Nachwirkungen der Nazi-Verbrechen bei den Nachkom-

Hallo! Ich bin Valeria, eine studentin aus Italien…meine Muttersprache ist nicht Deutsch, ich entschuldige fur meine fehler…
Ich habe das Buch „Der Vorleser“ (Bernhard Schlink) gelesen. Ein wirklich mehr als interessantes Buch, uber das ich gerade erst angefangen habe nachzudenken. In Berhard Schlinks Roman wird Schuld und die damit verbundene Probleme in vielgestaltiger Weise vom Ich Erzahler Michael Berg zur Sprache Gebracht. Als studentin bin ich besonder interessiert auf die Nachwirkungen der Nazi-Verbrechen bei den Nachkommen von nazi-Tatern (Hier spricht man oft von „moralische und metaphysische Schuld“, Karl Jasper.) Wenn sie Kommentar oder personliche Erfahrungen uber dieses Thema erzahlen mochten, bitte schreiben sie mir, die Schuldfrage die uber die NS-Vergangenheit verbunden ist ist nahmlich das Kernthema meine Studie. Wenn sie lieber Privat berichten wollen hier ist meine e-mail Adresse [email protected]
Vielen Dank und Grusse aus Modena
Vally

Hallo, allgemein so empfinde ich, haben die Deutschen ihr Nationalbewusstsein aufgegeben. Kaum einer singt die Nationalhymne mit, selbst wenn Siege im Sport erzielt werden. Der Deutsche ist entweder der berechtigte und devote Kriegsverlierer, haupsächlich wegen der Verbrechen im Krieg und mit dem Krieg, oder er will Rache. Weil er weiß wie gefährlich das ist, bleibt er lieber ewig der Verlierer und bezahlt Reparationsleistungen an die Welt. Offensichtlich haben die Deutschen verstanden. Gruß Stephan

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Vielen Dank fur deine Antwort Stephan!

Weitere Kommentare sind Willkommen…
MfG
Vally

Hallo Valeria,

eines der grundlegensten Projekte waren die Reportagen der Leberts (Vater und Sohn):

http://www.amazon.de/gp/product/3442151880

Darin werden die Kinder prominenter Nazis im Abstand von 40 Jahren befragt. Die Spannbreite reicht vom überzeugten Nazi bis zum Sohn Bormanns, der Priester wurde, um die Schuld seines Vaters abzuarbeiten.

Viele Grüße,
Andreas

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Hallo Andreas…vielen Dank!
Tschus!!!

Hallo Valeria,

die Schwierigkeit geht schon bei der Definition los, wer Nazi war - wie weit oder eng der Begriff gefaßt wird?

Vor ca zwei Jahren hat der Sozialpsychologe Harald Welzer seine Studie „Opa war kein Nazi“ als Taschenbuch veröffentlicht. Er hat in den 1990iger Jahren drei Generationen in Familien nicht-jüdischer Deutscher befragt. Die Enkel waren Anfang bis Mitte 20 Jahre alt, die Eltern und Großeltern entsprechend älter.

Er hat untersucht, was in den Familien über den Nationalsozialismus weitergegeben wird, was verschwiegen wird und wie das die Familienerinnerung prägt. Sehr interessant zu lesen und gleichzeitig ziemlich deprimierend.

Denn erkommt zum Schluß: Offizielle Erinnerung und Familienerinnerungen sind etwas völlig unterschiedliches.

http://www.amazon.de/gp/product/3596155150/303-10033…

Viele Grüße

Iris

Hallo Iris,

dank fur Ihre Hilfe,
mit vielen Grussen

Vally.

Hallo Vally

Als studentin bin ich besonder interessiert
auf die Nachwirkungen der Nazi-Verbrechen bei den Nachkommen
von nazi-Tatern (Hier spricht man oft von „moralische und
metaphysische Schuld“, Karl Jasper.)

Ich glaube, hier muss man unterscheiden, was sich Intellektuelle so zusammendenken, und wie dieses Theoretisieren auch in der öffentlichen Diskussion zwischen Intellektuellen weiterbetrieben wird, und…der Realtität.

Die Realität dürfte sein, dass sich zum Einen sehr wenige Menschen überhaupt als Nachkommen von „Tätern“ verstehen und dass dieser Begriff, bereits eine entscheidende Ungenauigkeit beinhaltet. Jemand, der entweder nichts von den „Taten“ seiner Vorfahren weiß oder wissen will, jemand der diese Taten nicht weiter dramatisch findet oder gar gutheißt, wird sich nie im Leben als Nachkomme von „Nazi-Tätern“ finden. Das heißt, durch den Begriff schaffst du bereits eine entweder reduzierte Personengruppe, oder eine Personengruppe, die von Außen bestimmt, wer Nachkomme eines Nazi-Täters ist oder nicht, was dann aber nicht unbedingt mit dem Selbstverständnis dieser Person zusammenhängen muss.

Also nimmst du allein durch die Bezeichnung bereits ein Ergebnis vorweg, nämlich dass du entweder nur Leute mit eh irgendwie gearteten „Schuldgefühlen“ diesbezüglich erfasst, oder dass du nur Leute erfasst, die vielleicht von außen betrachtet, aber nicht von ihrem Selbstverständnis her, Nachkommen von „Nazi-Tätern“ sind.

Für die öffentliche Diskussion bietet sich diese „Schuld“-Thematik natürlich gut an. Wenn so etwas furchtbares passiert, dann will der Mensch natürlich, dass sich jemand dafür „schuldig“ fühlt, um sein moralisches Grundverständnis nicht zu erschüttern. Tatsächlich halte ich jedoch den Anteil der Nachkommen, die überhaupt unter irgend welchen Nachwirkungen leiden (oder auch nicht leiden) weil ihre Vorfahren „Nazi-Täter“ waren für genau so verschwindend gering wie den Anteil der Personen, die ständid reklamieren, sie wollen sich nicht mehr schuldig fühlen. Insbesonder bei erster Gruppe (den sich schuldig fühlenden) hab ich selten jemanden getroffen, dessen Vorfahren tatsächlich aktiv an Verbrechen der Nazizeit beteiligt war (die z.B. über die allgemeine Beteiligung am Krieg in der Wehrmacht hinausgehen würden). Dieses Phänomen des „schuldig fühlens“ scheint also weniger mit dem zutun zu haben, was die eigenen Vorfahren tatsächlich angestellt haben, sondern scheint eher in der sich schuldig fühlenden Person selbst begründet zu sein.

Gesamtgesellschaftlich sieht das hingegen schon etwas anders aus. Ich denke, dass große Teile der Deutschen Politik und des deutschen Selbstverständnises auf Nachwirkungen der NS-Zeit beruhren (was unter anderem auch ein Ergebnis der oben genannten öffentlichen intellektuellen Diskussion ist, aber eben nicht das Ergebnis einer persönlichen Auseinandersetzung mit dieser Thematik).

Auch wird in dem von dir genannten Buch (der Vorleser) die Problematik der Auswirkung auf die Nachkommen von Nazi-Tätern meiner Meinung nach gar nicht berührt sondern eher die Frage nach den vielfältigen Facetten, die zeigen, dass Täter eben nicht nur Täter waren, sondern abgesehen davon, häufig ganz „normale“ Menschen.

Falls dir der Zugang zu dieser Thematik aufgrund der Tatsache, dass du Italienerin bist, etwas schwierig erscheint, kannst du dich umgekehrt auch fragen, was gibt es in Italien bei Nachkommen von „Tätern“ (sei es nun von Mördern, Faschisten etc.) für Nachwirkungen? Eben.

Gruß
Marion

Moin Iris,

ich kenne dieses Buch und muss sagen, selten so eine schlecht durchgeführte Studie gelesen. Ich halte die Aussagekraft dieses Buches zum Thema für Null, wenn nicht sogar irreführend.

Mein Hauptkritikpunkt ist, dass dem Autor offenbar gar nicht die Idee kommt, dass das, was ein Mensch tatsächlich über einen ihn nahestehenden Menschen weiß oder denkt, nicht unbedingt mit dem übereinstimmen muss, was ein Mensch dann wiederum einem Dritten erzählt.

Dass der Autor in keinster Weise berücksichtigt, dass die meisten Menschen automatisch ihre Familienangehörigen gegenüber Dritten schützen, obwohl sie es selbst besser wissen, und dass dieses „Preisgeben“ für viele erstmal eine großer Akt der Überwindung ist, macht diese Studie in meinem Augen völlig wertlos.

Gruß
Marion

Ich glaube, hier muss man unterscheiden, was sich
Intellektuelle so zusammendenken, und wie dieses
Theoretisieren auch in der öffentlichen Diskussion zwischen
Intellektuellen weiterbetrieben wird, und…der Realtität.

Also…ja…naturlich werde ich mit verschedene Aspekte „Kampfen“ un eine ausgewogene Ansicht der Frage zu bieten…

Also nimmst du allein durch die Bezeichnung bereits ein
Ergebnis vorweg, nämlich dass du entweder nur Leute mit eh
irgendwie gearteten „Schuldgefühlen“ diesbezüglich erfasst,
oder dass du nur Leute erfasst, die vielleicht von außen
betrachtet, aber nicht von ihrem Selbstverständnis her,
Nachkommen von „Nazi-Tätern“ sind.

Leute die sie sich schuldig fuhlen und Leute die von aussen als schuldig betrachten werden. Die Leute die sie schuldig fuhlen folgen ein innerer Prozess der mit Moralitat un Bewusstsein stark verbunden ist…Bei zweiter Gruppe erkennt man nicht „Schuldig zu sein“ als Schuldidentitaten konnen kulturell und sozial hochst divergieren. (z.B.die divergierenden Schuld-Fallen zu Kennen ist sehr wichtig im diplomatischen Dienst)
Kann Schuld als ein Konstrikt beschreiben werden? Also eine Vereinbarung auf Inhalt, Raum, Zeit von Menschen Institutionen…?
z.B. ist es moglich zu denken dass Hanna (die NS-Verbrecherin von Schlink)kann nicht die Konsequenzen ihrer Taten richtig einordnen: die fehlende Fahigkeit liegt vielleicht in ihrem Analphabetismus?
Sie ist von dem Richter als schuldig betrachtet aber sie Fuhlt sich nicht schuldig…
Hilfe!!! Die Diskussion wird zu kompliziert…

VIELEN DANK Marion.

Vally

hallo,

das entscheidende ist glaube ich tatsaechlich (wurde schon gesagt), dass sich wohl wirklich so gut wie niemant als nachfahre von nazi-taetern sieht, demzufolge auch fast niemand eine dementsprechende schuld empfindet.

denn: wie viele leute sind denn allgemein als nazi-taeter bakannt? ausser den „hauptakteuren“ des regimes kennt der nicht-experte doch niemanden beim namen. die taeter sind also eine namenlose gruppe von leuten aus der vergangenheit, mit denen sich ja niemand freiwillig identifiziert. ich muesste also praktisch von meinen vorfahren direkt erzaehlt bekommen, dass sie „nazi-taeter“ waren. wie oft ist sowas wohl der fall? ich weiss nicht wie viel in deutschen familien ueber das thema geredet wird, es erscheint mir aber eher nicht der fall zu sein. ich weiss zum beispiel, dass mein grossvater vaeterlicherseits und mein urgrossvater muetterlicherseits und dessen brueder alle irgendwie im krieg waren (z.t. auch gefallen sind) alles weitere ist mir aber voellig unbekannt, was also z. b. ihre politische ueberzeugung war usw. und so oder so aehnlich ist das so viel ich weiss bei der grossen mehrheit der juengeren deutschen heute.

ich habe vor einiger zeit einmal gelesen (weiss leider nicht mehr wo), dass untersuchungen ergeben haben, dass junge deusche sehr stark dazu neigen, positive meinungen von ihren vorfahren zu haben im bezug auf die ganze nazi geschichte. d. h. jeder kleinen anekdote oder erinnerung der vorfahren, die jene in gutem licht erscheinen laesst, oder eher als opfer denn als taeter darstellt (z. b. die behandlung der grossvaeter in der kriegsgefangenschaft etc.) wird sehr grosse bedeutung zugeteilt und man baut sich sein eigenes bild des entsprechenden vorfahren um diese positiven geschichten herum auf. oft werden diese geschichten auch erzaehlt, wenn sich juengere deutsche ueber die vorfahren und deren zeit unterhalten.

diesen letzten punkt kann ich auch eindeutig aus eigener erfahrung bestaetigen. ich persoenlich habe noch von keinem freund/bekannten/klassenkameraden etc. jemals negative, also unter umstaenden nazi-taeter-hafte, berichte ueber deren vorfahren gehoert.

ich glaube also tatsaechlich, dass es dieses schuldphaenomen so gut wie gar nicht gibt.

Hallo Valeria,

das wichtigste Buch zu deinem Thema wurde von Dan Bar-On geschrieben:

Es heißt „Die Last des Schweigens. Gespräche mit Kindern von Nazi-Tätern“ ISBN: 389684038X Buch anschauen.

Gruß

Hallo

Hallo, allgemein so empfinde ich, haben die Deutschen ihr
Nationalbewusstsein aufgegeben.

kann ich nicht so empfinden.

Kaum einer singt die
Nationalhymne mit, selbst wenn Siege im Sport erzielt werden.

Wenn ein Sportler gewonnen hat, hat er gewonnwn, nicht Deutschland.
Mir ist eh schleierhaft, warum dann immer die Hymne gespielt wird.

Der Deutsche ist entweder der berechtigte und devote
Kriegsverlierer, haupsächlich wegen der Verbrechen im Krieg
und mit dem Krieg, oder er will Rache.

In welchen Kreisen verkehrst Du?
Weder bin ich Devot, noch will ich Rache.Mir sind in meinem Freundes- und Bekanntenkresi auch keine Bekannt, die so empfinden.
Revisionisten mags geben, genauso wie Duckmäuser, aber es sind nicht die Deutschen - zum Glück!

Weil er weiß wie
gefährlich das ist, bleibt er lieber ewig der Verlierer

Was ist gefährlich, bzw. wer gefährdet uns?

und
bezahlt Reparationsleistungen an die Welt.

http://www.zeit.de/2003/49/Stimmts_Versailles

Offensichtlich
haben die Deutschen verstanden.

Was?!

Gandalf

Was ist das: metaphysische Schuld?
Karl Jaspers wirft eine solche Schuld den Deutschen vor, die z.B. 1938 nichts gegen den Nazi-Terror gegenüber den Juden unternommen haben. Wer das Unrecht geschehen ließ und nichts dagegen unternahm, weil er „verzweifelt“ erkannte, dass er dagegen nichts unternehmen konnte, der sei „metaphysisch“ schuldig. Jaspers: „Wenn es geschieht, und wenn ich dabei war“, so schreibt er (in „Die Schuldfrage“), „und wenn ich überlebe, wo der andere getötet wird, so ist in mir eine Stimme, durch die ich weiß: dass ich noch lebe, ist meine Schuld.” Es komme vor allem darauf an, dass man zugesehen hat und nichts gemacht hat. Das mache die metaphysische Schuld aus (!).
Diese Auffassung ist m.E. abwegig und eines Philosophen nicht würdig. Schon der Begriff „metaphysische Schuld“ erscheint mir in diesem Zusammenhang problematisch. Er kann nur bedeuten, dass man vor Gott schuldig geworden ist. Moralisch schuldig wird man gegenüber einem Menschen oder – falls die Unmoral in Strafgesetze gefasst ist – gegenüber dem Staat. Metaphysische Schuld jedoch kann nur – wie der Begriff sagt – gegenüber einer Instanz relevant sein, die jenseitig ist, die sich hinter der physikalischen Welt der Dinge befindet, also „meta-physis“ existiert. Das kann nur Gott sein.
Dass Gott einem Menschen, der verzweifelt schweres Verbrechen geschehen ließ, weil er nicht eingreifen konnte, dies als Schuld anrechnet, ist reine Spekulation, ja es ist mehr als das, es ist eine Anmaßung. Denn der Betreffende, der so redet (Jaspers), maßt sich an, Gottes Willen zu kennen. Dabei weiß jeder, dass die höhere Vernunft Gottes für den Menschen nicht zu durchschauen ist!
Die oft zu lesende Erklärung des Jasperschen Begriffs „Metaphysische Schuld“ („Die metaphysische Schuld resultiert aus der Mitverantwortung für alles Unrecht und alle Ungerechtigkeit in der Welt [Wenn ich nicht tue, was ich kann, um es zu verhindern, so bin ich mitschuldig]; siehe Wikipedia: die 4 Arten der Schuld), ist eine unzutreffende Darstellung. Das wäre nämlich ein Beispiel für moralische Schuld. Jaspers aber meint – wie schon gesagt – ein „verzweifeltes“ Verhalten angesichts der Unmöglichkeit, etwas gegen das Unrecht tun zu können. Dass man trotzdem weiterlebe, darin liege die metaphysische Schuld (das so etwas von einem renommierten Philosophen gesagt wurde – ich kann es nicht fassen!)