Hallo Turmfalk,
Außer in der letzten Phase des Zusammenbruchs, wo die Front nah,
die allierten Jagdbomber allgegenwärtig und die Felder der
Ukraine unerreichbar waren, musste kein Deutscher verhungern.
Konnten Menschen in Zeiten der Lebensmittelkarten, z.B. in
Deutschland im Zweiten Weltkrieg, LEGAL übergewichtig bleiben?
Klar … der Schlüssel dazu war die Selbstversorgung. Ein Gemüse-
garten und einige Stallhasen in der Stadt wurden geduldet, ja
gefördet. Knapp waren nur Kunstdünger, Herbizide, Saatgut usw…
Das konnte man aber über Mehrarbeit/Tauschhandel kompensieren.
Auf dem Land war jedem klar, dass man mit mehr Druck nicht mehr
Lebensmittel einsammeln konnte und vermied jede ‚gewaltsame‘
Requirierung der Nahrungsmittel - schon weil sich das sehr
schnell zu den Bauernsöhnen an der Front rumgesprochen hätte.
Vor Praktiken wie einem Extraschwein, heimlich entrahmter Milch,
‚vorlorengegangener‘ Getreidesäcke wurden in meinem Heimatdort
die Augen geschlossen.
Mein Urgroßvater (Jahrgang 1880) lebte im Würthenberg und besass
2 Weinberge … der war auch in der Zeit nach dem Krieg jeden Tag
blau und garantiert nicht schlank.
Der private, markenlose Einkauf von Nahrungsmitteln war doch
meines Wissens (weitgehend oder vollstänig?) verboten.
Blödsinn. Jeder Selbstversorger konnte seine Überproduktion frei
verkaufen. Er musste nur notfalls nachweisen woher die Waren
stammten und die Preise mussten ‚angemessen‘ sein.
Wenn ein Bauer 30 Zentner Weizen abliefern musste und 37 erntete,
so konnte er von den übrigen 7 Zentnern verkaufen was er wollte.
Wenn jemand im Schrebergarten 30 Stangen Lauch erntete, durfte
er auch diese verkaufen - wobei einlagern oder eintauschen
geschickter war als Verkauf gegen papiergeld.
Ausserdem betrafen die Karten nicht alle Nahrungsmittel.
Auch das Horten von Nahrung war strafbar.
Das bezieht sich doch auf Handel, Großbauern und Industrie und
nicht auf Kleingärtner und normale Bauern.
Die Kalorienmengen der Markenzuteilungen sollen zumindest ab
Mitte der Krieges ziemlich niedrig, gegen Ende dann sogar
tödlich niedig gewesen sein.
Sie waren während des ganzen Krieges ausreichend bemessen und für Schwangere und Scherarbeiter gab es Zusatzkarten. Zwar wurden sie
imer weiter reduziert, da aber die Ernte 1944 noch in relativ
großen Teilen Osteuropas eingebracht und weggeschafft werden konnte,
war die Grundversorgung sichergestellt.
Problematisch wurden vorallem zwei Dinge: Durch die kriegsbedingten
Zerstörungen am Eisenbahnnetz gab es Lieferengpässe und die zugrunde-
liegenden Kalorienzahlen der Nahrungsmittel basierten auf Vorkriegs-
messungen während die tatsächlich ausgegebenen Lebensmittel zum Teil
deutlich minderwertiger waren. Beispielsweise niedrigere Fettwerte
in der Milch oder hoher Wasseranteil in Brot und Kochkäse …
Wenn diese Vermutungen richtig sind, wäre doch zu dieser Zeit
Korruption und Amtsmissbrauch, …, wortwörtlich „offensichtlich“
gewesen.
Die Annahme, dass Korruption automatisch zu Übergewicht führt,
halte ich für äußerst diskussionswürdig. Dann müssten in Afrka
extrem viele Übergewichtige leben und in den USA relativ wenige.
Viele Grüsse
Jake