Nachname die XXX

Guten Morgen (ja noch eine Frage^^),

ich wollte mich mal schlau machen, was der Name „Schirmer“ beduetet.

Vor einiger Zeit habe ich mal gelesen, das Schirmer Bogenschützen waren, die mit Ihren Pfeilen die vorrückende Infantrie „abgeschirmt“ haben, auf einer anderen Seite habe ich gelesen, dass Schirmer der Teil der Truppe waren, die an forderster Front mit Schilden liefen und so den hinteren Teil deckten/abschirmten, aber was stimmt denn nun, oder gibt es noch andere Bedeutungen? Über das Inet habe ich nicht mehr herausgefunden.

Gruß und Dank Maldweister

Hallo Maldweister,

könnte es nicht auch eine Abwandlung oder Verkürzung der Berufsbezeichnung eines Handwerks, welches Pferdegeschirre und Zaumzeug fertigt, also des (Ge-)Schirrmachers sein oder wär das zu weit hergeholt?

Beste Grüße

Annie

Guten Morgen Maldweister,

zuerst einmal vorweg der Hinweis, dass die allermeisten Familiennamen mehrere Ursachen haben können, von denen einige wahrscheinlicher, andere weniger wahrscheinlich sind. Dabei sind viele Einflussfaktoren zu berücksichtigen wie Endungen, Namensverteilung, Umlaute/Diphthonge, Buchstabenverschiebungen, Verkürzungen, Kontaminationen (Verdunkelungen durch Ähnlich-Klang mit einem völlig anderen Begriff Beispiel: heizen und heißen) etc.

Inhaltliche Bedeutung: Die meisten Personen, die „Schirmer“ heißen, werden wohl auf einen alten Beruf zurückzuführen sein. Es gibt mhd./nhd. schirmaere, was „Fechter“ meint. Der Beruf des Fechters gehört zu den Spielleuten und Gauklern, die die Obrigkeit unterhalten haben. Heute würde man diesen Beruf zum Entertainment zählen.

Formale Aspekte: Der Name ist eingliedrig. Er beinhaltet ausschließlich den sinntragenden Begriff zuzüglich einer unselbständigen Endung ("-er", eine der häufigsten Berufsendungen überhaupt: Müller, Schneider, Schuster, Maier etc.). Diese Endung ist aus lateinisch „-arius“ entstanden und kann etwa übersetzt werden mit „der Handelnde“. Da die Endung „-er“ für Berufe gleichzeitig die jüngste Berufsendung im Deutschen ist, gibt die Endung einen Anhaltspunkt zum Alter des Namens. Ältere Berufsendungen sind „-ner“ (Wagner, Hafner, Kürschner), noch älter „-ler“ (Tischler, Drexler), die älteste Endung für Berufe im deutschen Sprachgebiet ist „-el“ (Tischel, Fischel, Händl „Händler“). Mögliche Buchstabenverschiebungen müssten unter Umständen berücksichtigt werden: helle Vokale könnten untereinander vertauscht sein („i“ statt „e“; Schermer) Umlautungen könnten stattgefunden haben („i“ statt „ü“ Schürmer). Vielleicht kommt auch ein Wechsel von einem alten „s“ zu neuerem „sch“ in Betracht (dt. Schwester, engl. „sister“). Auch Verdunkelungen sind denkbar. So könnte aus einem ehemaligen „-mann“ ein modernes „-mer“ entstanden sein. Auch könnten Buchstaben entfallen sein und eine Betonungsveränderung stattgefunden haben: so könnte das „-er“ eine Verkürzung aus „-herr“ sein.

Geografische Herkunft: Da es sich um einen Begriff handelt, der sowohl im Mittelhochdeutschen als auch in Niederdeutschen vorhanden ist, lässt sich eine geografische Eingrenzung, wo der Name entstanden sein könnte, kaum treffen. Auch wenn man sich die Namensverteilungskarte anschaut
http://www.verwandt.de/karten/relativ/schirmer.html
so ergibt sich das ganz typische Bild für einen Familiennamen, welcher aus einem Beruf entstanden ist: er ist in ganz Deutschland mehr oder minder gleichmäßig verteilt - ähnlich wie der Beruf aus dem er entstanden ist. Dass sich in der Mitte Deutschlands eine gewisse Häufung ergibt, kann ich nicht recht erklären. Man müsste untersuchen, ob in einem Umkreis von ca. 100 km um Weimar (etwa die Mitte der Namenshäufungs-Gegend) herum es vielleicht besonders viele Burgen gab? Ein Indiz dafür wäre der ebenfalls in diesem Bereich gelegene „Burgenlandkreis“. Aber wie gesagt, das ist nur Spekulation und müsste näher untersucht werden. Vielleicht wendest Du ein: Die Familiennamen sind doch schon sehr alt, die Namensverteilung spiegelt aber die HEUTIGE Verteilung des Namens wider. Dazu solltest Du wissen, dass die große Masse aller Namensträger sich in der Zeit bis heute selten weiter als 100 km Luftlinie von jenem Ort entfernt haben, an dem ihr Familienname vor einigen Hundert Jahren entstanden ist. Somit kann man trotz aller Mobilität von heute von einer erstaunlichen Standorttreue der Familien sprechen.

Räumliche Herkunft: Familiennamen aus Berufsbezeichnungen sind weit überwiegend in Städten und größeren Märkten entstanden. Dies wird bei „Schirmer“ auch überaus deutlich: als Unterhaltungsberuf ist er an den Herrschaftssitz gebunden. Herrschaftssitze wiederum bedingten automatisch eine meist größere Ansiedlung, weshalb man von einer „städtischen“ Herkunft des Namens sprechen kann.

Alter: Familiennamen im Süden sind früher entstanden als im Norden, solche im Westen früher als im Osten, solche in der Stadt früher als auf dem Land. Eingliedrige Namen sind älter als mehrgliedrige. Daher gehe ich davon aus, dass „Schirmer“ erstmals etwa 1200 (im Südwesten am Oberrhein) bis 1450 (im Nordosten; Meck-Pom) als Familienname verwendet wurde. Eingrenzen lässt sich dieser Zeitraum - genau so wie die geografische Herkunft des Namens - in dem man den Wohnort der Familie um 1900 (also vor den beiden Weltkriegen) betrachtet: von dort aus ist mit großer Wahrscheinlichkeit die Familiennamens-Wiege nicht weiter als 100 km entfernt.

Sonstiges / alternative Erklärungen, die ich nicht für so wahrscheinlich halte: In Süddeutschland und Österreich ist die Endung „-er“ auch die typische Endung für Familiennamen welche aus Ortsnamen / Örtlichkeitsnamen entstanden sind (MünchnER, UlmER, StuttgartER etc.) Gerade in Österreich gibt es etliche Orte, welche mit „Schirm-“ bzw. „Scherm-“ beginnen. So gibt es beispielsweise bei Kiztbühel einen Ort „Schermer“. Ferner gibt es in Sachsen einen Ort (Groß-/Klein-)„Schirma“ (dialektal für Schirmau). Somit könnten Ortsnamen oder Örtlichkeitsnamen ebenfalls als Namensursache in Betracht gezogen werden. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Funktionsbezeichnung „Schirmer“, welches wir heute noch als „Schirmherr“ kennen: In der älteren Sprache ist ein Schirmherr ein Vormund über ein Waisenkind bzw. Halbwaisenkind. Auch ein weiterer Beruf lässt sich über eine Verdunkelung während der Sprachentwicklung nicht ausschließen: Die Veränderung aus dem alten Wort „Geschirr“ im Sinne von Zaumzeug für Pferde (heute noch: „anschirren“). In diesem Fall wäre das „-mer“ die aus „-mann“ verderbte Endung und der Wortstamm wäre nur „Schir“ (aus „Geschirr“). Dies würde den Pferdeknecht bedeuten, der die Pferde versorgt und entsprechend anschirrt.

Bemerkungen: Der Hinweis auf die Armee und die Infanterie ist zwar vermutlich dahingehend richtig, als dass dort auch der Begriff „Schirmer“ verwendet wird/wurde, doch ist diese Tätigkeit nur vorübergehender Art (in Kriegszeiten) und somit schon aus diesem Grund nicht als Ursache für einen Familiennamen wahrscheinlich und obendrein ist diese „Abwehrtätigkeit“ beim Militär sicher viel zu jung, als dass sie rein zeitlich gesehen überhaupt noch dazu dienen könnte, einen Familiennamen daraus entstehen zu lassen. Diese Begrifflichkeit hat somit sicher nichts mit der Ursache des Familiennamens zu tun.

Ich hoffe, ich konnte ein wenig helfen.

Frohe Weihnachten wünscht

Alexander

Hallo,

danke für die ausführliche Erklärung, sehr Interessant!

Dieser Schirmer und seine Vorfahren wohn(t)en tatsächlich dicht an einem der roten Gebiete in einem gelben Gebiet und das schon seit weit über 100 Jahren, etwas mehr wie 100 km entfernt von der Weimarer Region und es gibt auch tatsächlich viele alte Burgen in der näheren Umgebung.

Lassen sich daraus neue Schlüsse ziehen?

Gruss und Dank Maldweister

Hallo Maldweister,

Dieser Schirmer und seine Vorfahren wohn(t)en tatsächlich
dicht an einem der roten Gebiete in einem gelben Gebiet und
das schon seit weit über 100 Jahren, etwas mehr wie 100 km
entfernt von der Weimarer Region und es gibt auch tatsächlich
viele alte Burgen in der näheren Umgebung.

Lassen sich daraus neue Schlüsse ziehen?

insofern ja, als dadurch die geographische Herkunftsregion auf die Mitte Deutschlands eingegrenzt werden kann: wie ich schon schrieb: etwa in einem Radius von 100 km um den Wohnort, an dem die Familie um 1900 lebte.

Zeitlich lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass es innerhalb des von mir erwähnten Zeitraums ebenfalls etwa in der Mitte liegen muss: die geographische Region ist weder der Südwesten (um 1200) noch der Nordosten (um 1450). Da natürlich immer eine gewisse Bandbreite als erstmalige Verwendungszeit zu berücksichtigen ist, denke ich, dass der Name „Schirmer“ IN DIESER REGION MITTELDEUTSCHLAND erstmals zwischen 1300 bis 1350/1400 als Familienname verwendet wurde.

Die Folge daraus ist wiederum, dass es Dir selbst bei intensiver Familienforschung schwerfallen dürfte, Dokumente zu finden, die bis in diese Zeit der Familiennamensentstehung zurückreichen. Ganz unmöglich ist es zwar nicht, aber doch relativ unwahrscheinlich.

Um gleich einem gerne gemachten Fehler eines Anfängers vorzubeugen: solltest Du mit der Familienforschung beginnen wollen, so ist der Forschungsweg IMMER von der Jetztzeit in Richtung Vergangenheit. Niemals umgekehrt (zumindest nicht für einen Anfänger; wenn Du dann mal 30 Jahre Forschungserfahrung hast, dann kannst Du auch mal in die andere Richtung anfangen zu forschen). Und was ebenfalls jedem Anfänger klar sein muss: Nur dann ist die Filiation (Vater-Sohn-Nachweis; Verwandtschaftsnachweis) erbracht, wenn die gefundenen Dokumente diese Vorfahrenschaft lückenlos dokumentieren. Schon eine Lücke von 30 Jahren kann Dich auf eine falsche Fährte bringen und Du erforscht plötzlich nicht mehr Deine Familie, sondern eine, welche zwar gleich heißt, aber mit Deiner Familie nichts zu tun hat (Extrem-Beispiel: Familienname „Müller“).

Über die weltlichen Dokumente, welche Du in der Regel in den Staatsarchiven findest kannst Du in den sog. Briefprotokollen (so heißen sie zumindest in Bayern und Österreich, ob bei Euch auch weiß ich leider nicht) Unterlagen finden, welche Deinen Vorfahren betreffen und aus welchen beispielsweise hervorgehen wird, zu welchem Gerichtsherrn und zu welchem Grundherrn Dein Vorfahre gehört hat. Daraus wiederum kannst Du vermutlich - das ist gar nicht so unrealistisch - sogar die Burg ermitteln, und somit den Burgherrn, der Deiner Familie vor 600 Jahren den Namen „verpasst“ hat. Denn Dein Vorfahre war ja „Angestellter“ des Burgherrn. Diesem jedoch war der Name seines Untertanen nicht nur unbekannt, sondern absolut egal. Er hat ihn nur nach seiner Funktionsbezeichnung gerufen (Fechter = Schirmer). Und dem Burgherrn haben es die anderen nachgemacht. So wurde innerhalb von 30 oder 50 Jahren aus einem Beruf zuerst ein sogenannter Beiname (Wolfgang der Fechter, Roland der Gaukler, Heinrich der Fleischer etc.) und schließlich der Zuname ohne das einleitende „der“. Wolfgang Fechter, Roland Gaukler, Heinrich Fleischer. Anfangs war der Rufname bedeutend wichtiger wie der „zweite“ Namen, daher hat man ihn als „Zuname“ bezeichnet. Dieser Begriff hat sich in Formularen teilweise bis heute bewahrt. Mit der Vererbbarkeit des Zunamens und der Abnahme der Wichtigkeit des ebenfalls noch existierenden Haus- und Hofnamens („genannt …“) veränderte sich langsam im Sprachgebrauch dieser „zweite“ Namen vom „Zunamen“ zum „Familiennamen“. Heute hört man „Zuname“ nur noch relativ selten.

Soweit ein kurzer Rundumschlag über die Aspekte der Familiennamensentstehung und der Familienforschung für Anfänger.
Solltest Du Dich wirklich in dieses interessante Feld der Erforschung Deiner Vorfahren (Ergebnis ist eine Ahnentafel bzw. Ahnenliste, KEIN Stammbaum - das ist die umgekehrte Richtung: die Erforschung aller NACHfahren und somit nichts für Anfänger!) stürzen wollen, so empfehle ich Dir, Dich in einer der Regionallisten für Heimat- und Familienforscher kostenlos einzutragen. Die Übersicht, welche Mailing-Listen es alles gibt findest Du hier:
http://list.genealogy.net/mm/listinfo
Man trägt sich stets in der Liste ein, in der man selbst forscht, unabhängig vom Wohnort. Daher sind beispielsweise in der Bavaria-L (in der ich Mitglied bin) auch Leute aus USA oder Australien.

Bei weiteren Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.

viele Grüße

Alexander

1 Like

Morgen,

sehr interessant das alles! Ahnenforschung wollte ich eigentlich nicht betreiben (vielleicht später mal), aber ich bedanke mich recht herzlich für die tolle Ausführung, klasse!

Gruss Maldweister