereich gelegene „Burgenlandkreis“. Aber wie gesagt, das ist nur Spekulation und müsste näher untersucht werden. Vielleicht wendest Du ein: Die Familiennamen sind doch schon sehr alt, die Namensverteilung spiegelt aber die HEUTIGE Verteilung des Namens wider. Dazu solltest Du wissen, dass die große Masse aller Namensträger sich in der Zeit bis heute selten weiter als 100 km Luftlinie von jenem Ort entfernt haben, an dem ihr Familienname vor einigen Hundert Jahren entstanden ist. Somit kann man trotz aller Mobilität von heute von einer erstaunlichen Standorttreue der Familien sprechen.
Räumliche Herkunft: Familiennamen aus Berufsbezeichnungen sind weit überwiegend in Städten und größeren Märkten entstanden. Dies wird bei „Schirmer“ auch überaus deutlich: als Unterhaltungsberuf ist er an den Herrschaftssitz gebunden. Herrschaftssitze wiederum bedingten automatisch eine meist größere Ansiedlung, weshalb man von einer „städtischen“ Herkunft des Namens sprechen kann.
Alter: Familiennamen im Süden sind früher entstanden als im Norden, solche im Westen früher als im Osten, solche in der Stadt früher als auf dem Land. Eingliedrige Namen sind älter als mehrgliedrige. Daher gehe ich davon aus, dass „Schirmer“ erstmals etwa 1200 (im Südwesten am Oberrhein) bis 1450 (im Nordosten; Meck-Pom) als Familienname verwendet wurde. Eingrenzen lässt sich dieser Zeitraum - genau so wie die geografische Herkunft des Namens - in dem man den Wohnort der Familie um 1900 (also vor den beiden Weltkriegen) betrachtet: von dort aus ist mit großer Wahrscheinlichkeit die Familiennamens-Wiege nicht weiter als 100 km entfernt.
Sonstiges / alternative Erklärungen, die ich nicht für so wahrscheinlich halte: In Süddeutschland und Österreich ist die Endung „-er“ auch die typische Endung für Familiennamen welche aus Ortsnamen / Örtlichkeitsnamen entstanden sind (MünchnER, UlmER, StuttgartER etc.) Gerade in Österreich gibt es etliche Orte, welche mit „Schirm-“ bzw. „Scherm-“ beginnen. So gibt es beispielsweise bei Kiztbühel einen Ort „Schermer“. Ferner gibt es in Sachsen einen Ort (Groß-/Klein-)„Schirma“ (dialektal für Schirmau). Somit könnten Ortsnamen oder Örtlichkeitsnamen ebenfalls als Namensursache in Betracht gezogen werden. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Funktionsbezeichnung „Schirmer“, welches wir heute noch als „Schirmherr“ kennen: In der älteren Sprache ist ein Schirmherr ein Vormund über ein Waisenkind bzw. Halbwaisenkind. Auch ein weiterer Beruf lässt sich über eine Verdunkelung während der Sprachentwicklung nicht ausschließen: Die Veränderung aus dem alten Wort „Geschirr“ im Sinne von Zaumzeug für Pferde (heute noch: „anschirren“). In diesem Fall wäre das „-mer“ die aus „-mann“ verderbte Endung und der Wortstamm wäre nur „Schir“ (aus „Geschirr“). Dies würde den Pferdeknecht bedeuten, der die Pferde versorgt und entsprechend anschirrt.
Bemerkungen: Der Hinweis auf die Armee und die Infanterie ist zwar vermutlich dahingehend richtig, als dass dort auch der Begriff „Schirmer“ verwendet wird/wurde, doch ist diese Tätigkeit nur vorübergehender Art (in Kriegszeiten) und somit schon aus diesem Grund nicht als Ursache für einen Familiennamen wahrscheinlich und obendrein ist diese „Abwehrtätigkeit“ beim Militär sicher viel zu jung, als dass sie rein zeitlich gesehen überhaupt noch dazu dienen könnte, einen Familiennamen daraus entstehen zu lassen. Diese Begrifflichkeit hat somit sicher nichts mit der Ursache des Familiennamens zu tun.
Ich hoffe, ich konnte ein wenig helfen.
Frohe Weihnachten wünscht
Alexander