Natürlichkeit und Widernatürlichkeit als Killerarg

Hallo, liebe ExpertInnen!
Ich habe lange überlegt, in welchem Forum ich posten soll, habe mich jetzt für dieses hier entschieden - in Ermangelung eines geeigneteren:
Es geht um Argumentation in concreto um Argumentationslinien, in denen der oder die Argumentierende auf die Natürlichkeit bzw. Widernatürlichkeit einer bestimmten Handlung, eines bestimmten Verhaltens oder ähnlichen verweist. „Inzest, das ist widernatürlich.“ „Heterosexualität ist natürlich.“ usw. Wie kommt man solchen Argumenten am besten bei.
Natürlich kann ja u. a. die Bedeutung haben von „es kommt in der Natur vor“. Da Homosexualtität beim Menschen vorkommt, der Mensch Teil der Natur ist, ist folglich auch Homosexualtiät etwas Natürliches, zumal es ja auch gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr bei Tieren gibt. Hat jemand eine bessere Argumentationslinie wie man solchen Killerargumenten entgegenkommen kann? Sind doch Killerargumente, oder?

Danke Martin

ach je… Killerargumente sind das nicht, wenn Du sie erkennst. Es sind verpackte Vorannahmen.
Wenn Du die zerpflückst (hinterfragst), zerfällt eventuell die gesamte Argumentation.

Widernatürlich mag man also „wider die Natur“ auslegen. Genaugenommen müsste man jetzt erstmal „Natur“ definieren. Die Aufdeckung versteckter Vorannahmen kann Deinem Gegenüber ganz schön auf die Nerven gehen. Damit bringst Du die ganze Diskussion auf ein anderes Thema, immer und immer wieder.
Es ist insofern erfolgreich, dass Du versteckte (falsche) Vorannahmen ins Gespräch bringst, um den Sinngehalt der eigentlichen Aussage zu prüfen. Meist fällt diese dann in sich zusammen.
Der Nachteil ist bei stetiger Anwendung, dass Du am Ende nur noch mit Dir selbst diskutierst, da hat bald keiner mehr Lust drauf ;o)

In Deinem Beispiel lässt sich das dahingehend beantworten, dass im Naturreich viele Tiere gleichgeschlechtlichen Verkehr haben.
Weia… wenn ich da an meine Karnickel oder auch Hunde denke :o)
Soooo widernatürlich kanns also nicht sein.

Bis dahin erstmal
Gruß
Sopho

Hallo,

man sollte feststellen, was derjenige sich unter „natürlich“ vorstellt. Danach folgt i.d.R. eine dieser Varianten:

  1. „natürlich ist, was in der Natur vorkommt“
    -> demnach sind z.B. Inzest und Homosexualität natürlich, weil das ja bekanntermaßen in der Natur vorkommt. Der Diskutant wird dann zu einer anderen Variante überwechseln …
  2. „natürlich ist, was in [heiliges Buch nach Wahl einsetzen] steht“
    -> da würde ich die Diskussion beenden
  3. „OK, natürlich hin oder her, Homosexualität ist einfach eklig“
    -> darauf läuft jede entsprechende Diskussion letztendlich raus, da es gegen H. keine sinnvollen Argumente gibt. Auch hier ist ein guter Moment, die Diskussion zu beenden.

Gruß,

Myriam

Ja in gewisser Weise sind das Killerargumente.
In einer vernünftigen und sachlichen Diskussion sollten sie aber keinen Platz haben. In einer unsachlichen Diskussion gibt es hunderte davon.
Auch gern genommen „männer sind halt so“ oder ähnliches.
Eine Generalisierung von Sachverhalten die schlichtweg falsch ist.
In Südamerika gibt es Fliegen, deren Männchen sich in Gruppen versammeln und die Weibchen vergewaltigen *kein Scherz* Es gibt fast nichts, was nicht in der Natur vorkommt- schließlich lernen wir von ihr.
Ohne wären wir ziemlich aufgeschmissen. Solche Diskussionen kann man nur beenden oder mit einem entsprechenden Hinweis wieder auf eine sachliche Ebene bringen. Was das Thema Homosexualität im speziellen angeht, verweist die Geschichte auf eine jahrhundertelange „Tradition“- man blicke auf das antike Griechenland z.b. Da gehörte im übrigen auch die Knabenliebe zum guten Ton.
Es sind die Emotionen die einen zu einem solchen „Totschlagsargument“ verleiten. Und manchmal ist es tatsächlich besser eine solche Diskussion zu beenden, weil man sonst die Belastbarkeitsgrenze des Gegenübers überschreitet. Andere muß man einfach einreißen…
Grundsätzlich handelt es sich dabei aber um ein Verhalten zum Selbstschutz, weil es das eigene Weltbild gefährdend durcheinander bringt, man die eigene Person oder das menschliche, die Werte, die Normen in Frage stellen muss oder ähnliches.

Hallo Martin,

Im Gegensatz zum Menschen kennt die Natur keine Moral.

Was irgendwie der Arterhaltung nützlich ist oder ihr zumindest nicht entgegenwirkt, ist in der Natur vorhanden. Alles andere stirbt einfach aus.

In der Natur gibt es auch keine Unkräuter. Ein Samenkorn fällt irgendwohin und findet entweder geieignete Bedingungen vor oder halt nicht. Möglicherweise stammt der Samen auch aus einem anderen oekologischen System und dann haben die Alteingesessen unter Umständen halt Pech gehabt, weil sie verdrängt werden.

Ein Weizenhalm auf einem englischen Rasen ist Unkraut, auf einem Weizenfeld ist Mais dann dann das Unkraut.

MfG Peter(TOO)

Hallo,
das Killerargument „ist gegen die Natur“ nennt man in der Philosophie soweit ich weiß „naturalistischer Fehlschluss“. Dazu gehört so ungefähr der Satz: „Das Sein bestimmt kein Sollen“ - das heißt, nur weil etwas so ist, heißt das noch nicht, dass es so moralisch gut ist. Vielleicht lässt sich mit „naturalistischer Fehlschluss“ dazu noch etwas ergoogeln.
Gruß, Lessing

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