Guten Morgen liebes Forum,
ich beschäftige mich zur Zeit mit den Hornblower-Romanen von C.S. Forrester. Diese spielen zur Zeit der napoleonischen Kriege und beschreiben die Karrier des, fiktiven, englischen Marine-Offiziers Horatio Hornblower.
Hierin wird immer ein Ehrbegriff propagiert der mir, aus heutiger Sicht, so fremd zu sein scheint, dass ich ihn eher als literarische Freiheit des Autors als als gelebte Realität der damaligen Zeit ansehe.
So wird z.B. in einem Roman beschrieben, das der Protagonist, Horatio Hornblower, als Kriegsgefangener zusammen mit seiner Crew bei einer Rettungsaktion auf See wieder auf ein englisches Schiff gelangt und damit eigentlich frei gewesen wäre.
Da er aber vorher dem spanischen Befehlshaber des Gefangenenlagers sein Wort gegeben hat die Rettungsaktion nicht als Gelegenheit zur Flucht zu nutzen, kehren seine Leute und er freiwillig in die Gefangenschaft zurück.
In einem anderen Buch wird beschrieben, wie der zwischenzeitlich zum Admiral aufgestiegende Hornblower einem französischem Kapitän, trotz gegebenen Ehrenwortes anlügt, um so ein unnötiges Blutvergiesen zu vermeiden.
Der französische Kapitän wollte Napoleon Bonaparte aus seiner Gefangenschaft auf der Insel St. Helena befreien und so das französische Kaiserreich wieder auferstehen lassen.
Hornblower behauptete gegenüber dem Kapitän das Napoleon zwischenzeitlich verstorben sei und die Aktion somit sinnlos wäre.
Im Roman wird beschrieben, dass Hornblower aufgrund seiner Lüge seine Ehre verspielt und somit sein Kommando, seinen Rang und sein Ansehen verloren hätte.
Später stellte sich dann heraus, dass Napoleon tatsächlich zum Zeitpunkt der Lüge bereits Tod gewesen ist und Hornblower im weitesten Sinne somit nicht gelogen hat.
Zwar ist mir bekannt, dass es damals die Einrichtung der „Freilassung auf Ehrenwort“ gab, der hier beschriebene Ehrbegriff scheint mir jedoch unrealistisch weit zu gehen.
Offiziere die freiwillig in die Kriegsgefangenschaft zurückkehren würde man doch heutzutage eher als Feiglinge, Deserteure oder Verräter und niemals als ehrenvoll handelnd bezeichnen.
Befehlshaber die es schaffen durch eine Lüge den Feind ohne Blutvergiesen zum aufgeben zu bringen wären geniale Helden und würden dadurch nicht ihre Ehre, geschweige denn ihren Rang oder ihr Kommando verlieren.
War diese Form der Ehre damals ein moralisches Ideal, gelebte Realität oder eher die seltene Ausnahme / literarische Verklärung?
Ich bin gespannt auf Eure Antworten!
-) Charlie80