Nationalitäten Südamerikas

Hallo!

Ich habe mich das bei der WM gefragt, wo die Südamerikaner ja so überraschend erfolgreich waren. Wie entstanden eigentlich die südamerikanischen Nationen?

Es ist mir klar, dass - mit Ausnahme von Brasilien, Surinam und zweimal Guyana - ganz Südamerika in spanischer Hand war, dass es Anfang des 19. Jahrhunderts Unabhängigkeitskriege gab und ich habe auch schon von Simon Bolivar gehört. Was mir aber nicht klar ist: Woher wussten z. B. die Peruaner, dass sie Peruaner sind und keine Chilenen? Es hatten doch alle spanischen Kolonien mehr oder weniger den gleichen Ursprung und die gleiche Geschichte? Waren das zuvor unterschiedliche Verwaltungsbezirke? Und falls ja: Warum blieben die Grenzen auch nach der Unabhängigkeit erhalten? Gab es nie Vereinigungsbestrebungen? Ich war noch nie in Südamerika, aber vom fernen Europa ist mir das einigermaßen unbegreiflich. Nur ein Beispiel: Bei Argentinien und Chile kann ich es mir noch einigermaßen vorstellen: Das eine Land wurde vom Atlantik her besiedelt, das andere vom Pazifik her. Die Anden waren wohl so unüberwindlich, dass es zu einem direkten Austausch erst kam, als jeder der beiden Staaten bereits eine eigene Identität hatte (So stelle ich es mir zumindest vor). Aber warum gibt es dann ein Land wie Paraguay?

Gleiches gilt übrigens für Mittelamerika. Bis auf Mexiko ist dieser Subkontinent auch erstaunlich in Kleinstaaten zersplittert. Woher stammen die Grenzen und die unterschiedlichen Identitäten?

Bin gespannt auf Antworten!
Michael

Hallo

Unter anderem wurden dort gestrandete Piraten zurückgelassen, die mit den Ureinwohnern zusammenlebten.

Einige Spanier und Portugiesen lebten eher friedlich mit den Ureinwohnern, anstatt sie wegzumetzeln und ihre Schätze zu stehlen.

Die Mischung von Indios und Portugiesen ist das Resultat.
Indios gibts immer noch. Die lässt man heute noch als minderbemittelte in den Städten betteln gehen. Man kann ihnen das betteln nicht verbieten.

Gruss


Indios gibts immer noch. Die lässt man heute noch als
minderbemittelte in den Städten betteln gehen. Man kann ihnen
das betteln nicht verbieten.

Oder sie werden Präsident wie Evo Morales in Bolivien. Gut, der bettelt auch manchmal - um Entwicklungshilfegelder um Bolivien auf die Beine zu helfen.

Zwar ist es nicht zu bestreiten, dass Indios in Südamerika im allgemeinen und aus vielerlei Gründen zu den wirtschaftlich Benachteilgten gehören, aber die obige Aussage finde ich doch ziemlich menschenverachtend und sie stimmt in ihrer Absolutheit einfach nicht.

Ohne Gruß
Hardey

Warum blieben die Grenzen
auch nach der Unabhängigkeit erhalten? Gab es nie
Vereinigungsbestrebungen?:

Hallo,

das ist nicht richtig.
Die Grenzen wurden auch dort nach der Unabhängigkeit ständig neu gezogen und verschoben.

und im Gegenteil, der Kontinent war nach der Unabhängigkeit weniger nach Vereinigung als eher um Zersplitterung bestrebt.

Uruguay, das offiziell „Republik östlich des Urugay“ heißt, verdankt seine Existenz Grenzstreitigkeiten zwischen Brasilien und Argentinien.
Diese konnten sich nicht einigen, wem dieses Gebiet zugeschlagen werden sollte, so wurde diese Republik als Pufferstaat zwischen beiden gebildet.

Im Norden gab es anfangs Groß-Kolumbien, dass sich später in Kolumbien, Venezuele, Ecuador und Panama aufspaltete.
Das waren wohl in der Tat schon vor der Trennung eigene Verwaltungsbezirke.

Bolivien war einst viel größer und wollte noch größer werden. Infolge von Kriegen gegen die Nachbarn verlor Bolivien deshalb große Teile des Chaco an Paraguay, den heutigen brasilianischen Bundesstaat Acre an Brasilien und, am schwerwiegendsten, das Gebiet um Arica, und damit den Zugang zum Meer und die Salpeterminen an Chile.

Zum genaueren Studium der Thematik empfehle ich die Wikipedia-Artikel zur Geschichte der einzelnen Staaten sowie den Artikel zum Chaco-Krieg.

Gruß
Lawrence

Hallo!

Und danke erstmal für diese Antwort. Vielleicht war es etwas zu eurozentrisch meinerseits anzunehmen, dass es in Südamerika keine wesentlichen Verschiebungen der Grenzen gab.

Nichtsdestotrotz geht das ein bisschen an meiner Frage vorbei: Ich wollte nicht wissen ob und in welcher Weise die spanischen Kolonien in unabhängige Nationen zerfielen, sondern warum. Der Hinweis zu Uruguay ist schon einmal ein Anfang, aber hatten die Bürger Uruguays denn keine Meinung dazu? Wenn sie spanisch sprachen, dann hielte ich es für natürlich, dass sie sich mit Argentinien mehr verbunden fühlten als mit Brasilien.

Wenn ich es mal mit Nordamerika vergleiche: Da haben sich 13 unabhängig gewordene Kolonien bewusst zu einer neuen Nation zusammengeschlossen. Knapp hundert Jahre später kam es dann zu Sezessionsbestrebungen, die in einen Bürgerkrieg mündeten, aber am Ende siegte der Unionsgedanke. Sicher kann man sich auch einen anderen Ausgang des Krieges vorstellen, aber dann häten wir einen Grund für den Zerfall der USA: Die Frage der Sklaverei.

Und dieses Motiv, das zur Zersplitterung von Lateinamerika führte, würde mich interessieren. Bolivar setzte sich ja eher für eine Art „Vereinigte Staaten von Südamerika“ ein (Stichwort: Großkolumbien). Warum hat sich das nicht durchgesetz und warum wurde die Idee später (meines Wissens) nicht mehr aufgegriffen?

Michael

Hallo,

Vor der Unabhängigkeit war Südamerika aufgespalten in ein großes Spanisches und ein Portugiesisches Gebiet (die kleinen Guayana lassen wir jetzt mal aus dem Spiel).

Der Portugiesische Teil erlangte als Brasilien seine Unabhängigkeit.
In diesem Teil funktionierte also die Gründung eines einzigen Staates.

Gleiches wäre wohl in Nordamerika auch geschehen, hätten die Engländer die Franzosen nicht zurückgedränkt. Es wäre möglich, es gäbe dann zwei amerikanische Staaten. Einen mit englischen, einen mit französischen Wurzeln.
Wie wahrscheinlich dies ist, sieht man heute noch an der frankophonen kanadischen Provinz Quebec.

Die spanischen Kolonien waren unterteilt in die Vizekönigreiche Neugranada (Groß-Kolumbien), Neukastilien (Bolivien-Peru) und Rio de la Plata (Argentinien), dazu kam noch der Zankapfel Uruguay, den beide Kolonialmächte für sich beanspuchten.

Man kann behaupten, dass diese Vizekönigreiche so etwas waren, wie die nordamerikanischen späteren Bundesstaaten.

Nun muss man aber sehen, dass Nordamerika vom mächtigen Großbritannien und Südamerika „nur“ von den längst nicht mehr zu den Großmächten gehörenden Spanien und Portugal beherrscht wurden.

Und ob in Südamerika durch die schwache Kolonialmacht überhaupt noch eine faktische Beherrschung bestand, darf bezweifelt werden.

Insoweit hatten die Vizekönige große Machtbefugnisse.
Und ihnen unterstellt waren wiederum kaum kontrollierbare Gouverneure in abgelegen Gebieten.

Hinzu kommt, dass Spanien zur Zeit der Unabhängigkeitskriege Anfang des 19. Jahrhunderts seine Armeen in Europa gegen Napoleon bündeln musste und kaum die Möglichkeit hatte sich effektiv gegen die Abspaltung der Kolonien zur Wehr zu setzen.

Somit kann gesagt werden, die nordamerikanischen Kolonien hatten nur eine Chance im gemeinsamen Kampf gegen die Weltmacht England, während die Südamerikanischen Kolonien auch ohne Einigkeit stark genug waren den Unabhängigkeitskampf zu bestehen.

Und so kommt es, dass die USA sich im Ganzen für unabhängig erklärte, in Südamerika aber jede Kolonie für sich. Und innerhalb der Kolonien gab es wiederum Gouverneure, die sich auch noch von der Kolonie abspalteten, zum Beispiel Oberperu das später zu Bolivien wurde
oder Chile, dass die natürliche Grenze der Anden nutzte. Paraguay wiederum ist durch die Sümpfe des Chaco und Pantanal gut abgeschirmt.

Nachdem die südamerikanischen Kolonien die Unabhängigkeit erreicht hatten, bestand für diese keine Notwendigkeit zur Vereinigung, im Gegenteil, jeder Vizekönig, Gouverneur usw. war um seinen erreichten Besitzstand sehr besorgt und versuchte dies noch weiter auszudehnen.

Die Abspaltung Panamas von Kolumbien wurde übrigens von den USA vorangetrieben, die die Panamaische Unabhängigkeitsbewegung unterstützten und sich im Gegenzug die Pachtverträge für das Gebiet des Panama-Kanals zusichern ließen.

Gruß
Lawrence

1 Like

Hallo!

Vielen Dank. So langsam wird ein Schuh draus. Zwischen den Zeilen lese ich bei Dir noch einen weiteren Aspekt. Bitte sag mir ob ich mich da irre:

Die Unabhängigkeit der USA war zugleich auch eine republikanisch-demokratische Revolution. Das spätere Volk der Amerikaner wurde also auch durch den gemeinsamen Willen nach Volkssouveränität geeint. Wenn ich Dich richtig verstehe, dann waren es in Südamerika eher Einzelpersonen bzw. Cliquen, die das durch die Schwäche des Mutterlandes entstandene Machtvakuum geschickt nutzen konnten und sich ein Stück vom Kuchen abschnitten, ohne gemeinsame Interessen zu haben. Sehe ich das so richtig? Könnte das auch damit zusammen hängen, dass es in den USA vor 1800 schon eine breite wohlhabende und gebildete Bürgerschicht gab, während - so vermute ich - in Südamerika die Schere zwischen wenigen sehr reichen aber undemokratischen Großgrundbesitzern einerseits und vielen ungebildeten Armen schon immer weiter auseinanderklaffte als in den USA?

Brasilien würde ich bei der ganzen Geschichte ausklammern. Es war ja wie gesagt keine spanische sondern eine portugiesische Kolonie. Außerdem wurde da auch nicht eine Kolonie in die Unabhängigkeit entlassen, sondern ein gemeinsamer Staat wurde in einem Bürgerkrieg in zwei Staaten geteilt.

Michael

Hallo

Das war ziemlich menschenverachtend, was die ersten Europäer dort getrieben haben.
Darüber wollen Europäer heute lieber nichts hören.

Man spricht über die Situation danach. Das hört sich viel besser an.

Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass es eine graue Zeit für die Südamerikaner gab, die hier nicht besprochen wird. Also nicht Thema ist, und auf die auch nicht weiter eingegangen werden wird.

Hoffentlich endgültig abgeschlossen
Beat

1 Like

Indios Nord- und Südamerika
Hallo Beat,

so berechtigt der Hinweis ist, so muss ich doch der historischen Wahrheit zuliebe auf zwei Aspekte hinweisen:

die Armut in Amerika verteilt sich vielleicht statistisch, aber heutzutage nicht unbedingt ursächlich entlang der Abkunft. Aber das ist ein differenziertes Problem.

Wichtiger erscheint mir darauf hinzuweisen, dass Südamerika im Gegensatz zum „britischen“ Norden überhaupt ein Indioproblem hat. Die Indios des Nordens („Indianer“) wurden bekanntermaßen ausgerottet, so dass es dort eben kein soziales Problem gibt. Und nun dürfen sich die Spanier noch jahrhundertelang anhören, wie mies sie die Indios behandelt hätten. Kein Vergleich zu dem, was die demokrstischen USA taten!

Gruß,
Andreas

Hallo Michael,

im Prinzip hast du Recht. Die USA wurden oberflächlich betrachtet „von unten“ kolonisiert und quasi selbstverwaltet.

Lateinamerika hingegen wurde an Vizekönige und Gouverneure vergeben, die eifersüchtig darüber wachten, dass ihr Verwaltungsaufbau (wenn überhaupt) an der Grenze zur Nachbarprovinz endete. Hier gab es also zuerst den Staat Chile oder Uruguay und erst lange danach den Chilenen oder Uruguayer. Es gibt eigentlich keine Grundlage für eine bestimmte Nationalität, abgesehen von den willkürlich gezogenen Landesgrenzen und ein Paraguayer oder Venezuelaner würde heute problemlos Kolumbier oder Argentinier sein, wäre ein Aufstand oder ein Bürgerkrieg etwas anders verlaufen.

Gruß
Hardey

1 Like

Hallo,

ja, so ist es zu verstehen.
So eine Art „Gelegenheit macht Diebe“.

Während eine einzelne nordamerikanische Kolonie es niemals geschafft hätte, die Unabhängigkeit vom mächtigen Britisch Empire zu erlangen, war dies für ein einziges Vizekönigreich in Südamerika gegen das geschwächte Spanien wohl möglich.

Herrschte im Norden somit notgedrungen eine Einigkeit der Kolonien im Unabhängigkeitskampf, so kämpfte im Süden meist jede Kolonie für sich selbst und teils auch noch untereinander.

Man muss den Prozess auch sehen in der völlig verschiedenen Bevölkerungsstruktur zwischen Nord- und Südamerika.
Schätzungen gehen davon aus, dass am Vortag der Landung von Kolumbus etwa 50 Millionen Menschen auf dem Doppelkontinent lebten.
Davon sollten allein 25 Millionen zu Mittelamerika und 12,5 Millionen zum Inkareich gehört haben.
Der Anteil Nordamerikas scheint bei 3 Millionen gelegen zu haben.

Somit war natürlich eine gänzlich gegensätzliche Kolonialpoltik die Folge.
Während die USA es schafften einen fast vollständigen Völkermord hinzulegen, war dies den Spaniern und Portugiesen aufgrund der riesigen Menschenmenge gar nicht möglich, wenngleich sie sicher nicht weniger gewütet haben.
In Südamerika wurde deshalb weit mehr missioniert und es wurden auch weit mehr Mischehen eingegangen, aus denen die heutigen Mestizen hervorgingen.

Zur Zeit der Unabhängigkeit waren also in großen Teilen Südamerikas noch viele Indio-Völker mit eigenem Stammesbewutsein vorhanden, die einer gemeinsame Staatsgründung mit anderen Gruppen wohl eher ablehnend gegenüber standen.
Man blieb unter sich und lehnte die Vereinigungsbestrebungen eines Simon Bolivar ab.

In Nordamerika spielten Ureinwohner und Stammesbewußtsein im Unabhängigkeitskampf überhaupt keine Rolle.

Manche Gegenden Südamerikas waren auch nach dem Wüten der Spanier noch vorwiegend durch Indios bevölkert. In Bolivien stellen die Indios heute noch die Bevölkerungsmehrheit. Bolivien hat mit Evo Morales sogar einen Präsidenten der Indio ist.

Noch etwas zu Paraguay, was ich herausgefunden habe:
Paraguay entstand aus dem Jesuitenstaat von Paraguay. Das war nichts Anderes als ein Indianerreservat, in dem die Indios durch Missionare regiert und missioniert wurden. Sie waren dort auch vor Verfolgung geschützt.

Gruß
Lawrence

1 Like

Indianer Nordamerikas
Hallo Andreas,

es dürfte die real existierenden Indianer Nordamerikas doch etwas beunruhigen, wenn sie hören, dass sie alle schon lange ausgerottet worden sind.

Im Gegenzug dürfte es sie allerdings freuen zu hören, dass sie dadurch auch kein Armutsproblem haben.

http://de.wikipedia.org/wiki/Indianer_Nordamerikas#D…

Gruß

=^…^=

Hi Katze,

ich bezweifle, dass es die Anhänger der übrig gebliebenen (!) Stämme überrascht, dass andere ausgerottet wurden, v.a. im Anbetracht dessen, dass einige Stämme Personen mit 10% Abstammung anerkennen weil eben keine anderen mehr _verfügbar_ sind ^^

lg
Kate

Hallo,

wie ich oben schon eingeflochten hatte, lag das auch ander Bevölkerungsverteilung.

Es war für die Spanier und Portugiesen ungleich schwerer 40 Millionen Indios auszurotten als für die Engländer mit 3 Millionen Indiandern.

Die tatsächlichen Opferzahlen dürften sich die Waage halten, dennoch tat man sich im Norden „leichter“ mit den Völkermorden.

Gruß
Lawrence

Hi Kate,

ich wollte die Sache nicht verharmlosen, mir ging es nur um folgende Aussage:

Die Indios des Nordens („Indianer“) wurden bekanntermaßen ausgerottet, so dass es dort eben kein soziales Problem gibt.

Es wurden keineswegs allesamt ausgerottet (auch wenn es an dem Bemühen nicht gefehlt hat), und die heute Lebenden haben durchaus gewaltige soziale Probleme.

Beste Grüße

=^…^=

2 Like

Danke Euch allen (owt).
.

Wenn ich es mal mit Nordamerika vergleiche: Da haben sich 13
unabhängig gewordene Kolonien bewusst zu einer neuen Nation
zusammengeschlossen.

Keineswegs fassten sich die Aufständischen als eine Nation auf, was sich auch an den späteren Konstitutionsdokumenten (vgl. „Articles of Confederation“) messen lässt; diese sicherten den Bundesstaaten umfassende Rechte im Angesichte einer fast machtlosen Bundesregierung zu.
Bis zum Bürgerkrieg fast 100 Jahre später fassten sich alle Bundesstaaten als souveräne Staaten in einem freien und freiwilligen Bunde auf, die sehr auf die Wahrung ihrer Souveränität und die strikte Begrenzung der Befugnisse der Bundesregierung achteten; dies änderte sich erst mit und nach dem Bürgerkrieg (interessant auch: vor dem Bürgerkrieg sagte man „The United States ARE…“, nach dem Bürgerkrieg und bis heute sagt(e) man „The United States IS…“).

Man könnte also sagen, die Vereinigten Staaten wurden 1776/1783 unabhängig, wurden aber erst 1865 bzw. im Laufe der Rekonstruktionsära zu einer Nation.