Ungereimte Argumentation
Hi Michael.
Aussage: „Die Naturwissenschaft ist die einzige Möglichkeit,
zu Erkenntnissen über die physische Welt zu gelangen.“
Dein Erkenntnis-Begriff ist einfach zu eng. Du vergisst, dass die NaWi mit Instrumenten arbeitet, die ein T e i l der physischen Welt sind. Wie aber kann etwas (die physische Welt) mit einem Teil von sich selbst „erkannt“ werden (im philosophischen Sinne)?
Obige Aussage ist also im Ansatz schon unzulässig. Messinstrumente „erkennen“ nichts, sie reagieren nur auf externe Einflüsse. Und der Wissenschaftler, der diese Reaktionen (die Messdaten) auswertet, „erkennt“ ebenfalls nicht (im strengen Sinne). Er macht sich ein paar Reime auf Zusammenhänge auf der physischen Ebene, nicht mehr.
Philosophisches und/oder spirituelles Erkennen ist weit mehr. Es kann durchaus das Physische zum Thema haben. Und dieses Thema auf eine Weise durchdringen, zu der Messinstrumente nicht in der Lage sind.
Def.: Die physische Welt ist der Teil der Wirklichkeit, der
sich beobachten lässt.
Das ist absolut f a l s c h. Erstens lässt sich ein großer Teil der Wirklichkeit, der der physischen Ebene durchaus zuzurechnen ist, n i c h t beobachten, jedenfalls nicht direkt (z.B. Quantenebene), zweitens lassen sich „Dinge“ sehr wohl beobachten, die nicht zur physischen Ebene gehören (Gedanken, Gefühle, Empfindungen, Träume usw.).
Def.: Erkenntnisse sind Wissensinhalte, die überprüfbare
Vorhersagen erlauben.
Nur bedingt richtig. Welche Voraussagen lassen psychoanalytische Erkenntnisse über die Kindheit zu? Gar keine. Erkenntnisse wiederum, die spiritueller Natur sind, haben schlichtweg „Ewigkeitswert“, man kann sie nicht zur Basis irgendwelcher Prognosen machen. Deine obigen Definition würde solche Erkenntnis automatisch zur Illusion entwerten.
Was wiederum deinen Erkenntnisbegriff relativiert. Er beschränkt sich auf naturwissenschaftliches Erkennen, mehr nicht.
Annahme: „Es gibt eine andere Möglichkeit, zu Erkenntnissen
über die physische Welt zu gelangen.“
Na schauen wir mal, wie logisch deine Argumentationskette ist…
Diese „andere Möglichkeit“ ist nicht naturwissenschaftlich.
Das bedeutet, dass sie entweder
- sich nicht ausschließlich auf Beobachtungen stützt, oder
- daraus keine allgemeingültigen Regeln ableitet
(oder beides).
Dein Punkt 1) ist unrichtig. Spirituelles Erkennen stützt sich sehr wohl auf Beobachtung, allerdings auf einer anderen als der physikalischen Ebene. Es wäre nett, wenn du das zumindest mal hypothetisch erwägen könntest.
Wenn 2) zutrifft, entstehen keine Erkenntnisse, denn
Vorhersagen kann man nur aus allgemeinen Prinzipien ableiten.
Was heißt schon „Regel“? In der Spiritualität gibt es durchaus Regel-Erkenntnisse, das indische „Karma“ wäre ein Beispiel.
Folglich trifft für die „andere Möglichkeit“ 1) zu: Sie stützt
sich nicht ausschließlich auf Beobachtungen. Es fließen also
auch Dinge ein, die sich nicht beobachten lassen. Daraus
leitet sie allgemeingültige Regeln ab. Dadurch liefert sie
Erkenntnisse.
Hier bleibt alles an deinem engen, weil allein aufs Physische begrenzten Beobachtungs-Begriff hängen. Es gibt auch ein Beobachten (bzw. Wahrnehmen), das die Ebene des physikalisch Messbaren überschreitet. Hast du, um ein ganz simples Beispiel zu nennen, noch nie „beobachtet“, wie eine Emotion in dir hochsteigt? In der buddhistischen Meditation lernt man, solche und andere „innere“ Dinge (Gedanken,Phantasien, Empfindungen) zu beobachten.
Wenn nun zwischen
den „nicht-beobachtbaren Dingen“ eine eindeutige Beziehung zu
den beobachtbaren Effekten besteht, dann sind erstere de facto
ebenfalls beobachtbar.
Ganz falsch. Schwerkraft z.B. kann nicht beobachtet werden, man weiß nicht mal, was sie eigentlich „ist“. Man kennt nur ihre Effekte.
Besteht jedoch keine eindeutige
Beziehung, dann kann die abgeleitete Regel auch nicht als
allgemeingültig angesehen werden. Beides ergibt einen
Widerspruch.
Die Annahme wurde damit überlegt. Folglich ist ihr Gegenteil
wahr.
Nur dann, wenn man all die Ungereimtheiten in Kauf nimmt, die dir in dieser Argumentation unterlaufen.
Gruß
Horst