Nachrichtenübermittlung im 16. Jahrhundert

Hallo,
mich würde interessieren, ob und wie sich Menschen im frühen 16. Jahrhundert wohl über Ereignisse in der Welt informiert haben. Zeitungen in diesem Sinne gab es ja noch nicht, der Buchdruck war ja auch noch nicht erfunden, bzw. wurde erst später für so etwas genutzt.

Gab es irgendwelche Anschläge, oder „Marktschreier“? War es nur Gelehrten möglich sich in Universítäten oder dergleichen zu informieren?
Oder hatten die Menschen damals schlichtweg kein Interesse, was in der Nachbarstadt, oder gar der Welt passierte?

Vielleicht weiß ja jemand Bescheid.
Vielen Dank

Brieftauben, Feuerzeichen, mit Spiegeln übertragene Lichtzeichen, Horn- und Trommelton von Bergspitz zu Bergspitz, Reiter auf speziellen Rössern, Läufer.
Das alles kam natürlich nicht in Bruchteilssekunden an wie heute, sondern sehr zeitverzögert aber es kam, mit unter auch verstellt, an. ramses90

Na, die Welt der Menschen war klein, reichte kaum über den Wohnort hinaus. Man hatte genug mit dem Überleben zu tun, man reiste nicht umher ohne Grund.
Klar, Neuigkeiten aus der lokalen Gegend fanden Verbreitung durch reisende Händler etwa. Und das was man heute aus den Klatschseiten der Zeitungen erfährt, erzählten wanderende Geschichtenerzähler auf den Märkten und Volksfesten. Ausgeschmuckt, in Liedern vorgetragen („Moritätensänger“) usw. Es war mehr Belustigung als dass man es für bare Münze nehmen konnte. Oft hatte der Erzähler es ja gar nicht selbst erlebt sondern wiederum irgendwo erzählt bekommen.

Aber aus der Welt ? Kaum jemand hatte doch eine Vorstellung davon, was außerhalb seiner näheren Umgebung war. Geschweige denn im Ausland, selbst direkte Nachbarländer.

Die meisten (einfachen Menschen, Bauern und Handwerker etwa) könnten weder lesen noch schreiben. Bibliotheken und Universitäten waren den wenigen Gelehrten ,oft Adlige und Kirchenmänner, vorbehalten.

Nachrichten von Bedeutung wurden auf den Marktplätzen öffentlich ausgerufen und bekanntgemacht. Und es gab schon Aushänge mit Anweisungen der örtlichen Verwaltung oder des Landesherrn. Früher handgeschrieben , später auch gedruckt.
Aber wie gesagt, wenige konnte das selbst lesen.

MfG
duck313

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Siehe auch hier:

Ja. Ein prominentes Beispiel, das in die von dir angesprochene Zeit fällt, sind die Thesen Martin Luthers, die öffentlich angeschlagen wurden.

Universitäten haben ja nicht den Zweck, über aktuelle Geschehnisse zu berichten.

Bücher fand man zumindest im Mittelalter (also vor der von dir angefragten Zeit) vor allem in den Klöstern, wo Mönche Zeit und Muße hatten, sie zu vervielfältigen, was ja Handarbeit und entsprechend aufwendig war.

Schon im Mittelalter verbreiteten sich Nachrichten binnen weniger Tage durch das ganze HRR.

Aber mit Grund schon. Und wer mit Grund durch die Gegend reiste, konnte Nachrichten verbreiten.

Wie kommst du eigentlich zu dieser Annahme? Und wie zu der folgenden:

An der Universität erwirbt man die Bildung doch erst. Und dafür musste man natürlich weder von Adel noch schon vorab ein Gelehrter sein. Oder in welche Kategorie würdest du etwa Luther einordnen, der ja zunächst Jura studiert hat?

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Servus,

Also den Buchdruck gibt’s seit 1445 und wurde recht bald gerade für Zeitungen (bzw. deren Vorläufer) verwendet. Hier gibt der Wiki-Artikel imho einen sehr guten Überblick:

Servus,

sind eine hübsche Legende aus der Zeit, in der Flugblätter durch die entsprechende technische Entwicklung in Mode kamen. Zwar gab es zur Reformationszeit eine Unzahl mehr oder weniger geistreicher Flugblätter, die technischen Möglichkeiten waren da, um auch weniger geistreiche in großer Auflage herzustellen (im Lindauer ‚Haus zum Cavazzen‘ ist ein sehr schönes Exemplar mit Darstellung eines üblen Müllhaufens und darunter gedruckt: „Unter diesem Kutter / findst Du den Martin Luther“ und handschriftlich dazugefügt „Und wenn Du weiter grabst / dann findst auch noch den Papst“), aber die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg diente als eine Art Schwarzes Brett der Universität Wittenberg, an der u.a. Bekanntmachungen zu Disputationen angeschlagen wurden - die Thesen von Martin Luther übrigens ziemlich wahrscheinlich nicht: Die strenge Disziplin bei den Augustinereremiten (einschließlich deren Reformkongregation) hätte einen solchen Alleingang nicht erlaubt, und erst 1518 wurde Martin Luther von seiner Gehorsamspflicht entbunden.

Kurz: Ja, sicherlich hätte die Reformation ohne moderne Drucktechnik anders funktioniert, weil es dann weder Flugblätter noch die „Großmutter der Reformation“ Gutenberg-Bibel gegeben hätte, aber ohne den „Thesenanschlag“ Luthers ist sie sehr gut ausgekommen, es hat ihn wohl nie gegeben.

Schöne Grüße

MM

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Also im Vergleich zu heute hatten Menschen extrem weniger Informationen von dem, was „in der Welt passierte“, und: Es gab ein ganz anderes Zeitmaß. Heutzutage sind Nachrichten verrückter Weise oft schon nach 24 Stunden veraltet, man muss dann schon im Internet wühlen, um sie hervorzuholen.

Im 16. Jahrhundert konnten Wochen, Monate vergehen. Starb z. B. ein Matrose auf einem Schiff, das sich gerade in der Karibik befand, bekam seine Mutter die Nachricht vielleicht vier Monate später, wenn dieses Schiff wieder im Heimathafen ankam. Unvorstellbar für uns. Damals war es eben so, nicht zu ändern und darum normal.

Dann muss man beachten, dass die Menschen je nach Schicht sehr unterschiedlich lebten. Die meisten Menschen waren Bauern, konnten in der Regel nicht lesen und waren hauptsächlich damit beschäftigt, zu überleben und in ihrem Bereich (Hof, Dorf, Kirchenspiel) „richtig“ zu leben, so wie es damals gesehen wurde. Wichtig war übrigens damals nicht zu wissen, ob in China ein Erdbeben geschehen war, sondern

  1. ein gottfürchtiges Leben zu führen, um später in den Himmel zu kommen
  2. Vor den Augen der Nachbarn und der eigenen Familie gut darzustehen
  3. Trotzdem gut essen, trinken und den Sexualtrieb befriedigen zu können war (meist versteckt) natürlich auch damals etwas, womit sich Menschen beschäftigten.
    Diese ersten beiden Punkte beanspruchten viel Zeit!

Höhere Schichten verfügten über mehr Informationen. Ein König hatte natürlich Berater, eventuell Erfahrende mit viel Wissen. Und Boten, die Briefe von anderen Fürsten brachten, Anfragen gingen hin und her. Auch da konnten Wochen vergehen, bis eine Antwort eines anderen gekrönten Hauptes eintraf, besonders dann, wenn der fremde Bote vielleicht tagelang warten musste, bis er eine Audienz bekam!

Viele Teile der Welt waren natürlich gar nicht miteinander vernetzt. Über größte Teile Asiens z. B. wusste man in Mitteleuropa nur sehr wenig (und vermutete viel Falsches).
Auf der anderen Seite war gerade das 16. Jahrhundert die Zeit, in der Europa aufbrach in die Welt und viele neue Erkenntnisse gewann.

Letztlich wird die Mund-zu-Mund-Propaganda eine ganz entscheidene Rolle gespielt haben, das Gedächtnis und die Konzentration der Menschen wird viel besser gewesen sein. Dennoch werden auf diesem Weg auch viele Gerüchte von Dorf zu Dorf gekommen sein. Und alle Formen von Aberglaube und Glaube konnten so viel mehr Nahrung erhalten. Die Menschen lebten viel mehr in Mythen, Sagen, Traditionen des Volkes, der Gegend, der eigenen Familie, biblischen und anderen kirchlichen Inhalten.

Mach dir klar: Im Jahr 1550 wusste niemand, dass man im Jahr 2020 innerhalb von Sekunden erfahren können würde, ob es übermorgen an einem beliebigen Punkt der Erde regnen wird. Unsere Internet-Welt ist kein Maßstab für das, wie Menschen damals die Welt sahen.

Karl

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@Aprilfisch

Das Missverständnis nehme ich auf meine Kappe. Ich habe weder gesagt noch gemeint, dass die Thesen Luthers als Flugbatt überall angeschlagen wurden. Ich habe mich an dieser Stelle nur auf die Tür der Schlosskirche bezogen.

Diesen Vorgang halte ich allerdings mit Thomas Kaufmann und anderen für historisch und zwar gerade weil es sich bei der Tür um ein Schwarzes Brett der Universität handelte und den Thesen ja die Aufforderung zur Diskussion voranging. Mich bestärkt die Auffassung von Peter Zimmerling, dass Luther die Sprengkraft seiner Thesen wohl nicht von Anfang an erkannt hat.

und ich halte die Auffassung von Erwin Iserloh für plausibler:

Grade das spricht dafür, dass er diese Thesen nicht öffentlich „verkünden“, sondern wie es sich für einen Augustinereremiten gehört intern mit geeigneten Partnern diskutieren wollte. Innerhalb des Ordens gab es eine bedeutende Reformbewegung, der der Beichtvater und Förderer Luthers Generalvikar Johann von Staupitz und auch der junge Kardinal Albrecht von Brandenburg - dieses die beiden disziplinarischen Vorgesetzten Luthers - zugetan waren. Beide gehören zu den Empfängern des als eine Art Rundbrief verschickten Thesenpapiers, und von beiden brauchte Luther die Erlaubnis für eine Veröffentlichung, die er später offensichtlich auch erhalten hat (die beiden Genannten waren viel zu geschickte Politiker, als dass sie das an die Große Glocke gehängt hätten).

Der erste, der das Ereignis des „Thesenanschlags“ so beschrieb, wie es dann populär weitererzählt wurde, war Philipp Melanchthon, und der konnte es nur vom Hörensagen (oder eben als eigene Imagination) kennen.

Was freilich die enorme Bedeutung von in großen Auflagen hergestellten Druckschriften bereits am Anfang des vom Fragesteller ins Auge gefassten 16. Jahrhunderts nicht schmälert und die Vorstellung, es habe sich beim 16. Jahrhundert um eine Art Fortsetzung des Mittelalters nur mit besserer Ernährung und Kleidung gehandelt, entkräftet.

Diese Vorstellung vom Bauern, der als leibeigener Analphabet ohne Wissen, Information, Bildung und Standpunkt vegetiert, wie sie in diesem Thread an anderer Stelle geäußert wird, wird übrigens durch eine nur wenige Jahre nach den 95 Thesen Luthers veröffentlichte Schrift, mit verfasst durch den zwinglianisch orientierten Theologen Christoph Schappeler, widerlegt: Die zwölf Artikel der Bauerntagung in Memmingen im März 1525. Auch diese wäre ohne Druckauflage bedeutungslos geblieben.

Schöne Grüße

MM

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Treffen auf Maerkten auch zum Meinungsaustausch.
Weitere Berufe reisten, Scherenschleifer, Handwerker in Ausbildung, auch Aerzte. https://www.welt.de/geschichte/article160274709/Als-Aerzte-noch-Schaedel-mit-Geldstuecken-verschlossen.html

Wenn es nun aber üblich war, unter anderem am Schwarzen Brett der Universität zur Disputation einzuladen, leuchtet nicht ein, wieso der Herr Professor ausgerechnet in diesem Fall anders gehandelt haben sollte. Mit diesem Argument treffen zum Beispiel Dorothea Wendebourg und Thomas Kaufmann den Nagel auf den Kopf.

Dass Melanchthon der erste war, ist eine Annahme, die ihrerseits des Beweises bedürfte. Gesichert ist nur, dass es keine ältere Quelle gibt, welche erhalten wäre. Das ließe sich zwanglos damit erklären, dass der Vorgang so selbstverständlich war, dass er nicht zwingend der Erwähnung bedurfte.

Davon abgesehen frage ich mich, warum Melanchthon den Thesenanschlag erfunden haben sollte. Welches Motiv könnte er dafür gehabt haben? Und wenn ein solcher Thesenanschlag, wie du meinst, aus förmlichen Gründen unrealistisch war (ein Argument, das ich bislang nicht kannte), stellt sich die weitere Frage, ob Melanchthon, seines Zeichens selbst Professor, das nicht wusste, oder ob er nur gehofft hat, außer ihm wüsste es niemand, so dass niemand den Schwindel bemerken würde.

Das stärkste Argument gegen den Thesenanschlag ist für mich, dass gerade Luther kein schriftliches Zeugnis dafür hinterlassen hat, obwohl gerade er so gern und viel geschrieben hat und zwar auch über Kleinigkeiten, die man zum Teil gar nicht so genau wissen wollte (über seinen Stuhlgang zum Beispiel).

Ich bin natürlich nicht der Meinung, dass Luther die Thesen höchstselbst angeschlagen hat. Das wird ein Pedell für ihn besorgt haben.

Letztlich ist das alles historisch irrelevant. Aber spannend! Schade, dass wohl niemals ein eindeutiger Beweis geführt werden kann.