Den ersten Satz empfinde ich als deutlich schöner, weil mein Gegenüber sich öffnet und von den eigenen Gefüllen spricht.
Wenn jemand zu mir sagt: „Du bist …“, dann schieben sich da oft meine Selbstzweifel dazwischen. Ich blicke tief in mich selbst und denke mir: „Ja, aber oft bin ich nicht so, und wenn du das rausfindest, dann magst du mich vielleicht gar nicht mehr.“ Die Aussage „Du bist so … und darum …“ ist halt bedingt und damit ein wenig vergiftet.
Kurz gesagt: Ich würde mich deutlich mehr über den ersten Satz freuen. Ich weiß jetzt nicht, warauf du dich dem „Narzisst“ in der Überschrift beziehst, aber ich könnte mir vorstellen, dass das ein Narzisst anders sieht. Ein selbstverliebter Mensch hat möglicherwese weniger Zweifel und möchte, dass sich die Antwort um ihn dreht.
Ich würde auch eine Antwort mit einer Ich-Botschaft schöner und zudem auch weniger narzisstisch finden. Wenn mir jemand sagt, was in seinen Augen gut und schön an mir ist, kann ich das besser annehmen und freue mich, wenn jemand anderes ein positives Bild von mir hat.
Ein „du bist…“ würde ich vermutlich irgendwie als übergriffig empfinden. Weil ich das Gefühl hätte, dass mir ein Stempel aufgedrückt werden soll, der sich für mich vielleicht nicht richtig anfühlt.
Ich denke nicht, dass eine solche Frage notwendigerweise etwas in die Richtung bedeuten muss. Manchmal hat man vielleicht einfach einen schlechten Tag und kann sich selbst nicht leiden, dann finde ich es durchaus auch hilfreich, wenn jemand anderes mir wieder einen positiveren Blickwinkel auf mich selbst ermöglicht, indem er seine Perspektive mit mir teilt.