Narzisstische Persönlichkeitsstörung des Vaters

Liebe/-r Experte/-in,
mein Ex-Mann ist Narzisst. Ich möchte jetzt nicht in Einzelheiten gehen, nur so viel:
Er benutzt Gerichtsverhandlungen als Bühne um sich darzustellen, er lügt, dass sich die Balken biegen, er ist überhaupt nicht fähig, sich in die Probleme und Sorgen seiner Familie (die er verlassen hat!) einzufühlen, er ist neidisch auf seine Tochter usw. Ein Narzisst aus dem Lehrbuch. Meine Tochter ist immer völlig „verstrahlt“, wenn sie wieder nach Hause kommt. Da kommen dann so Aussagen von meiner Tochter wie: „Ich bin alles Schuld.“ „Ich lerne das sowieso nicht.“ „Ich bin zu blöd/nichts wert.“ usw., weil er sie wieder in die Mangel genommen hat.
Sie ist schon stärker geworden in den vergangenen 4 Jahren und lässt sich nicht mehr so viel von ihm gefallen; leidet aber sehr darunter, dass er so wenig empathisch ist, keine Rücksicht auf sie nimmt und sie anlügt.
Meine Frage:
Welche Strategien kann ich meiner 11-jährigen Tochter für die Besuchswochenenden an die Hand geben, damit sie Ihrem Vater mehr entgegenzusetzen hat?
Soll sie lieber „krawallig“ sein, wenn er wieder nur seinen Willen durchsetzt oder soll sie sich tendenziell vieles gefallen lassen, um ihn nicht zornig zu machen?
Ich habe es inzwischen geschafft, mich von ihm zu lösen. Mich kriegt er nicht klein, ich spiegel ihn zurück, ich bin distanziert, gebe ihm übertrieben Recht (z.B. „Danke gleichfalls“)und sehe den „Rosenkrieg“ sportlich. Ich leide aber immer sehr, wenn er meine Tochter seelisch grausam behandelt und möchte meiner Tochter gerne Tipps geben.
Vielen Dank für Ihren Rat
Ihre Viola B aus R

Hallo Viola,

sicher haben sie sich vertippt bei der Auswahl meiner Person.
Was Sie da ansprechen, überfordert mich als ehemaliger Pädagoge wohl etwas.
Ein gerüttet Maß an Selbstbewusstsein von einer 11-jährigen zu verlangen, ist eine Überforderung an so eine ‚junge Dame‘.
Ein hohes Maß an Selbstbewusstsein ist meiner Ansicht nach die einzige Waffe gegen so einen Vater. Ihm fehlt es ganz einfach an väterlicher Liebe und an Verständnis für sein Kind.
Mein Vorschlag wäre: Konsultieren sie das Jugendamt und holen Sie sich dort Unterstützung und professionellen Rat Unterstützung und Beistand.
Sicher gibt es dort auch kompetente Sozialarbeiter.
Seien Sie weiterhin eine verständnisvolle und liebevolle Mutter. Sprechen Sie viel mit Ihrer Tochter - verständnisvoll, einfühlsam und mit hoher Überzeugungskraft.
Hier geht es in erster Linie um Ihre Tochter, nur weniger um Sie selbst.
Bestärken Sie Ihre Tochter in ihrem Selbstbewusstsein, wo immer Sie können!
Ich wünsche Ihnen beiden eine weniger problembeladene Zukunft!
Mit den besten Grüßen
r.s.eichenkamp

BIN zur Zeit im Urlaub und kann leider keine Hilfestellungen zu komplexen und umfassenden Anfragen beantworten.

Ihr Ex-Mann ist offenbar nicht nur selbstverliebt sondern auch geltungssüchtig. Aber Ihnen geht es ja in erster Linie um das Wohl Ihrer Tochter. Ich denke mal, dass Sie Ihren Mann genug kennen, um ihn in einem Rollenspiel mit Ihrer Tochter darzustellen. Ich gebe Ihnen hier die Empfehlung, mit Ihrer Tochter den Umgang mit dem Vater zu trainieren. Dabei kommt es nicht darauf an, ihr die zu einer Diskussion nötigen Argumente beizubringen, denn das würde sie wahrscheinlich überfordern und darüber hinaus hat es auch keinen Sinn mit jemandem zu diskutieren, der sich auf seine Gesprächspartnerin in keiner Weise einläßt.

Nutzen Sie vielmehr die Tatsache, dass er unreif und unvernünftig ist. Das macht man am besten mit Fragen, die er auf Dauer nicht mehr beantworten kann. Notfalls sogar mit ein wenig Scheinheiligeit: „Ich gebe ja zu, dass mir das nicht gelungen ist, aber dann sage mir doch, wie das geht!“ Erfinden Sie notfalls Probleme, die er lösen muss. Machen Sie ihn zu einem scheiternden Genie. Ihre Tochter muss sich angewöhnen, möglichst auf alle seine Bemerkungen mit einer Frage zu reagieren.
Meine Hoffnung dabei ist, dass Ihre Tochter Ihrem Exmann so auf die Nerven geht, dass ihm sein narzisstisch übersteigertes Selbstwertgefühl abhanden kommt und die Besuche Ihrer Tochter für seinen beschädigten Charakter zu einer immer größeren Last werden. Menschen wie er leben davon, dass sie ihr eigenes Fehlverhalten als Erfolg erleben und somit beibehalten. Dieses Erfolgserlebnis dürfen Sie ihm nicht mehr gönnen. Steigern Sie seine Qualen ruhig dadurch, dass Sie an diesem Psychokrieg teilnehmen, indem auch Sie ihn mit dutzenden von Fragen bombardieren, die er nicht beantworten kann. Bleiben Sie dabei aber stets höflich und sachlich. Ich habe den Eindruck, dass Sie ein wenig zu Ironie und Sarkasmus neigen, was ich persönlich erfrischend finde, aber dann wirken die Fragen nicht mehr. Sie und Ihre Tochter müssen schon ein „echtes“ Interesse an der Antwort heucheln.

Viel Erfolg

Ihr

Dieter Zittlau

Hallo Viola,

einen konkreten Tipp zu geben, ist aus der Ferne sehr schwierig. Ich würde an Ihrer Stelle jemanden hinzuziehen, der sich im Kinder- und Jugendbereich besser auskennt: Kinder- und Jugendpsychotherapeut, Familienberatungen, Jugendamt. Es gibt auch keine generell richtige Antwort; ich würde auf jeden Fall immer ihre Tochter befragen, was sie sich wünscht, womit es ihr besser geht. Und ganz wichtig, ihr Selbstvertrauen soweit aufzubauen, dass sie es schafft, sich das nicht von ihm kaputt machen zu lassen. Mir stellt sich die Frage, ob ihr die Besuche bei ihm überhaupt gut tun.

Viele Grüße
Jörg W

Es gab vor ein paar Tagen eine Gerichtsverhandlung, weil der Vater den Umgang eingeklagt hat. Nun steht es fest, dass Besuchswochenenden stattfinden. Mir stellt sich schon lange die Frage, warum meine Tochter dort hingehen soll. Er sieht seine Tochter aber eher als Statussymbol (so wie das schnelle Auto oder die hübsche Freundin). Echte Liebe ist da für das Kind gar nicht zu spüren. Ich kenne ihn 15 Jahre, ein Richter erlebt ihn 45 Minuten. Leider sehen Familienrichter nicht die wahren Beweggründe, sie vermuten, dass Väter ihre Kinder lieben und glauben, dass der Umgang für das Kind wichtig ist. Erst mit 14 Jahren kann das Kind selbst entscheiden, ob Besuchswochenenden oder Urlaube stattfinden. Danke trotzdem für den Hinweis mit der Stärkung des kindlichen Selbstvertrauens. Das wird meine Aufgabe bleiben!

narzisstische Persönlichkeitsstörung des Vaters
Sie haben sowohl mich (ich neige zur Ironie) als auch ihn (er neigt zur Geltungssucht, ist machtbesessen, typisch Chef!) sehr genau erkannt. Ich halte „Fragen-stellen“ für eine geniale Strategie und bin fest davon überzeugt, dass meine 11-jährige Tochter es mit der Zeit auch immer besser hinbekommt, viele offene Fragen zu stellen und ihn in die Enge zu drängen (mir fallen für die Autofahrt schon mindestens 30 Fragen ein). Das hört sich sehr spielerisch an und entspricht unbedingt dem Leistungsvermögen meiner Tochter. Ich werde diesen Tipp auch für die Übergaben beherzigen. Ich danke Ihnen vielmals!! Ich halte es mit Samuel Beckett:
Ever tried, ever failed. No matter. Try again, fail again, fail better.

Liebe Viola,
in der Tat eine schwierige Situation, in der Ihr da steckt.
Du fragst, was Du deiner Tochter mitgeben kannst zu den Besuchen beim Vater!? - Vor allem wohl die Sicherheit, dass sie sich mit allen Fragen und Unsicherheiten rückhaltlos an Dich wenden kannst. Alles weitere kann früher oder später zu anderen Missverständnissen aller Art führen, falls tatsächlich ein Paarkrieg ausgetragen werden sollte, an dem das „noch Kind“ - irgendwann kommt die Pubertät - teilhat.
Am Schönsten wäre es sicher, wenn Ihr einen Kinder- und Jugendtherapeuten m/w finden könntet, der/die Deine Tochter im Umgang eines Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung beraten/begleiten/coachen könnte. Denn Du als Mutter steckst ja selbst mitten drin im gesamten System, kannst (und sollst auch gar) nicht neutral sein; das wäre ja gelogen und Deine Tochter würde es auch merken und dir misstrauen müssen. Als Mutter hast Du einer 11-jährigen gegenüber einfach andere Aufgaben.
Je nachdem wo Du lebst gibt es in Deiner Stadt vielleicht Erziehungs- oder Familienberatungsstellen, die Euch hierbei weiterhelfen können (wir hier in Berlin sind damit ganz gut versorgt - im Umland ists 'ne Katastrophe; falls nicht kann man auch mal die Beratungsstellen der Krankenkassen anrufen. Die sind freundlich und können oft kompetent beraten. Denn es geht hierbei wirklich um die seelische (psychische) Gesund-Erhaltung Deiner Tochter, die sich in Ihrer Entwicklung befindet und die Ihr niemand verderben darf!
Herzliche Grüße von der Spree,
Michael Gutmann

Hallo Viola B
Ihrer Tochter geht es offensichtlich nicht gut, wenn sie so über sich selbst spricht. Dazu kann natürlich der „Rosenkrieg“ der Eltern beitragen, weil Kinder irgendwie immer auf beide Elternteile gucken – und wenn die miteinander kein Einvernehmen finden können, ist das schwer für die Kinder. Was Ihr Ex-Mann dann noch zusätzlich mit Ihrer Tochter bespricht, weiß man nicht. Wenn Sie als Mutter Ihre Tochter mit Kampfesmut erziehen, scheint das auch nicht so richtig gut zu passen, wenn man sich vorstellt, dass Ihre Tochter, das was sie über sich denkt, auch fühlt.

Kinder brauchen da schon „innere Entwicklungszeit“ – wenn Sie ihr dabei helfen wollen, gehen Sie doch in die zuständige Eltern-, Familien- und Erziehungsberatungsstelle Ihrer Stadt. Da gibt es viel Erfahrung, wie man gute Rahmenbedingungen für diese Entwicklungszeit schaffen kann – und das auch unter den schwierigen Bedingungen nach der Trennung
Grüße Friedhelm Topp

Sehr geehrte Frau Viola B,

entschuldigen Sie bitte, dass ich erst dazu komme, Ihre Anfrage zu beantworten.

Dass Ihr Ex-Mann Ihre Tochter „so fertig macht“, d.h. aggressiv verletzend, könnte dadurch motiviert sein, dass er Sie treffen und verletzen will, er eine offene Rechnung mit Ihnen hat, die er über Ihre Tochter zu begleichen sucht. Eine für Ihre Tochter furchtbare Erniedrigung - eine seelische Grausamkeit, wie Sie richtig schreiben - für Sie wahrscheinlich auch.
Wichtig zu wissen wäre: Kommen die Besuche bei ihm aufgrund einer Besuchsregelung zu stande? und: will Ihre Tochte ihn überhaupt besuchen? Hat sie eine eigenen Meinung und einen eigenen Standpunkt?
Ich habe den Eindruck, dass Ihre Tochter mehr Ihren Schutz braucht, d.h. auch, dass Sie sie darin bestärken, ruhig „krawallig“ zu sein. Mit anderen Worten, sie darin zu bestärken, dass sie sich nicht alles gefallen lässt und sich abgrenzt, ihm etwas entgegensetzen. Für ein 11-jähriges Kind sicher nicht einfach. Nichts runterschlucken, nichts gefallen lassen auch wenn er zornig wird. Ihre Tochter sollte sich nicht als hilfloses Opfer fühlen und dagegen hilft der eigenen Zorn und Ihre Unterstützung.
Entscheidend im Leben ist nicht, dass man Sieger/Siegerin ist, sondern dass man sich gewehrt hat. Enorm wichtig für das Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen.
Alles Gute für Sie und Ihhre Tochter!
Mit freundlichen Grüssen
Knut Werner-Rosen