Hallo,
schon mehrfach habe ich hier aufgeworfen, daß wir uns in jeder Hinsicht im Wettbewerb mit willigen Konkurrenten zu tun haben. Ob es nun die Steuern betrifft, die Arbeitszeiten/-kosten oder -flexibilität, die Verwaltung usw. usw.
Überall gibt es Konkurrenz und in Deutschland wie auch hier im Forum ist der größte Teil der Bevölkerung anscheinend der Ansicht, daß wir uns diesem Wettbewerb am besten dadurch stellen, indem wir dafür sorgen, daß die anderen auf unser Niveau kommen, anstatt wir dafür sorgen, daß wir konkurrenzfähiger werden. Schließlich könnte das ja dazu führen, daß wir von dem Erreichten irgendetwas abgeben müßten.
Wie auch immer: Innerhalb Deutschlands ist der Wettbewerb zwischen den Bundesländern eingeschränkt, weil man in Dingen, die eigentlich Sache des einzelnen Bundeslandes wären, gemeinsame, länderübergreifende Kommissionen eingesetzt hat, so z.B. im Bildungsbereich die Kultusminsisterkonferenz. Anstatt daß jedes Land zusieht, daß es für seinen Nachwuchs eine optimale Bildung bereitstellt, einigt man sich in der KMK wieder auf den kleinesten gemeinsamen Nenner.
Im Bereich der Städte hingegen ist der Wettbewerb voll im Gange. Man übertrumpft sich mit neuen Gewerbegebieten mit perfekter Infrastruktur, wirbt im Ausland für Zuwanderung im gewerblichen Sektor und stellt die Vorzüge der eigenen Stadt auf allen möglichen Messen und Konferenzen zur Schau. Trümpfe sind meist Subventionen, Infrastrukturmaßnahmen und die Gewerbesteuersätze.
Letztere kann nämlich jede Gemeinde über den sog. Hebesatz selbst bestimmen (der Gewerbesteuersatz liegt bei 4,55%, der Hebesatz stellt den Multiplikator dar, also 200% 9,1 %). Eine Übersicht (leider nur für 2000/2001) gibt es z.B. hier:
www.anwaltverein.de/03/02/hebesatz.rtf
Jede Stadt legt den Hebesatz nach gewissen Überlegungen fest. Ist man sich sicher, daß man so toll ist, daß bei einem höheren Hebesatz keine Unternehmen abwandern, dann erhöht man halt. Will man der Nachbarstadt Gewerbe abgraben, dann reduziert man sie usw. Wenn man der Ansicht ist, daß es besser, ist keine Steuereinnahmen aus der Gewerbesteuer, die i.W. in die Gemeindekassen fließt, zu erzielen, aber dafür Arbeitsplätze zu schaffen und darüber dann letzten Endes mehr über Einkommenssteuer und Mehrwertsteuer usw. zu erzielen, dann reduziert man sie und zwar auf…0%
So macht das bspw. Norderfriedrichskoog in Schleswig-Holtstein und zwar seit Menschengedenken. Grund- und Gewerbesteuer fallen dort grundsätzlich nicht an (dafür eine monatliche Verwaltungsgebühr von € 1.500), wobei das nur gilt, wenn man effektiv seinen Sitz mit Produktion und/oder Verwaltung hat; ein Briefkasten reicht also nicht. Inzwischen haben sich dort Gesellschaften aus dem E.On-, RWE-, Unilever- und Deutsche Bank-Konzern angesiedelt, um nur ein paar große zu nennen. Ansonsten tummeln sich dort Bauträger, Vermögensverwalter, Architekten usw.
Tja, so war es und alle Beteiligten waren zufrieden ausgenommen natürlich die Städte, an denen diese Unternehmen vorher ihren Sitz hatten und die früher dicke Gewerbesteuereinnahmen hatten, die nach der Umsiedlung weggefallen sind. Einer ist halt immer der Loser, könnte man meinen.
Nun lese ich gestern einen witzigen Abschnitt in einer Ausarbeitung einer von uns beauftragten Anwaltskanzlei zum Thema Steueränderungen 2003/2004. Kurzfassung: Zukünftig muß jede Stadt einen Hebesatz von mindestens 200% erheben, entsprechend also einem Steuersatz von 9,1% (neuer § 16 Abs. 4 Satz 2 Gewerbesteuergesetz).
Hier nachzulesen:
http://www.bundesfinanzministerium.de/Anlage22004/Bu…
Seite 2923, oben links.
So geht dann wieder ein Stück Wettbewerb verloren. Mal ganz abgesehen davon, daß hier der Bund schlicht und ergreifend in Länder- und Gemeindeangelegenheiten eingreift, denn die Freiheit, den Hebesatz nach Gutdünken festzulegen, ergibt sich aus der Schleswig-Holtsteinischen Gemeindeordnung, erleben wir wieder einen tragischen Fall von Gedächtnisverlust bei einem Minister:
„Auch Bundesfinanzminister Hans Eichel sieht keinen Grund zum Eingreifen: Norderfriedrichskoog sei ein ungewöhnlicher Einzelfall, der bundesgesetzliche Maßnahmen nicht rechtfertigt -auch wenn dem Fiskus in der Steueroase Norderfriedrichskoog mehrere hundert Millionen Euro verloren gehen.“
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/28/0,1872,2018396,00…
Gruß,
Christian