Hallo Zusammen!
Situation: Selbstständiger kämpft seit Jahren um das Überleben seiner Firma. Etliche Freunde helfen ihm u. a. mit Geld und Naturalien zum Lebensunterhalt. Daher erscheinen in der buchhaltung nur sehr wenige Privatentnahmen zum Lebensunterhalt. Bei einer Steuerprüfung unterstellt der Finanzbeamte Schwarzeinnahmen um den Lebensunterhalt zu sichern. Er ist der Meinung, man brauche 600 € / Monat. Diese Summe hochgerechnet auf drei Jahre soll nun nachversteuert werden.
Frage: Sind die 600€ eine willkürliche Zahl oder ist sie gerechtfertigt? Müsste nicht eher der Betrag für Grundsicherung vom Sozialamt greifen, wenn geschätzt wird? Wie ist es mit der Hilfe aus dem Freundeskreis, müsste dafür nicht auch wenigstens ein Pauschalbetrag abgezogen werden?
kico-ga
Servus,
Er ist der Meinung, man brauche 600 € / Monat.
Das ist ein plausibler Wert. Bei einer Zuschätzung von Einnahmen ist der Prüfer nicht an die Beträge gebunden, die in irgendwelchen anderen Zusammenhängen als Existenzminimum angesehen werden. Im Vergleich zu den 1.000 DM, die während der ganzen 1990er Jahre üblich waren, übrigens ziemlich niedrig angesetzt.
Wie ist es mit der Hilfe aus dem Freundeskreis, müsste dafür nicht
auch wenigstens ein Pauschalbetrag abgezogen werden?
Nein, diese sollte bei der Schätzung nicht pauschal berücksichtigt werden, sondern möglichst konkret auf der Grundlage aller Tatsachen, Indizien und Beweismittel, die dem Prüfer bekannt sind. Es ist Sache des Steuerpflichtigen, die Tatsache und die Höhe der erhaltenen Beträge plausibel darzulegen und glaubhaft zu machen. Sinnvollerweise tut er das bereits vor oder zur Schlussbesprechung oder spätestens, wenn ihm der Entwurf des Berichtes zur Stellungnahme vorliegt. Im Rahmen eines Einspruchsverfahrens oder später vor dem Finanzgericht werden nämlich wesentlich härtere Kriterien angelegt, was die Glaubhaftmachung betrifft.
Auch wenn es offenbar lückenhafte oder widersprüchliche Aufzeichnungen gibt, die Anlass zu der Zuschätzung geben, ist der Prüfer gehalten, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen zu prüfen. Bloß: Das Wörtlein zugunsten in § 199 Abs 1 AO wird gerne mal überlesen. Das ändert aber nichts daran, dass es da steht.
Schöne Grüße
Dä Blumepeder
Hallo,
schönen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort. Ich glaube, ich sollte die Summe, die hier zur Debatte steht, noch etwas konkretisieren. Es geht um den Betrag, der nur für den reinen Lebensunterhalt (Ernährung) angerechnet werden kann. Alles andere wie Wohnung Telefon, GEZ, Versicherungen, Kfz-Bedarf, Kleidung u.ä. ist in der Buchhaltung festgehalten. Urlaub kam wegen der Finanzlage nicht in Frage, Freizeitgestaltung hat wegen der Arbeitszeiten mit Kunden (18 - 24 Uhr) und einer depressiven Erkrankung mit starken Rückzugstendenzen kaum stattgefunden. Für das "reine Überleben " scheinen 600 € doch recht überzogen.
Gibt es irgendeine Quelle, wo solche Werte festgeschrieben sind, oder liegen die einzig und allein im Ermessensbereich des Finanzbeamten?
Gruß kico-ga
Servus,
eine solche Schätzung der zum Lebensunterhalt benötigten Mittel steht sicherlich nicht im Ermessen des einzelnen Prüfers. Ob die dabei verwendeten Richtwerte öffentlich zugänglich sind (z.B. in der Betriebsprüfungskartei der OFDn in NRW), weiß ich nicht.
Darum geht es im gegebenen Fall aber auch nicht.
Es geht um zwei Schritte:
(1) Prüfung, ob eine Zuschätzung überhaupt angezeigt ist: Der Prüfer sollte schon ein bissel konkreter sagen, warum er die vorliegenden Kassenberichte verwerfen möchte, bzw. auf welchem Weg die von ihm zugeschätzten Einnahmen dem Steuerpflichtigen denn zugeflossen sein sollen.
(2) Falls eine Zuschätzung gerechtfertigt ist: Möglichst konkrete Darstellung aller Einzelheiten. Diese haben in jedem Fall Vorrang vor irgendwelchen Richtwerten des Prüfers - die konkrete Darstellung der Einzelheiten ist die Chance des Steuerpflichtigen, jetzt in der Prüfung die Höhe der Zuschätzung zu beeinflussen. Nachher, im Einspruchsverfahren oder vor dem FG, wird das wie gesagt sehr viel schwieriger.
Auf welchem Weg ist die Unterstützung durch Freunde erfolgt? Gab es dabei Eingänge von Überweisungen? Wie sah das wöchentliche Budget für Lebensmittel und täglichen Bedarf etwa aus? Welche Anschaffungen von Kleidung usw. gab es in der fraglichen Zeit? Selbstverständlich gehören alle Einzelheiten, wie hier im Forum vorgetragen, auch dazu - z.B. der Hinweis „keine Urlaubsreisen wegen Erkrankung“ usw.
Falls der Gewinn per Überschussrechnung ermittelt wurde, ist es gut möglich, dass sich der Prüfer um die aufgezeichneten Privatentnahmen für Wohnung, Telefon, Kfz usw. überhaupt nicht gekümmert hat. Auch diese Beträge sollten konkret zusammengestellt werden, und auch mit dem Hinweis, dass sie bereits in den vorliegenden Aufzeichnungen berücksichtigt sind und nicht Gegenstand einer Zuschätzung sein können (falls in den Aufzeichnungen keine unerklärlichen „Privateinlagen“ gebucht sind).
Schöne Grüße
Dä Blumepeder