Hallo Jürgen,
dazu tragen die Unternehmensberatungen selber bei. Sie beraten
in Branchen, in denen keiner der Berater jemals gearbeitet
hat.
Wenn das so ist, dann frage ich mich, von wem und aus welchen
Gründen diese Unternehmensberatungen beauftragt wurden. Es ist
ja nun nicht so, dass Unternehmensberatungen von alleine in
ein Unternehmen kommen. Wer als Manager aber zu blöd ist, nach
Referenzen zu fragen…
das ist ja gerade das schlimme: Die Referenzen stimmen. Die Konzepte werden ja schließlich an jeden vertickt, der nicht bei drei auf den Bäumen ist. Am Anfang lautet das Argument „sie sind der/bei den ersten mit dabei“ und später „alle anderen haben es schon“.
Aber egal: Über die Beauftragung entscheiden Führungskräfte, die bei einer Bank, einem Chemieunternehmen und einem Hersteller von Sandalen arbeiten könnten oder schon gearbeitet haben. Sie haben in der Regel keinen Plan von dem, was das Unternehmen so macht bzw. was die Mitarbeiter so machen.
Das Unternehmen reduziert sich auf das Organigramm und ein paar Prozeßablaufpläne und genau aus dem Grund sind diese Leute für die großen Beratungen empfänglich. Wenn in Unternehmen Menschen Entscheidungen treffen würden, die Ahnung von den Produkten, Mitarbeitern und Arbeitsabläufen hätten, würde wohl 90% der verkauften Software noch im Regal liegen.
Man kann ja nun wirklich jeden fragen, dem man begegnet: Die Software in jedem Unternehmen ist letztlich nicht oder nur schlecht zu bedienen. Im Hintergrund mag das Zeug jedes Reporting ausspucken, das man zu brauchen glaubt; für Mitarbeiter und Kunden ist sie regelmäßig eine Qual.
Wie kommts? Entscheidungen werden auf Basis von Präsentationen, Produktbeschreibungen und Preisen gekauft. Da der Entscheider keine Ahnung davon hat, was später mit dem Ding gemacht wird, verläßt er sich auf diese Sekundärinformationen und die Aussagen seiner betriebseigenen EDV-Fritzen. Der obligatorische Sitz im Gremium (gerne Lenkungsausschuß genannt, wobei mal die Frage ist, wer da wen oder was lenkt) für den betroffenen Unternehmensbereich wird regelmäßig von dessen Leiter übernommen, der natürlich auch keine Ahnung mehr davon hat, was seine Mitarbeiter auf der Arbeitsebene (schönes Wort, wie ich finde. Hab ich neulich irgendwo - an mich gerichtet - gelesen.) machen - und schon mal gleich gar nicht, was die sich für Funktionen oder Bedienelemente wünschen.
Bei der Entscheidung einer Beauftragung eines Unternehmensberaters ist das nicht anders. An dieser Stelle der Hinweis, daß Sven natürlich recht hat: Die kleine Beratungsbude ist auf Folgeaufträge angewiesen, die sie nur bekommt, wenn sie gut ist. Die große der Branche bekommen Aufträge, weil sie schon mal Aufträge bekommen haben.
Weißt Du, das interessante ist, dass das ein üblicher
Zwiespalt zwischen Unternehmensberatung (und Management) und
den Mitarbeitern des Kunden ist.
Zweitere behaupten wunderlicherweise fast immer, dass die
Konzepte der erfolgreichen Konkurrenz vielleicht ja gar nicht
so schlecht sind, aber hier, nein hier könnten sie auf keinen
Fall klappen. Wers glaubt…
Klar, da sind auch immer wieder Schutzbehauptungen zu hören. Dennoch liegt da ein tiefgreifendes Problem: Wenn der Berater nicht weiß, was ein bestimmter Vorgang bedeutet, wie er abläuft bzw. was dahinter steckt, kann da nur Murks bei rauskommen.
Ein Beispiel: Bekommt eine Bank einen Geschäftsbericht/WP-Bericht eines Unternehmens, weden die Zahlen EDV-mäßig aufbereitet. Einige Bilanzpositionen werden umsortiert, anders klassifiziert usw. Das ganze nennt sich Bilanzgliederung o.ä.
Derjenige, der am Ende die wirtschaftlichen Verhältnisse kommentiert und bewertet, liest sich die vom Kunden eingereichten Werke durch, denkt sich seinen Teil dabei und würde unter normalen Umständen auch die Bilanzgliederung machen. Das Studium eines normalen Berichtes dauert 1-2 Stunden, die Mehrarbeit für die Gliederung dürften ca. 30 Minuten sein.
Nun gibt es aber Banken, bei denen die Bilanzgliederung von separaten Abteilungen gemacht wird, d.h. von Leuten, die keine Ahnung von dem (oder irgendeinem) Unternehmen haben und nur die internen Gliederungsvorschriften einhalten.
Das führt dann zu erstaunlichsten und denkbar falschesten Ergebnissen (Beispiele sind auf Anfrage gern erhältlich), so daß der Analyst am Ende das Machwerk kontrolliert (was länger dauert als gleich selber machen), die Fehler kommentiert, Änderungswünsche formuliert, das Ding zurück an diese Abteilung zur Korrektur gibt und - bevor die Korrektur gemacht wird - mit ehemaligen Schreibkräften darüber diskutiert, daß Anteile anderer Gesellschafter was anderes ist als Konsolidierungsrücklagen (als Beispiel).
Völlig ineffizient, aber das kann man nur begreifen, wenn man es erlebt hat. Auf dem Papier wirkt natürlich die Zusammenlegung einer Tätigkeit in einer Abteilung, die natürlich dabei ein Riesen-know-how aufbaut, was dann Rationalisierungeffekte generiert usw., ausgesprochen sinnvoll.
Pauschalisierende Aussagen? Vielleicht, aber bisher hat mich
noch keiner durch praktische Arbeit vom Gegenteil überzeugen
können.
Ich entnehme auch Deinen Aussagen einen geradezu verblüffenden
(aber üblichen) Wunderglauben in die Fähigkeiten von
Beratern:wink:
Nein, daran glaube ich schon lange nicht mehr. Beratung funktioniert dann, wenn Leute mit der Lösung eines Problems beauftragt werden, das es in diesem Unternehmen noch nie gab, dafür aber schon öfter von anderen Unternehmen gelöst wurde. Beratung funktioniert auch dann, wenn der Auftraggeber auch von dritter Seite hört, daß die von Bereichsleiter XY vorgeschlagene Änderung der Vertriebsstruktur sinnvoll wäre, und dies auch noch umgesetzt wird. Beratung ist auch sinnvoll, wenn man merkt, daß es irgendwo hakt, aber nicht rausbekommt, wo das passiert, weil man das alles ja schon seit 35 Jahren so macht (Betriebsblindheit). Bzw. Beratung kann in den vorgenannten Fällen funktionieren.
In Großunternehmen läuft Beratung darauf hinaus, daß man feststellt, daß die Reorganisation von vor einem Jahr den gewünschten Erfolg nicht gebracht hat, und daß man irgendwie neu reorganisieren muß. Also kauft man den anderen großen Namen ein, läßt sich ein Konzept erstellen und läßt anschließend die Mitarbeiter wieder mal rochieren, neue Orgapläne aufstellen und neue Prozesse formulieren.
Vor einem knappen halben Jahr las ich baßerstaunt, daß ein Berater der Ansicht war, man müsse einem Konzept nach der Umsetzung ein paar Jahre Zeit geben. Insbesondere die Banken sollten mal zur Ruhe kommen, und Mitarbeiter und Kunden mal einfach ein bißchen in Ruhe arbeiten lassen. DAS war wirklich mal ein guter Rat.
Veränderung ist gut, aber man muß sich auch mal die Zeit nehmen, die Veränderung sich bewähren zu lassen. Daß Karstadt ein Problem hat, hat mich nur wenig überrascht. Ich kaufe da schon seit Jahren nur unter Protest ein, weil man nach drei Wochen Abwesenheit, meist nicht mal mehr die Schnürsenkel findet. Mal bei den Schuhen, mal bei den Garnen in der dritten Etage, mal aus dem Programm genommen. *aarks*
Berater geben dem Auftraggeber (das ist das Management und
nicht der Mitarbeiter vor Ort) einen Rat. Dass dieser Rat in
mindestens 80% der Fälle keine Folgen im Unternehmen
hinterlässt ist auf den ersten Blick verblüffend, aber in
meinen Augen normal und menschlich. Das ist bei privaten
Ratschlägen auch nicht anders.
Da sehe ich aber verschiedene Wirkungskreise. Bei der Nichtumsetzung von Beratungsergebnissen geht es meist um dämliche Machtspiele.
Verändern kann sich nur die Organisation selber. Und ich bin
lange genug interner wie externer Berater, um dies a) zu
wissen, b) meinem Kunden im vorhinein zu erklären, c) absolut
nicht überrascht zu sein, wenn mein Kunde beim ersten kleinen
Widerstand in seiner Organisation zusammenklappt und mich d)
dann als Schuldigen und Unfähigen rausschmeisst.
Gleiches Problem wie schon ganz oben erwähnt: Die Leute, die entscheiden, haben keinen Schimmer. Nur weil der Berater ein bißchen mehr Ahnung hat, kann er die Ahnungslosen noch nicht überzeugen. 
Berater-Risiko. Schon in der Antike wurde der Berater erst
ignoriert und dann umgebracht…
Kein schlechter Ansatz. Werde das morgen mal unters Volk streuen.
Gruß,
Christian