Hallo Nix_schlecht,
Dass Naturschutz unter den Diktatoren nicht vorrangig war
leuchtet mir ein.
Ganz so würde ich es auch nicht formulieren. Die Auffassung von Naturschutz war einfach anders. Es herrschte ein Fortschrittsoptimismus, ein Glaube an die Technik, noch verstärkt durch den Glauben an die Überlegenheit des eigenen Systems. Etwas vereinfacht würde ich es so formulieren: „Was eventuell an Schäden in der Natur durch die Technik auftritt, läßt sich durch die planmäßige Weiterentwicklung der Naturwissenschaft und Technik auch wieder beseitigen und beherrschen.“ Insofern unterscheidet sich dieser Optimismus wenig von dem kapitalistischer Länder, alles ist machbar, alles ist beherrschbar. Nur daß eben noch die Überzeugung dazukam, daß die im Kapitalismus durch das Profitstreben und die grenzenlose Ausbeutung der Natur auftretenden Schäden im Sozialismus so nicht vorkommen können. Dort ist alles planmäßig geregelt und der Mensch beherrscht die Natur. Um ein Bild zu gebrauchen, ein Meister, der sein Instrument beherrscht, wird es nicht zerstören. Daß dies nur ein ideologisches Trugbild war, ist klar.
Wurden die Schutzgebiete, die während
ihren Amtszeiten entstanden, dann aus wissenschaftlichen oder,
wie Frank Mueller angedeutet hat, aus militärischen
Beweggründen eingerichtet, oder ging mit dem Stolz auf das
eigene System auch ein Stolz auf das eigene Land einher, der
dazu führte einige Perlen der Natur dann doch schützen zu
wollen (quasi zum angeben)?
Dazu kann ich dir leider nicht viel sagen. Ohnehin deckt sich der Begriff Sapowednik (заповедник) nicht ganz mit unserem Wort Naturschutzgebiet, sondern ist etwas weiter gefasst, weil auch geschichtlich bedeutsame Gebiete darunter fallen. Aber solange mir nicht das Gegenteil bewiesen wird, gehe ich mal vom üblichen Zweck eines Naturschutzgebietes aus, also Schutz der Tier- und Pflanzenwelt. Zumindest die rechtlichen Bestimmungen sind so ausgelegt. Ob sie dann auch so eingehalten wurden, steht auf einem anderen Blatt.
Mit viel Geduld kannst Du ja aus dieser Liste von Sapowedniki
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Naturschutzge…
raussuchen, ob sich dort auch militärische Sperrgebiete befinden:
http://www.zone-interdite.net/
Aber auf jeden Fall ist auch die Naturverbundenheit bzw. der Stolz auf eigene Naturschönheiten ein Motiv für die Einrichtung von Sapowedniki, würde mich wundern, wenn es anders wäre.
Und wie sieht es mit den Machthabern nach der
Tauwetter-Periode aus?
Auch hier muß ich passen. Aber wenn man obige Liste nach den Jahren ordnet, so werden zumindest auch in der Chrustschow-Zeit und danach noch einige Sapowedniki gegründet, so daß es mit der Chrustschowschen Ablehnung ganz so schlimm nicht gewesen sein kann. Aber ob und was er alles dazu gesagt hat, keine Ahnung. Aber vorstellbar ist es schon, daß Chrustschow, der ja Bauernsohn war und auch als Staatschef eine große Vorliebe für teils sehr zweifelhafte landwirtschaftliche Experimente hatte, Naturschutzgebiete, in denen ja praktisch keine Landwirtschaft stattfinden sollte, nicht so toll fand.
Danach wurde die Situation des Umweltschutzes vermutlich nur
noch schlimmer, da der kalte Krieg langsam richtig ins rollen
kam.
Auch hier nur meine Vermutung: So wird es wohl sein. Auch die wirtschaftliche Situation wurde immer schlechter, so daß man sich Sachen, die keinen direkten wirtschaftlichen oder militärischen Nutzen brachten, wohl nicht mehr so recht leisten konnte und/oder wollte. Und wenn in einem Sapowednik z.B. dringend benötigtes Erz gefunden wurde, kann ich mir schon vorstellen, daß man auf den Schutzstatus gepfiffen hat.
Viele Grüße
Marvin